BFH I R 56/08

BFHI R 56/0816.12.2009

Amtlicher Leitsatz:

Einrichtungen zur Messung von Lärmemissionen stellen eine Betriebsstätte eines Verkehrsflughafens dar. Es liegt aber wegen eines fehlenden räumlichen Zusammenhangs keine mehrgemeindliche Betriebsstätte vor, wenn eine Verbindung mit den Lärmmessstationen (Datenübertragung) nur über allgemeine Kommunikationsleitungen besteht.

Steuerrecht: Eine Messstation allein bringt noch keinen Gewerbesteueranteil

Eine Gemeinde, auf deren Gebiet eine Messstation liegt, um die Emissionen vom auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde ansässigen Verkehrsflughafen zu ermitteln, kann von der betreffenden Kommune keinen Anteil an der dort eingehenden Gewerbesteuer verlangen. Dies gilt unabhängig davon, dass solche Stationen vorgeschrieben sind und außerdem die Bürger dieser Gemeinde wegen der räumlichen Nähe zum Flughafen Lärmbelästigungen hinzunehmen hätten. Außerdem würden Investitionen am Gemeindebereich ausgelöst.

Quelle: Wolfgang Büser

Normen

§ 28 Abs. 1 GewStG 2002
§ 29 Abs. 1 GewStG 2002
§ 33 Abs. 1 S. 1 GewStG 2002
§ 12 S. 1 AO

FG Hessen - 19.03.2008 - AZ: 8 K 2117/07

 

Gründe

A.

1​Streitig ist die Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrages für den Erhebungszeitraum 2002 (Lärmmessstationen eines Verkehrsflughafens).

2​Die Beigeladene zu 1., eine AG, betreibt zwei Verkehrsflughäfen. Sie hatte im Streitjahr auf den Gebieten der Klägerinnen, Revisionsklägerinnen und Revisionsbeklagten zu 1. bis 10. (Klägerinnen) sowie der Beigeladenen zu 2. --ebenso wie die Beigeladenen zu 3. bis 5. sämtlich kommunale Gebietskörperschaften-- jeweils mindestens eine Einrichtung zur Messung des Fluglärms (Lärmmessstation) installiert. Insgesamt handelt es sich um 25 Stationen, die von der Beigeladenen zu 1. ohne eigenes Personal am Ort betrieben wurden. Die Stationen --bestehend aus einer wetterfesten Mikrofoneinheit, einem Schallpegelmessgerät, einem Datenlogger zur Sammlung der anfallenden Messdaten und einem Modem zur Datenübertragung-- befanden sich jeweils auf einem wenige Quadratmeter großen Grundstück, das die Beigeladene zu 1. aufgrund eines "Gestattungsvertrages" mit der jeweiligen Gemeinde als Grundstückseigentümerin kostenfrei nutzte.

3​Die Messdaten werden per Kabel (Datenübermittlung in speziellen öffentlichen Wählnetzen der Y-AG) zum zentralen Rechner der Fluglärmüberwachung am Flughafen übertragen und dort von einem Fluglärmcontroller überwacht. Das Messverfahren und die Auswertung der Daten erlauben die konkrete Zuordnung eines bestimmten Lärmereignisses zu einem bestimmten Flugereignis. Mit der gesamten Einrichtung erfüllt die Beigeladene zu 1. ihre gesetzliche Verpflichtung nach § 19a des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) im Rahmen ihrer Betriebsgenehmigung nach der Luftverkehrszulassungsordnung. Darüber hinaus stützt sie seit dem 1. Januar 2001 die Lärmdifferenzierung in ihrer Entgeltordnung auf die mit der Fluglärmmessanlage ermittelten Lärmdaten. Schließlich dienen die gewonnenen Messdaten zur Kontrolle der mit dem Sommerflugplan 2002 eingeführten Lärmkontingentierung für geplante Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr. Der Buchwert der Stationen im Jahresabschluss der Beigeladenen zu 1. betrug im Streitzeitraum 0 EUR.

4​Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zerlegte den gegen die Beigeladene zu 1. für das Streitjahr festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag auf einer ersten Stufe entsprechend dem Verhältnis der Arbeitslöhne gemäߧ 29 des Gewerbesteuergesetzes 2002 (GewStG 2002) zwischen den selbständigen (Haupt-)Betriebsstätten (den beiden Standorten der Flughäfen), was zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach unstreitig ist. Auf der zweiten Stufe zerlegte das FA den für die Beigeladene zu 3. verbleibenden Zerlegungsanteil in Höhe von ... EUR unter Berücksichtigung der Personalkosten und des Werts des"und dem Wert des" korrigiert durch "und des Werts des" laut Berichtigungsanzeige des BFH vom 11.03.2010. Sachanlagevermögens (jeweils 50%), wobei es alle Gemeinden mit Lärmmessstationen einbezog und eine mehrgemeindliche Betriebsstätte gemäߧ 30 GewStG 2002 annahm. Da die Klägerinnen und die Beigeladene zu 2. danach nur mit 0 EUR zu beteiligen waren, verteilte es den verbleibenden Zerlegungsanteil auf die Beigeladenen zu 3. bis 5. (zu ... bzw. ... und ...%). Auf deren Gemeindegebieten liegen die dem Flughafen dienenden Gebäude sowie die Start- und Landebahnen. Der Verteilung liegt eine Vereinbarung zwischen der Beigeladenen zu 1. und den Beigeladenen zu 3. bis 5. aus ... (mit Nachträgen) zugrunde.

5​Die Klage blieb erfolglos (Hessisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 19. März 2008 8 K 2117/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1472). Das FG hat die Lärmmessstationen als Betriebsstätten angesehen, aber den Tatbestand einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte wegen fehlender räumlicher Verknüpfung der Betriebsstätten abgelehnt; auch wenn man von einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte ausgehe, sei den Klägerinnen und der Beigeladenen zu 2. unter Berücksichtigung der Zerlegungsfaktoren "gezahlte Arbeitslöhne" bzw. "Wert der Betriebsanlagen" kein Messbetragsanteil zuzuweisen.

6​Die Revisionsführer rügen die Verletzung materiellen Rechts.

7​Im Revisionsverfahren ergingen unter dem 14. August 2009 bzw. unter dem 15. September 2009 Änderungsbescheide auf der Grundlage jeweils geänderter Gewerbesteuermessbeträge, die den Gegenstand dieses Rechtsstreits nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten nicht berührt haben.

8​Die Klägerinnen beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Zerlegungsbescheids (in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15. September 2009) eine Zerlegung nach einem die einzelnen Klägerinnen berücksichtigenden Verteilungsschlüssel (hilfsweise nach Maßgabe eines davon abweichenden Verteilungsschlüssels) vorzunehmen.

9​Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil dahingehend aufzuheben, dass statt einer Gewerbesteuerzerlegung nach § 28 Abs. 1 Satz 1, § 29 GewStG 2002 eine Zerlegung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1, § 30 GewStG 2002 (mehrgemeindliche Betriebsstätten) vorzunehmen ist, wobei unter Anwendung eines jeweils hälftigen Zerlegungsmaßstabs der Personalkosten in der Teilbetriebsstätte sowie des Sachanlagevermögens in der Teilbetriebsstätte die Klägerinnen entsprechend dem streitgegenständlichen Gewerbesteuerzerlegungsbescheid an der Zerlegung betragsmäßig mit einem Anteil von 0 EUR zu beteiligen sind.

10​Darüber hinaus beantragen die Revisionsführer sinngemäß jeweils wechselseitig,

die gegenläufige Revision zurückzuweisen.

11​Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

B.

12​Die Revision des FA wird als unzulässig verworfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Hessischen FG vom 19. März 2008 8 K 2117/07 aufgehoben; die Klagen der Klägerinnen werden abgewiesen.

13​ I.

Revision des FA

14​Die Revision des FA ist unzulässig. Es fehlt an einer --auch für ein Revisionsverfahren eines Beklagten erforderlichen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juni 2006 V R 58, 59/04, BFH/NV 2007, 454)-- Beschwer des FA durch das angefochtene Urteil. Das FG hat die Klage vollen Umfangs abgewiesen und damit den Verfügungssatz des Zerlegungsbescheids unberührt gelassen. Dass das FG eine andere Begründung für das klageabweisende Urteil als das FA für seinen belastenden Verwaltungsakt gefunden hat, begründet eine Beschwer des FA nicht (z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 115 Rz 19; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 115 FGO Rz 22; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vor §§ 115-134 FGO Rz 22).

15​Das FA beruft sich insoweit zu Unrecht auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 7/70 (BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120). Die dortige Annahme, dass das FA gegen das Urteil des FG auch dann Revision einlegen kann, wenn das Urteil zwar den vom FA beim FG gemachten Ausführungen oder seinen Anträgen entspricht, der Verwaltungsakt des FA aber nicht in vollem Umfang vom FG bestätigt wurde, bezieht sich auf eine von der Antragstellung im Prozess unabhängige sog. materielle Beschwer des FA durch das FG-Urteil (s. BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566; z.B. auch Beermann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 115 FGO Rz 40). Eine Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zum Nachteil des FA liegt im Streitfall aber gerade nicht vor; dazu reicht eine Abweichung in der als Begründung des Verwaltungsakts (§ 157 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) anzusehenden Stufenfolge der Berechnung im Zerlegungsbescheid nicht aus. Auch enthält der Tenor der angefochtenen Entscheidung keinen weiter gehenden Ausspruch (s. insoweit BFH-Urteil vom 26. November 1974 VIII R 258/72, BFHE 114, 226, BStBl II 1975, 206), der eine Beschwer des FA hätte auslösen können.

16​ II.

Revisionen der Klägerinnen

17​Das angefochtene Urteil des FG ist auf die Revisionen der Klägerinnen aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des ursprünglich angefochtenen Zerlegungsbescheids, der Gegenstand des FG-Urteils war, ist während des Revisionsverfahrens zunächst der Änderungsbescheid vom 14. August 2009, später der Änderungsbescheid vom 15. September 2009 getreten, wobei beide Bescheide den Gegenstand dieses Rechtsstreits nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten nicht berührt haben. Der Änderungsbescheid vom 15. September 2009 ist gemäߧ 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. z.B. Senatsurteil vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, m.w.N.). Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäߧ 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet an keinem Verfahrensmangel. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht entfallen. Sie bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats (dazu z.B. Senatsurteil in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20 ). Diese kann in der Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

18​Die sonach fortgeführte Klage gegen den Änderungsbescheid vom 15. September 2009 ist als unbegründet abzuweisen. Dass den Klägerinnen ein Zerlegungsanteil von 0 EUR zugewiesen wurde, verletzt kein Bundesrecht.

19​1.

Da die Lärmmessstationen im Streitfall Betriebsstätten der Beigeladenen zu 1. sind, war eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 vorzunehmen, an der die Klägerinnen dem Grunde nach zu beteiligen waren.

20​a)

Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, ist der Steuermessbetrag gemäߧ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen. Die Gewerbesteuer wird dann in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags erhoben, der auf sie entfällt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GewStG 2002).

21​Im Gewerbesteuergesetz wird der Betriebsstättenbegriff nicht eigenständig definiert. Es ist deshalb für gewerbesteuerliche Zwecke auf § 12 AO zurückzugreifen (z.B. BFH-Urteile vom 13. September 2000 X R 174/96, BFHE 194, 222, BStBl II 2001, 734 ; vom 12. Februar 2004 IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602 ; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 2 Rz 455 ff. und § 28 Rz 4; Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, § 28 Rz 9 ff.; Obermeier in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 2 GewStG Rz 841 ff.; Ziehr in Deloitte (Hrsg.), GewStG, 2009, § 2 Rz 462 ff.). Gemäߧ 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Nach ständiger Rechtsprechung setzt dies eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Senatsurteil vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 II R 12/92, BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12; Senatsurteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, m.w.N.).

22​b)

Diese Tatbestandsvoraussetzungen wurden von den Klägerinnen, vom FA und im angefochtenen Urteil zu Recht als im Streitfall erfüllt angesehen. Der Einwand der Beigeladenen zu 3., die Lärmmessung sei nicht die Grundlage der Unternehmenstätigkeit der Beigeladenen zu 1., greift nicht durch. Wenn in der gesetzlichen Definition gefordert wird, dass die Anlage der Tätigkeit des Unternehmens dienen muss (als unternehmensbezogenes Tätigwerden in, an oder mit der Geschäftseinrichtung, s. BFH-Urteil in BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 28 GewStG Rz 11 f.), erfasst das im Streitfall auch die im Zusammenhang mit dem Flugbetrieb gesetzlich geforderte --und damit den Fortbestand der Betriebsgenehmigung sichernde-- und aktiv betriebene Lärmmessung (gl.A. Offerhaus/Althof, Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 623). Die Beigeladene zu 1. ist nach § 19a Satz 1 LuftVG zur Einrichtung und zum Betrieb der Lärmmessstationen verpflichtet und hat die gewonnenen Ergebnisse nach Satz 2 fortlaufend sowohl der Genehmigungsbehörde als auch der Fluglärmkommission nach § 32b LuftVG mitzuteilen und sie regelmäßig zu veröffentlichen. Darüber hinaus besteht ein eigenbetrieblicher Veranlassungszusammenhang schon mit Blick auf die die Messergebnisse berücksichtigende Entgeltordnung für den Flugbetrieb (Berechnung der Start- und Landeentgelte) sowie seit dem Sommerflugplan des Streitjahres die Überwachung der Einhaltung der sog. Lärmkontingentierung.

23​2.

Eine Lärmmessstation ist nicht Teil einer sog. mehrgemeindlichen Betriebsstätte i.S. des § 30, § 4 Abs. 1 Satz 2 GewStG 2002.

24​a)

Erstreckt sich die Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden, ist der Steuermessbetrag auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, und zwar "nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten" (§ 30 GewStG 2002). Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte liegt vor, wenn zwischen den Betriebsanlagen, Geschäftseinrichtungen oder Teilen von ihnen ein räumlicher und betrieblicher (d.h. organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher) Zusammenhang besteht (z.B. Senatsurteile vom 20. Februar 1974 I R 179/72, BFHE 112, 183, BStBl II 1974, 427; vom 10. Juli 1974 I R 54/72, BFHE 113, 123, BStBl II 1975, 42; vom 12. Oktober 1977 I R 227/75, BFHE 124, 65, BStBl II 1978, 160; vom 26. Februar 1992 I R 58/91, BFH/NV 1992, 766; BFH-Urteil vom 20. April 1999 VIII R 13/97, BFHE 188, 536, BStBl II 1999, 542; s. auch z.B. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 12 AO Rz 44; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 12 AO Rz 39; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 30 GewStG Rz 3 ff.). Die für die Annahme einer einheitlichen Betriebsstätte notwendigen Merkmale müssen grundsätzlich kumulativ erfüllt sein (Senatsurteil in BFH/NV 1992, 766; Urteil des FG Köln vom 27. November 2006 2 K 6440/03, EFG 2007, 372; Urteil des FG Hamburg vom 1. Oktober 2004 VI 181/02, EFG 2005, 804; Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 30 Rz 5, 16; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 30 GewStG Rz 4; Gellrich in Deloitte, a.a.O., § 30 Rz 8; dazu ablehnend Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 30 Rz 2). Allerdings kann für bestimmte Unternehmen der räumliche Zusammenhang bei einer besonders engen wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Verbindung in den Hintergrund treten (s. Senatsurteil in BFHE 124, 65, BStBl II 1978, 160). Die Feststellung, ob und ggf. welche einzelnen Betriebsteile auf Grund der genannten Kriterien ein einheitliches Ganzes darstellen, obliegt dem FG.

25​b)

Der Schlussfolgerung des FG, dass ein betrieblicher Zusammenhang zwischen dem Flughafenbetrieb der Beigeladenen zu 1. und den einzelnen Lärmmessstationen besteht, ist zuzustimmen. Der betriebliche Zusammenhang folgt im Streitfall schon aus dem unbestrittenen Umstand, dass der Flughafen ohne die Lärmmesseinrichtungen nicht betrieben werden darf. Darüber hinaus ergibt er sich etwa aus der Entgeltordnung der Beigeladenen zu 1., wonach Start- und Landeentgelte in Abhängigkeit von der Qualität des jeweiligen Lärmereignisses erhoben werden.

26​c)

Dem FG ist aber auch darin zuzustimmen, dass es im Streitfall an dem erforderlichen räumlichen Zusammenhang fehlt. So gibt es --was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist-- keinen durch ein oder mehrere zusammenhängende Grundstücke vermittelten (z.B. Senatsbeschluss vom 28. Oktober 1964 I B 403/61 U, BFHE 81, 310, BStBl III 1965, 113) "erdoberflächenbezogenen" Zusammenhang der Gesamtanlage. Das FG konnte auch ohne Rechtsfehler den betrieblichen Zusammenhang --durch die den Betrieb des Flughafens sicherstellende Funktion der Lärmmessstationen und die unterirdische Verbindung der Gesamtanlage zum Zwecke der Datenübertragung-- als nicht so entscheidend werten, dass das Fehlen des räumlichen Zusammenhangs durch einen besonders engen betrieblichen Zusammenhang aufgewogen werden könnte.

27​Zwar hat es der Senat z.B. für Unternehmen der Elektrizitätsversorgung (Senatsbeschlüsse vom 16. November 1965 I B 249/62 U, BFHE 84, 108, BStBl III 1966, 40, und vom 18. Oktober 1967 I B 270/63, BFHE 90, 268, BStBl II 1968, 40) und der Mineralölwirtschaft (Senatsurteile in BFHE 113, 123, BStBl II 1975, 42, und in BFH/NV 1992, 766) ausreichen lassen, dass der räumliche Zusammenhang durch betriebliche Anlagen unter oder über der Erdoberfläche hergestellt wird, und dies ohne Rücksicht auf deren äußere Sichtbarkeit und zumindest bei Elektrizitätsunternehmen auch ohne Rücksicht auf das Eigentum an den die Verbindung vermittelnden Leitungen. Bei diesen Unternehmenszweigen trete der räumliche Zusammenhang wegen der besonders engen wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Verbindung in den Hintergrund (Senatsurteile in BFHE 124, 65, BStBl II 1978, 160, und in BFH/NV 1992, 766). Der Senat sieht aber keinen Anlass, über die dort beurteilten und vergleichbaren Situationen einer "betriebsspezifisch bedingten Verbindung" hinaus (s. die Nachweise bei Sarrazin in Lenski/ Steinberg, a.a.O., § 30 Rz 12 ff.) das strukturbildende Kriterium des flächenbezogenen räumlichen Zusammenhangs einzuschränken. Dies hat er schon insoweit zum Ausdruck gebracht, als ein räumlicher Zusammenhang nicht durch Telefonleitungen oder andere allgemeine Kommunikationsleitungen begründet werden kann (Senatsurteil in BFHE 113, 123, BStBl II 1975, 42; s. insoweit zustimmend z.B. Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 30 Rz 14; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 30 GewStG Rz 5; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 30 Rz 3; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 12 AO Rz 44). Der Senat sieht sich zu diesem engen Normverständnis auch dadurch veranlasst, dass die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 30 GewStG 2002 anstelle der Grundnorm des § 29 GewStG 2002 nicht zum Regelfall für die Durchführung der Zerlegung werden darf.

28​Das FG hat gemäߧ 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass die Datenübertragung von den Lärmmessstationen zwar auf eine technisch besondere Art und Weise, aber im Rahmen des öffentlichen Wählnetzes erfolgt. Der betriebliche Zusammenhang zwischen der gesamten Lärmmessanlage und der Flughafenfläche wird damit auf der Grundlage einer auch anderen Zwecken dienenden Kabelverbindung hergestellt. Damit ist die Situation im Streitfall --wie auch das FG hervorgehoben hat-- vergleichbar mit einer (Daten-)Verbindung der Filialen einer Bank zu einem gemeinsamen Rechenzentrum aller Filialen über Gemeinde- und Ländergrenzen hinweg. Sie ist ebenso vergleichbar mit einer kabellosen, funktechnischen Verbindung zwischen verschiedenen Betriebseinheiten oder Betriebsvorrichtungen. Auch wenn die Funktion der Lärmmessstationen für den geordneten Flugbetrieb betriebsnotwendig ist (s. zu II.1.b), kann eine allgemeine Kommunikationsleitung keine ausreichend enge räumliche Verbindung der Gesamtanlage "Flughafenbetrieb" herstellen (so im Ergebnis auch Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 30 Rz 3; wohl auch Gellrich in Deloitte, a.a.O., § 30 Rz 14; a.A. Offerhaus/Althof, FR 2006, 623 f.; Herlinghaus, EFG 2008, 1478, 1479).

29​3.

Den Klägerinnen (und der Beigeladenen zu 2.) ist nach dem hiernach einschlägigen Zerlegungsmaßstab des § 29 GewStG 2002 kein Zerlegungsanteil zuzuweisen.

30​§ 29 Abs. 1 GewStG 2002 sieht als (Regel-)Zerlegungsmaßstab das Verhältnis vor, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten (§ 28 GewStG 2002) beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind. Da auf den in den Gemeindegebieten der Klägerinnen (und der Beigeladenen zu 2.) belegenen Lärmmessstationen mangels Beschäftigung von Arbeitnehmern keine Arbeitslöhne gezahlt worden sind, sind diese Gemeinden nach § 29 Abs. 1 GewStG 2002 mit jeweils 0 EUR zu beteiligen.

31​4.

Eine abweichende Zerlegung gemäߧ 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 kommt nicht in Betracht.

32​a)

Der Gewerbesteuermessbetrag ist gemäߧ 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 unter der Voraussetzung, dass die Zerlegung nach §§ 28 bis 31 GewStG 2002 zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt aber nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus einem gesetzlichen Zerlegungsmaßstab (§§ 28 bis 31 GewStG 2002) ergibt, eine Zerlegung nach einem abweichenden Maßstab, sondern nur eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht (z.B. Senatsurteil vom 17. Februar 1993 I R 19/92, BFHE 171, 304, BStBl II 1993, 679). Eine solche liegt nur dann vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus einem groben gesetzlichen Maßstab allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird (Senatsurteile vom 24. Mai 2006 I R 102/04, BFH/NV 2007, 270; vom 4. April 2007 I R 23/06, BFHE 217, 109, BStBl II 2007, 836).

33​b)

Dazu hat das FG in seiner Hauptbegründung zutreffend erkannt, dass allein der Umstand, dass in den auf dem Gebiet der Klägerinnen belegenen Lärmmessstationen keine Arbeitslöhne angefallen sind und deshalb auf diese nur Zerlegungsanteile von 0 EUR entfallen, nicht zur offenbaren Unbilligkeit des von § 29 GewStG 2002 vorgegebenen Aufteilungsmaßstabes führt. Dieser Maßstab sei nur dann von vornherein ungeeignet, wenn die Zerlegung wegen des Fehlens jeglicher Arbeitslöhne (in allen Betriebsstätten) nicht vorgenommen werden könne (Senatsurteile vom 7. Dezember 1994 I K 1/93, BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175; in BFHE 217, 109, BStBl II 2007, 836; zustimmend etwa Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 33 Rz 3). Dass der Gesetzgeber den Bedarf gesehen hat, in bestimmten Fallsituationen in § 29 GewStG 2002 einen Zerlegungsmaßstab festzuschreiben, der teilweise von den Arbeitslöhnen unabhängig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG 2002 in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009, BGBl. I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74), begründet eine Unbilligkeit des Regelmaßstabs im Streitfall ebenfalls nicht.

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