Normen
§ 6 Abs. 4 S. 2 UStG
§ 9 UStDV
Abschn. 135 Abs. 9 UStR
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) den Nachweis für das Vorliegen von Ausfuhrlieferungen erbracht hat.
Der Kläger betreibt einen Handel mit gebrauchten Kfz. In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2001) erklärte er u.a. steuerfreie Ausfuhrlieferungen. Als Ausfuhrnachweise legte er überwiegend von einer Ausgangszollstelle auf der Rückseite abgestempelte Exemplare Nummer drei des Einheitspapiers vor. In den im Revisionsverfahren noch streitigen Ausfuhrlieferungen hat das Finanzgericht (FG) festgestellt: Die Ausfuhrbelege mit den Nrn. 4117 80, 46479 5, 464800 und 903669 sind auf der Vorderseite von einer Abgangsstelle in einem Versandverfahren, die gleichzeitig Grenzzollstelle ist, abgestempelt. Auf der Rückseite des Ausfuhrbeleges Nr. 903664 ist ein Dienststempelabdruck des Hauptzollamts X (HZA) angebracht. Das HZA teilte dem FG auf telefonische Nachfrage mit, dass es damit als Abgangsstelle im Carnet TIR-Verfahren mit der VAB Nr. ... nach Eingang des Rückscheins die Ausfuhr bestätigt habe.
Nach einer beim Kläger durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) Ausfuhrlieferungen in Höhe von ... DM nicht als steuerfrei an, weil insoweit weder ein internationaler Zulassungsschein ausgestellt noch ein Ausfuhrkennzeichen ausgegeben worden sei.
Aufgrund im Einspruchsverfahren vorgelegter Belege erkannte das FA weitere Umsätze in Höhe von ... DM als steuerfreie Ausfuhrlieferungen an, wies aber im Übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 23. März 2005 den Einspruch als unbegründet zurück, weil die nach Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 (UStR) geforderten internationalen Zulassungsscheine und Ausfuhrkennzeichen nicht vorgelegt werden konnten.
Gegenstand des Klageverfahrens war der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 30. Januar 2006.
Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Zur Begründung seines in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2006, 1111 veröffentlichten Urteils führte das FG aus, das FA habe mit Ausnahme von zwei Fällen, in denen der Belegnachweis nicht erfüllt sei, die streitigen Kfz-Lieferungen zu Unrecht nicht als steuerfreie Ausfuhrlieferungen (§ 6 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 --UStG--) behandelt. Der Kläger habe insoweit sowohl den Buch- als auch den Belegnachweis erbracht.
Die Kfz seien jeweils mit eigener Antriebskraft bzw. auf eigener Achse befördert worden. Der Belegnachweis richte sich deshalb nach § 9 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV).
a)
Die vorgelegten Durchschriften der Ausfuhranmeldungen erfüllten die in § 9 Abs. 1 und 2 UStDV gestellten Anforderungen. Die auf der Rückseite bzw. auf der Vorderseite der Exemplare Nummer drei des Einheitspapiers angebrachten Dienststempelabdrucke stellten Ausfuhrbestätigungen einer Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 4 UStDV i.V.m. Art. 793 Abs. 3 Unterabs. 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) dar. Mit ihnen werde jeweils die Ausfuhr der streitigen Kfz aus dem Gemeinschaftsgebiet bestätigt. Soweit der Stempel auf der Vorderseite von einer Abgangsstelle in einem Versandverfahren angebracht worden sei, gelte er als Ausfuhrbestätigung einer Grenzzollstelle, weil das Versandverfahren dort begonnen habe (§ 9 Abs. 2 UStDV).
b)
Das FA habe den Ausfuhrnachweis nicht allein wegen der fehlenden internationalen Zulassungsscheine und Ausfuhrkennzeichen als nicht erbracht ansehen dürfen. Diese in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 Satz 1 UStR zusätzlich geforderten Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen seien nicht von § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 und 9 UStDV gedeckt. Aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes könnten die an die Steuerfreiheit geknüpften Bedingungen nicht im Wege von Verwaltungsrichtlinien festgelegt werden, sondern nur mittels Gesetzes oder Verordnung. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) habe mit der Regelung in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 Satz 1 UStR 2000 Bedingungen für den Nachweis einer steuerfreien Ausfuhr festgelegt, die sich weder aus dem UStG noch aus der UStDV ergäben. Den Finanzbehörden sei bei der Beurteilung, ob der Ausfuhrnachweis geführt worden sei, zwar grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum eingeräumt. Sie könnten aber über die in § 9 UStDV geforderten Angaben und Belege hinaus keine zusätzlichen Belege verlangen, wenn sich die tatsächliche Ausfuhr aus den vorgelegten Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergebe.
Mit der Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1 UStG i.V.m. § 9 Abs. 1 UStDV) geltend. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, als ausgeführt i.S. des § 6 Abs. 1 UStG könnten nach Sinn und Zweck der Norm und zur Vermeidung von Missbrauch nur solche Kfz gelten, die zur endgültigen Verwendung in das Außengebiet gelangt seien. Da vorliegend keine internationalen Zahlungsscheine (gemeint dürften Zulassungsscheine sein) ausgestellt und keine Ausfuhrkennzeichen ausgegeben worden seien, sei allein mit den Ausfuhranmeldungen eine endgültige Verwendung im Außengebiet und damit eine Ausfuhr i.S. des § 6 Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen. Vielmehr hätte es noch sonstiger Nachweise, insbesondere über die Einfuhrbesteuerung im Drittland, bedurft. Da auch diese nicht vorlägen, sei eine Ausfuhr i.S. des § 6 Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen. Durch die Regelung in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 UStR 2000 habe die Verwaltung das ihr in § 6 Abs. 1 und Abs. 4 UStG i.V.m. § 9 Abs. 1 UStDV eingeräumte Ermessen in zulässiger Weise ausgeübt. Die Regelung in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 UStR 2000 halte sich im Rahmen der gesetzgeberischen Absicht des § 6 Abs. 1 UStG, nämlich eine ausnahmsweise Steuerfreiheit für die Ausfuhr nur dann zu gewähren, wenn feststehe, dass der Gegenstand auch wirklich endgültig ins Außengebiet gelangt sei. Gerade bei Kfz mit eigenem Antrieb sei sonst ein Missbrauch durch eine umgehende Rückkehr möglich.
Das FA beantragt teils sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Recht hat das FG entschieden, dass es sich bei den streitigen Lieferungen um gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 UStG steuerfreie Ausfuhrlieferungen gehandelt hat.
1.
Eine Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. a UStG) liegt gemäß § 6 Abs. 1 UStG vor,
"... wenn bei einer Lieferung
1.
der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist oder
2.
der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist oder
3.
der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in die in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebiete befördert oder versendet hat und der Abnehmer
a)
ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat, oder
b)
ein ausländischer Abnehmer, aber kein Unternehmer, ist und der Gegenstand in das übrige Drittlandsgebiet gelangt ...".
Diese Regelung setzt Art. 15 Nr. 1 und Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen
"... unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer
1.
Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden;
2.
Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, ..."
In Ausübung dieser Befugnis verlangt § 6 Abs. 4 Satz 1 UStG, dass u.a. die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein müssen. Das BMF kann gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 UStG mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die Nachweise zu führen hat. Von dieser Befugnis hat das BMF in §§ 8 ff. UStDV Gebrauch gemacht. Gemäß § 8 Abs. 1 UStDV muss der Unternehmer bei Ausfuhrlieferungen durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat. Diese Voraussetzungen müssen sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben. Gemäß § 9 Abs. 1 UStDV soll der Unternehmer in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert hat (Beförderungsfälle), den Ausfuhrnachweis regelmäßig durch einen Beleg führen, der Folgendes enthält:
- 1. den Namen und die Anschrift des Unternehmers,
- 2. die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des ausgeführten Gegenstandes,
- 3. den Ort und den Tag der Ausfuhr,
- 4. eine Ausfuhrbestätigung der den Ausgang des Gegenstandes aus dem Gemeinschaftsgebiet überwachenden Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates.
2.
Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger Nachweise über die Ausfuhr, die diesen Anforderungen entsprechen, erbracht. Das genügt jedenfalls dann, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der vorgelegten Nachweise bestehen.
Das FA sieht zu Unrecht eine Verletzung von § 6 Abs. 1 UStG darin, dass der Kläger die in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 UStR 2000 genannten Nachweise nicht beigebracht hat.
a)
Die Bedingungen, die die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiung von Ausfuhrlieferungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen i.S. des Art. 15 der Richtlinie 77/388/EWG festgesetzt hat, sind in §§ 6 Abs. 1 und 4 UStG i.V.m. § 9 UStDV enthalten. Bei der Regelung in Abschn. 135 Abs. 9 UStR 2000 handelt es sich nicht um die Festsetzung einer Bedingung durch den Mitgliedstaat, sondern lediglich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die der gleichmäßigen Auslegung und Anwendung des Gesetzes dient. Ob die an einer Verwaltungsvorschrift ausgerichtete Auslegung oder Anwendung des Gesetzes richtig ist, unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Gerichte, die nicht an derartige Verwaltungsvorschriften gebunden sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Oktober 1990 I R 3/86, BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610; vom 18. März 1987 II R 135/84, BFH/NV 1988, 393; vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76, BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161).
b)
Zu Recht hat das FG entschieden, dass § 6 Abs. 1 UStG nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass grundsätzlich über die in § 9 UStDV vorgesehenen Anforderungen hinaus auch die in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 UStR 2000 genannten Nachweise zu erbringen sind.
Zwar erbringen nur inhaltlich richtige Beleg- und Buchnachweise den Nachweis der Ausfuhrlieferung. Die in ihnen bekundeten Tatsachen können deshalb mit allen dafür geeigneten Beweismitteln widerlegt oder in Zweifel gezogen werden (BFH-Beschluss vom 23. Mai 1995 V B 21/95, BFH/NV 1995, 1104; BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 70/93, BFHE 176, 494, BStBl II 1995, 515). Ist das geschehen, so dass zumindest konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Ausfuhrbelege vorliegen, so muss der Ausfuhrnachweis ggf. durch weitere Belege, wie z.B. die in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 UStR 2000 genannten Nachweise, erbracht werden. Derartige konkrete Anhaltspunkte liegen nach dem festgestellten Sachverhalt aber nicht vor. Die vom FA angeführte, bei der Beförderung von Fahrzeugen auf eigener Achse möglicherweise bestehende allgemeine Missbrauchsmöglichkeit rechtfertigt allein noch keine Zweifel an der Ausfuhr im konkreten Einzelfall.
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