Normen
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ging am 8. November 1999 durch Umwandlung aus der Firma S-KG hervor, welche in den Vorjahren ein Autohaus betrieben hatte. Die S-KG veräußerte zum 31. Dezember 1995 den gesamten Geschäftsbetrieb an die S-GmbH, wobei sie jedoch das Betriebsgrundstück in G sowie die in einer gemieteten Lackierhalle in G befindlichen Betriebsvorrichtungen (Lackier- und Staubabsauganlage, Hebebühne etc.) sowie diverse Werkzeuge zurückbehielt. Die Klägerin verpachtete zunächst alle zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter ab Januar 1996 an die S-GmbH. Die Betriebsvorrichtungen und sonstigen Wirtschaftsgüter in der Lackierhalle verpachtete sie lediglich im Januar und Februar 1996 an die S-GmbH, danach mietete die M-GmbH diese Gegenstände. Die M-GmbH erwarb mit Kaufvertrag vom April 1997 in der Lackierhalle befindliche Werkzeuge für 6 920 DM. Die in der Halle befindlichen Betriebsvorrichtungen veräußerte die Klägerin mit Kaufvertrag vom 30. November 1999 für netto 3 484 DM an die W-GmbH.
Die Miete für das Betriebsgrundstück betrug in den Streitjahren 1996 bis 1998 monatlich 27 000 DM (netto), die Miete für die Betriebsvorrichtungen sowie die in der Lackierhalle befindlichen Werkzeuge 565 DM (netto) monatlich.
Komplementärin der Klägerin ist die S-Verwaltungs-GmbH, die am Kapital der Klägerin nicht beteiligt ist. Kommanditisten sind Herr FWS (76 v.H.), Frau S sowie die Herren HJS und Herr WS (zu je 8 v.H.).
Eine Beteiligung der Gesellschafter der Klägerin an der S-GmbH, welche den Geschäftsbetrieb des Autohauses von der S-KG erworben hatte, besteht nicht.
Die Klägerin beantragte mit ihren Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte zunächst für die Streitjahre 1996 und 1997 eine antragsgemäße Veranlagung durch. Die Steuerbescheide für 1996 und 1997 ergingen nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. 1999 führte das FA eine Außenprüfung bei der Klägerin durch. Im Anschluss daran wurde die Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht mehr anerkannt. Das FA änderte die Gewerbesteuermessbescheide für 1996 und 1997 entsprechend. Für 1998 folgte das FA den Angaben in der Gewerbesteuererklärung nicht und berücksichtigte keine Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1289 veröffentlichten Urteil vom 20. April 2005 9 K 332/00 statt.
Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei zu gewähren. Die Mieteinnahmen aus der Überlassung der Betriebsvorrichtungen und der übrigen beweglichen Wirtschaftsgüter stünden im Streitfall in einem völlig untergeordneten Verhältnis zu den Mieteinnahmen aus der Überlassung des Betriebsgrundstücks, da die Mieteinnahmen aus der hier streitigen Nebentätigkeit lediglich 1,8 v.H. der Gesamtmieteinnahmen ausmachten. In einem solchen Fall sei eine teleologische Reduktion des Wortlauts der Vorschrift insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit angezeigt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG).
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. April 2005 aufzuheben.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des FA zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verweist hinsichtlich der etwaigen 1 v.H.-Grenze für einen unschädlichen Bagatellanteil darauf, dass die vom FG erwähnte Zahl von 1,8 v.H. nur ein Durchschnitt der Sollbeträge gewesen sei, der Anteil der Nebenmieteinnahmen tatsächlich in 1996 nur 1,37 v.H. und in 1997 1,15 v.H. infolge von Mietänderungen betragen habe. Im Übrigen liege in der Praxis die Miete für Betriebsvorrichtungen prozentual höher als für Grundbesitz.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zu Unrecht die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gewährt.
1.
Die Klägerin war in den Streitjahren gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--), da persönlich haftende Gesellschafterin der KG die S-Verwaltungs-GmbH ist.
2.
Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG war nicht zu gewähren. Denn die Klägerin verwaltete nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz.
a)
Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedelungen und Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Prozentsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (dazu grundlegend Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Oktober 2002 I R 24/01, BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355; Senatsurteil vom 14. Juni 2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778 ). Begünstigt ist nur die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck der erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 2000 VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, m.w.N.). Danach ist § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet (BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, unter II.3.b der Gründe, m.w.N.). Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt grundsätzlich die erweiterte Kürzung aus, auch wenn sie von sog. untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteile in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, unter II.3.a der Gründe, sowie in BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355, unter II.2.b der Gründe, jeweils m.w.N.).
Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten, jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt (Senatsurteil in BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778 , unter II.2.a der Gründe). Darüber hinaus liegen nach ständiger Rechtsprechung Nebentätigkeiten innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gezogenen Rahmens und sind --ausnahmsweise-- nicht begünstigungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung angesehen werden können (Senatsurteil in BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778 , unter II.2.a der Gründe; BFH-Urteil vom 26. August 1993 IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338).
b)
Im Streitfall steht die Überlassung der in der gemieteten Lackierhalle befindlichen Betriebsvorrichtungen und Werkzeuge der Annahme einer ausschließlichen Grundstücksverwaltung i.S. von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Gesetzeszweck von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
aa)
Zwar soll mit der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG eine Gleichstellung von Grundstücksverwaltungsunternehmen, die nur auf Grund ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind, mit solchen Unternehmen erreicht werden, die bei der Ausübung einer vergleichbaren rein vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht der Gewerbesteuer unterliegen.
Jedoch hat der Gesetzgeber zur Erreichung dieses Gesetzeszwecks nicht etwa eine Begünstigung jeglicher Vermögensverwaltung vorgesehen, sondern den Begünstigungstatbestand des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG --abgesehen von den ausdrücklich genannten unschädlichen Nebentätigkeiten-- auf Grundstücksverwaltung begrenzt. Dies kommt im Gesetzeswortlaut durch die Verwendung des Begriffs "ausschließlich" eindeutig zum Ausdruck. Auch die in der Rechtsprechung als begünstigungsunschädlich anerkannten Nebentätigkeiten beziehen sich auf das jeweils verwaltete Grundstück. Demgegenüber befinden sich im Streitfall die Gegenstände der jenseits des Grundstücks ausgeübten Vermögensverwaltung gerade nicht auf dem Grundstück. Sie stehen in keiner funktionalen Beziehung zum Grundstück.
bb)
Der Ausschluss von Fallgestaltungen einer geringfügigen Ergänzung der Grundstücksverwaltung durch eine nicht begünstigte Vermögensverwaltung --so im Streitfall-- stellt auch keine unverhältnismäßige Benachteiligung gegenüber reiner Grundstücksverwaltung dar. Zu vergleichen sind insoweit die Fälle reiner Grundstücksverwaltung mit denen einer gemischten Vermögensverwaltung, im Rahmen derer Grundbesitz nur ein, wenn auch der weit überwiegende, Gegenstand der Vermögensverwaltung ist. Mit dieser Differenzierung überschreitet der Gesetzgeber nicht die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit. Vielmehr ist die Beschränkung der Begünstigung auf reine Grundstücksverwaltung unter Anerkennung der in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten durch Gründe der Praktikabilität sachlich gerechtfertigt (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--). Denn die Gesetzesfassung vermeidet gerade eine Auseinandersetzung über einen Maßstab für eine etwaige Unerheblichkeit einer zur Grundstücksverwaltung hinzutretenden anderen Vermögensverwaltung und dessen Anwendung im Einzelfall. Insbesondere kämen als Grundlage für eine etwa durchzuführende Verhältnisrechnung neben der absoluten oder relativen Höhe der in Frage stehenden Aufwendungen auch die hieraus erzielten Erträge in Betracht. Demgegenüber ermöglichen die im Gesetzestatbestand des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten Merkmale (Grundbesitz, Kapitalvermögen, Wohnungseigentum) einen klaren, eindeutigen Gesetzesvollzug (vgl. auch zur Verfassungsmäßigkeit von Stichtagsregelungen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. November 1999 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 , m.w.N.).
cc)
Bestätigt wird diese enge, wortlautgetreue Auslegung von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in systematischer Hinsicht durch die grundsätzlich enge Anknüpfung des GewStG in § 2 Abs. 1 und § 7 an die einkommensteuerliche Einordnung. Gegenüber § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG statuiert § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gerade eine Ausnahme (vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355, unter II.2.b der Gründe; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 72; Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 9 Nr. 1 Anm. 23; Wendt, Finanz-Rundschau 2000, 1038; offen gelassen im BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, unter II.3.c der Gründe, wie auch im BFH-Beschluss vom 27. Februar 2002 IV S 7-10/01, BFH/NV 2002, 1052).
Soweit sich der erkennende Senat einer anderen Auffassung zugeneigt hat (BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, unter II.3.c der Gründe), hält er daran nicht mehr fest.
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