Normen
Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete im Mai 2000 beim Hauptzollamt F 1 666 Kartons "gefrorene Hähnchenbrüste, gefrorene Hähncheninnenfilets ohne Haut, ohne Knochen, gewürzt mit 1,2% Salz" unter der Codenummer 0210 90 29 der Kombinierten Nomenklatur (KN) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 2204/1999 der Kommission vom 12. Oktober 1999 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. 1 278/1) zur Abfertigung zum freien Verkehr an. Das Hauptzollamt F entnahm der Warensendung aus einem Karton eine Probe mit einem Gewicht von ca. 7 kg, fertigte die Sendung antragsgemäß ab und setzte mit Bescheid vom 5. Mai 2000 die Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) fest.
Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA), der ein Teil der Probe mit einem Gewicht von 3 559,7 g zur Untersuchung übersandt worden war, kam mit ihrem Einreihungsgutachten vom 27. Juni 2000 zu dem Ergebnis, dass es sich um gefrorene Teile von Hühnern, entbeint, der Codenummer 0207 14 10 KN handele, da Fleisch nur dann als "gesalzen oder in Salzlake" i.S. der Pos. 0210 KN gelte, wenn es tiefgehend und in allen Teilen gleichmäßig so gesalzen sei, dass es einen Gesamtkochsalzgehalt von 1,2% oder mehr aufweise, während der Kochsalzgehalt der untersuchten Probe nur 1% betragen habe. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--), auf den die Zuständigkeit zwischenzeitlich übergegangen war, erhob daraufhin die für Waren der Codenummer 0207 14 10 KN höheren Einfuhrabgaben mit Steueränderungsbescheid vom 18. Oktober 2001 nach.
Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Steueränderungsbescheid auf. Das FG urteilte, dass die untersuchte Probe nach dem Untersuchungsergebnis der ZPLA, dessen Richtigkeit von der Klägerin nicht in Abrede gestellt werde, zwar nur einen Kochsalzgehalt von 1% aufgewiesen habe und das Hühnerfleisch deshalb nach der Anm. 7 zu Kap. 2 KN nicht als "gesalzen oder in Salzlake" i.S. der Pos. 0210 KN gelte. Gleichwohl sei dieses Untersuchungsergebnis nicht auf den übrigen Teil der angemeldeten Ware anzuwenden, da der Eintritt der gesetzlichen Beschaffenheitsfiktion gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 Zollkodex (ZK) voraussetze, dass der Teilbeschau eine repräsentative Probe zu Grunde gelegt werde. Hieran fehle es aber im Streitfall. Die das Ermessen der Zollbehörde bindende Dienstvorschrift der Bundesfinanzverwaltung stehe unter dem Vorbehalt anderweitiger gemeinschaftsrechtlicher Normen. Insoweit seien im Streitfall insbesondere die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 (VO Nr. 1538/91) der Kommission vom 5. Juni 1991 mit ausführlichen Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates über bestimmte Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABlEG Nr. 1 143/11) i.d.F. der Änderungs-Verordnung (EWG) Nr. 2891/93 der Kommission vom 21. Oktober 1993 (ABlEG Nr. 1 263/12) sowie die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2457/97 (VO Nr. 2457/97) der Kommission vom 10. Dezember 1997 über die Probenahme für die Warenkontrolle von entbeinten Teilstücken von Rindfleisch, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt werden soll (ABlEG Nr. 1 340/29) von Bedeutung; die diesen Vorschriften zu Grunde liegenden Rechtsgedanken seien auf die Bestimmung einer repräsentativen Probe i.S. des Art. 70 Abs. 1 ZK übertragbar. Es müsse danach bei einer Probenziehung berücksichtigt werden, dass die Qualität von Naturerzeugnissen von verschiedenen Umweltfaktoren beeinflusst werde und dass auch unter Beachtung größter Sorgfalt und Aufmerksamkeit sog. Ausreißer nicht ausgeschlossen werden könnten. Um eine repräsentative Probe zu erhalten, hätte das Hauptzollamt F deshalb wenigstens zwei vollständige Kartons --einen Karton als Untersuchungsprobe, den anderen als Rückstellprobe-- als Probe entnehmen und untersuchen lassen müssen.
Mit der Revision macht das HZA geltend, dass das FG mit seiner Auffassung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abweiche. In Fällen, in denen in der Zollanmeldung nicht angegeben sei, dass die Ware in sich unterschiedlich beschaffen sei, stelle sich die Frage, ob die gezogene Probe repräsentativ sei, nicht; vielmehr dürfe sich die Zollbehörde darauf beschränken, eine einzige Probe zu entnehmen. Die vom FG vorgenommene Übertragung des Stichprobenumfangs, wie er in der VO Nr. 1538/91 und VO Nr. 2457/97 geregelt sei, auf den zollrechtlichen Bereich sei nicht zulässig, da diese Verordnungen die Vermarktung von Geflügelfleisch bzw. die Gewährung von Ausfuhrerstattungen für Rindfleisch beträfen.
Die Klägerin schließt sich der Rechtsauffassung des FG an und macht geltend, dass auch bei Waren, die --wie im Streitfall zutreffend-- als einheitlich beschaffen angemeldet worden seien, eine einzige Stichprobe keine Aussage über die Warenbeschaffenheit zulasse, da die Beschaffenheit von Naturprodukten sowie der Anteil des zugefügten Salzes Schwankungen unterlägen und sich auch bei größter Sorgfalt in der Produktion und Einhaltung aller technischen Standards Ausreißer nicht vermeiden ließen. Außerdem müsse der Umstand, dass die Rückstellprobe vernichtet worden sei, dazu führen, dass die Wirkungen des Art. 70 Abs. 1 ZK mangels Nachprüfbarkeit der zollbehördlichen Feststellungen entfallen, anderenfalls würden ihre Rechte auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, 685) und auf wirksamen Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verletzt.
II.
Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der angefochtene Steueränderungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Mit der streitigen Einfuhrsendung der Klägerin sind nicht wie angemeldet Waren der Codenummer 0210 90 29, sondern Waren der Codenummer 0207 14 10 KN zum freien Verkehr abgefertigt worden. Die Einfuhrabgaben sind somit bei der Einfuhrabfertigung in zu niedriger Höhe festgesetzt worden und waren daher nach § 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben.
1.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist davon auszugehen, dass das Untersuchungsergebnis der ZPLA zutreffend ist, wonach die untersuchte Probe einen Salzgehalt von nur 1% aufwies. Den Ausführungen des FG, dass dieses Untersuchungsergebnis von der Klägerin nicht mehr in Abrede gestellt werde, ist zu entnehmen, dass die Klägerin ein anfängliches Bestreiten der Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses der ZPLA im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens aufgegeben hat und dass das FG insoweit ebenfalls keine Zweifel hatte. Dass sich diese Feststellung des FG nicht im Tatbestand, sondern in den Entscheidungsgründen des Urteils findet, ist im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO unerheblich (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 37). Zulässige und begründete Revisionsrügen sind insoweit nicht erhoben worden. Wenn die Klägerin nunmehr vorträgt, dass sie die Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses der ZPLA nach wie vor bestreite, so handelt es sich um unzulässiges neues Tatsachenvorbringen im Revisionsverfahren.
Dass es sich danach bei der untersuchten Probe um "Fleisch von Hühnern, Teile, gefroren, entbeint" der Codenummer 0207 14 10 KN gehandelt und dass das HZA der Abgabenfestsetzung den für Waren dieser Art zutreffenden Zollsatz zu Grunde gelegt und die Einfuhrabgaben richtig berechnet hat, steht außer Streit. Streitig ist allein, ob das Ergebnis der Probenuntersuchung auch für den nicht untersuchten Teil der Einfuhrsendung gilt. Entgegen der Ansicht des FG ist dies der Fall.
2.
Nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK gelten die Ergebnisse einer durchgeführten Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall vor. Die angemeldeten Waren sind einer Teilbeschau unterzogen worden, indem aus einem Karton der Einfuhrsendung eine Probe entnommen und diese auf ihre Beschaffenheit untersucht worden ist. Der Ansicht des FG, wonach die Beschaffenheitsfiktion gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK voraussetzt, dass bei Waren der vorliegenden Art die Warenprobe in der Weise repräsentativ zu sein hat, dass sie wenigstens zwei vollständige Kartons umfasst, folgt der Senat nicht.
a)
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts ermittelt wird, im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde liegt und dass es regelmäßig einer pflichtgemäßen Ermessensausübung entspricht, wenn sich die Zollbehörde in Fällen, in denen die Ware als einheitlich beschaffen angemeldet wird, auf die Beschau von Stichproben beschränkt; die gesetzliche Fiktion, dass der nicht geprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspricht, setzt in diesen Fällen grundsätzlich nicht voraus, dass es sich bei den entnommenen und geprüften Proben um Durchschnittsproben der angemeldeten Waren handelt (Senatsurteile vom 21. März 1972 VII R 54/69, BFHE 105, 536; vom 12. Februar 1974 VII R 11/71, BFHE 112, 93; vom 13. Februar 1979 VII R 84/75, BFHE 127, 450; vom 12. Juni 1979 VII R 32/74, BFHE 128, 284; vom 24. Juli 1979 VII R 4/78, BFHE 128, 434; vom 14. Dezember 1999 VII R 38/98, BFH/NV 2000, 763; ebenso Lichtenberg in Dorsch, Zollrecht, Art. 70 ZK Rz. 2; Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 70 ZK Rz. 7; Witte/Henke, Zollkodex, 3. Aufl., Art. 70 Rz. 2).
aa)
Diese Rechtsprechung ist zwar noch zu §§ 16, 17 des Zollgesetzes (ZG) ergangen; jedoch unterscheiden sich die im Streitfall anzuwendenden Vorschriften der Art. 68 ff. ZK und der Art. 239 ff. der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) vom früheren nationalen Zollrecht nicht in einer Weise, welche die vom FG für erforderlich gehaltene Änderung dieser Rechtsprechung erforderlich macht (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Januar 2003 VII B 204/02, BFH/NV 2003, 672). Zwar enthielt § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG eine widerlegbare Vermutung, während die entsprechende Regelung des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK überwiegend als eine gesetzliche Fiktion angesehen wird (vgl. Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 4; Witte/Henke, a.a.O., Art. 70 Rz. 2); jedoch gründete sich die Auffassung des Senats, wonach der Umfang einer durchzuführenden Beschaffenheitsbeschau im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde lag, auf das Fehlen gesetzlicher Regelungen bezüglich des Umfangs einer Teilbeschau und nicht darauf, dass § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG als widerlegbare Vermutung gestaltet war. Auch im Zollkodex und der Zollkodex-Durchführungsverordnung lassen sich neben Art. 68 Buchst. b ZK, wonach die Zollbehörden zwecks Überprüfung der Anmeldung eine Zollbeschau, ggf. mit Entnahme von Mustern oder Proben zum Zweck einer Analyse oder eingehenden Prüfung, vornehmen können, keine darüber hinausgehenden Regelungen finden, in welchen Fällen und in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts von den Zollbehörden zu ermitteln ist. Auch der Gemeinschaftsgesetzgeber hat daher --abgesehen von hier nicht vorliegenden Fällen, in denen er für bestimmte Waren eine bestimmte Art der Probenentnahme vorschreibt-- die Frage des Ob und des Wie der Zollbeschau der zuständigen Zollbehörde überlassen, was der Rechtslage unter der Geltung des § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG entspricht (vgl. Lichtenberg in Dorsch, a.a.O., Art. 68, 69 ZK Rz. 1).
Der frühere § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG und Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK unterscheiden sich zwar insoweit, als dieser die gesetzliche Beschaffenheitsfiktion im Fall einer durchgeführten Teilbeschau nicht mehr von der Voraussetzung abhängig macht, dass die Ware in der Zollanmeldung nicht als unterschiedlich beschaffen angegeben worden ist. Der Gemeinschaftsgesetzgeber konnte jedoch auf diese Voraussetzung verzichten, weil es sich von selbst versteht, dass eine stichprobenweise Teilbeschau nur in Betracht kommt, wenn in der Zollanmeldung nicht angegeben ist, dass die Ware unterschiedlich beschaffen ist (Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 672).
bb)
Der Zollanmelder ist nach Art. 62 Abs. 1 Satz 2 ZK verpflichtet, die Waren mit den Merkmalen anzumelden, die zur Anwendung der Vorschriften für das von ihm beantragte Zollverfahren erforderlich sind. Zu diesen Merkmalen gehört bei der Abfertigung zum freien Verkehr die Beschaffenheit der Ware, mithin auch, ob die angemeldete Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist (Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 6). Macht der Zollanmelder solche Angaben zu einer etwaigen unterschiedlichen Beschaffenheit nicht, bekundet er selbst, dass sich Fragen zum Umfang und zur Repräsentativität einer Durchschnittsprobe von vornherein nicht stellen, weil in Fällen dieser Art bereits eine einzige Probe die gesamte Warensendung "repräsentiert". Die Zollbehörde kann dann von einer einheitlichen Beschaffenheit der Ware ausgehen und kann --ebenso wie nach der früheren Rechtslage unter der Geltung des ZG-- ihr weiteres Verwaltungshandeln und die in ihrem Ermessen stehende Entscheidung über den Umfang der Probenziehung danach ausrichten und sich darauf beschränken, eine Stichprobe zu entnehmen, die ausreicht, um die erforderliche Beschaffenheitsuntersuchung durchzuführen (vgl. Lichtenberg in Dorsch, a.a.O., Art. 68, 69 ZK Rz. 3; Senatsurteile in BFHE 112, 93, und in BFHE 127, 450).
cc)
Da im Streitfall die Klägerin in ihrer Zollanmeldung zur Abfertigung zum freien Verkehr keine Angaben über eine unterschiedliche Beschaffenheit der Ware gemacht hatte, stellt sich die Entscheidung des Hauptzollamts F, lediglich eine Stichprobe von 3 559,7 g untersuchen zu lassen, nicht als ermessensfehlerhaft dar, denn diese Probenmenge war fraglos ausreichend, um den Salzgehalt der Hähnchenbrüste zu ermitteln. Das HZA war nicht gehalten, der Warensendung eine größere Probenmenge zu entnehmen und diese auf ihre Beschaffenheit zu untersuchen. Auch die das Ermessen der Zollbehörde regelnde Dienstvorschrift "Zollbehandlung; Allgemeine Vorschriften" (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- Z 07 01) sowie die Dienstanweisung "Entnahme und Behandlung von Proben zum Untersuchen" (VSF Z 07 12) verpflichteten nicht zu einer umfassenderen Probenziehung.
b)
Anders als die Klägerin meint, lässt sich dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 4. März 2004 Rs. C-290/01 (EuGHE 2004, I-2041) für den Streitfall nicht das Erfordernis der Repräsentativität der im Rahmen der Zollbeschau gezogenen und untersuchten Warenprobe in dem Sinne entnehmen, dass das HZA eine größere Probenmenge hätte entnehmen müssen. Jenes EuGH-Urteil betraf die Einfuhr von Bruchreis, der zum einen in der Warensendung mit einem bestimmten Anteil enthalten sein musste und der zum anderen Schüttgut ist, bei dem daher die enthaltenen verschiedenen Bestandteile durch das Verladen oder den Transport unregelmäßig vermischt sein können, so dass aus diesem Grund Proben an verschiedenen Stellen der Sendung zu ziehen waren, um eine repräsentative Durchschnittsprobe zu erhalten (vgl. zum Erfordernis einer repräsentativen Durchschnittsprobe bei Schüttgut und Flüssigkeiten: Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 4, 7; Witte/Henke, a.a.O., Art. 70 Rz. 2, m.w.N.; Abs. 10 der Dienstanweisung in VSF Z 07 12). Mit Waren dieser Art sind die Waren des Streitfalls jedoch nicht vergleichbar. Es war im Streitfall keine Warensendung angemeldet worden, die sich aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammensetzte, welche eventuell unregelmäßig vermischt waren, sondern eine Warensendung, deren sämtliche Bestandteile nach den Angaben der Klägerin gleich beschaffen waren. Dem EuGH-Urteil in EuGHE 2004, I-2041 lässt sich daher nichts entnehmen, was unter diesen Umständen die Entscheidung des Hauptzollamts F, nur eine Probe von 3 559,7 g zu entnehmen, als ermessensfehlerhaft erscheinen lässt.
c)
Entgegen der Ansicht des FG lassen sich den Vorschriften weder der VO Nr. 1538/91 noch der VO Nr. 2457/97 Rechtsgedanken entnehmen, die das Hauptzollamt F im Rahmen seiner Ermessensausübung bei der Probenziehung bzw. -untersuchung hätte berücksichtigen müssen. Zum einen schließt der in Art. 68 Buchst. b ZK zum Ausdruck kommende Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers, die Entscheidung über den Umfang der Zollbeschau der Zollbehörde zu überlassen, die Möglichkeit aus, diese Entscheidungsbefugnis durch die Rechtsprechung besonderen zusätzlichen Regeln zu unterwerfen (Senatsurteil in BFHE 112, 93). Zum anderen handelt es sich bei den vom FG herangezogenen Verordnungen um marktordnungsrechtliche Verordnungen, deren Regelungen und rechtliche Erwägungen sich nicht auf das Zollrecht übertragen lassen (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Juli 1997 Rs. C-334/95, EuGHE 1997, I-4517 Rz. 39). Beide Verordnungen sehen bei Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch bzw. bei der Ausfuhr von Rindfleisch, für das Ausfuhrerstattung gewährt werden soll, hinsichtlich der jeweiligen gesetzlichen Anforderungen, welche die Erzeugnisse erfüllen müssen, bestimmte Fehlertoleranzen vor und regeln aus diesem Grund den Umfang, den eine Probenziehung zum Zweck der Warenkontrolle haben muss. Dem Zollrecht sind hingegen Fehlertoleranzen bei der Überprüfung von Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet werden, fremd. Die zollrechtlichen Vorschriften sehen keine Fehlertoleranzen in dem Sinne vor, dass eine Warensendung zum Zollsatz einer bestimmten Codenummer der KN abgefertigt wird, wenn sie lediglich überwiegend und nicht ausnahmslos Waren dieser Codenummer enthält. Sind Waren in einer für die Anwendung des Zollrechts maßgeblichen Weise unterschiedlich beschaffen, so sind sie für das jeweilige Zollverfahren auch als unterschiedlich beschaffen anzumelden.
d)
Der Ansicht des FG, dass das Hauptzollamt F bei seiner Ermessensausübung hätte berücksichtigen müssen, dass die Qualität von Naturerzeugnissen von verschiedenen Umweltfaktoren beeinflusst wird, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil es vorliegend nicht um die --möglicherweise schwankende-- Beschaffenheit von Naturerzeugnissen geht, sondern allein um den Anteil des hinzugefügten Kochsalzes, also um den Grad der Bearbeitung eines Naturprodukts. Sollte das Vorbringen der Klägerin zutreffen, dass erfahrungsgemäß auch der Anteil des dem Fleisch zugefügten Salzes Schwankungen unterliege, wäre die entsprechende Kenntnis von solchen Schwankungen eher auf Seiten der Klägerin als Zollanmelderin als auf Seiten des HZA zu vermuten, so dass es nahe gelegen hätte, auf solche möglichen Unterschiede der Warenbeschaffenheit in der Zollanmeldung hinzuweisen oder jedenfalls gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK zu veranlassen, dass unter diesen Umständen eine größere Probenmenge der Warensendung entnommen wird; beides ist jedoch unterblieben.
e)
Der Umstand, dass die entnommene Menge mehr Fleischproben umfasste, als für eine Untersuchung durch die ZPLA erforderlich war, verpflichtete das Hauptzollamt F nicht, die Untersuchung sämtlicher Proben zu veranlassen. Vielmehr darf die Zollbehörde in Fällen wie dem vorliegenden ihr Handeln weiter danach ausrichten, dass die Ware nach der Zollanmeldung nicht unterschiedlich beschaffen ist und darf davon ausgehen, dass die Untersuchung mehrerer Proben zwangsläufig jeweils zum gleichen Ergebnis führen muss, die Durchführung von Untersuchungen sämtlicher gezogener Proben also nicht angezeigt ist. Zieht die Zollbehörde daraus die Folgerung und untersucht sie nur eine von mehreren Proben, so kann ihr das nicht vom Zollanmelder entgegenhalten werden, da er dieses Verhalten durch seine --eventuell objektiv falsche-- Zollanmeldung bewirkt hat (Senatsurteil in BFHE 127, 450). Anders als die Klägerin meint, folgt eine Pflicht zur Untersuchung der Rückstellprobe auch nicht aus Art. 242 Abs. 3 ZKDVO. Diese Vorschrift begrenzt die Höchstmenge der bei einer Zollbeschau entnommenen Proben auf diejenige Menge, welche zur Durchführung der Analyse oder eingehenden Prüfung einschließlich einer "etwaigen" Gegenanalyse erforderlich ist, schreibt jedoch weder die Bildung noch die Untersuchung einer Rückstellprobe durch die Zollstelle vor.
Daher kann sich die Klägerin für ihren Rechtsstandpunkt auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der nicht der ZPLA übersandte Teil der gezogenen Stichprobe vernichtet worden ist. Da sich --wie ausgeführt--- die Zollbehörde im Rahmen sachgerechter Ermessensausübung auch bei der Ziehung mehrerer Proben auf die Untersuchung einer einzigen Probe beschränken kann, können aus der Nichtuntersuchung der Rückstellprobe im Streitfall keine für die Klägerin günstigen Folgerungen hinsichtlich der Beschaffenheit des übrigen nicht beschauten Teils der Ware gezogen werden (Senatsurteil in BFHE 127, 450).
f)
Damit werden weder das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK noch das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. Der dem EuGH-Urteil vom 10. April 2003 Rs. C-276/01 (EuGHE 2003, I-3735), auf das die Klägerin sich beruft, zu Grunde liegende Fall unterscheidet sich vom Streitfall bereits dadurch, dass in jenem Fall die maßgebende Richtlinie das Recht des Lebensmittelherstellers auf ein Gegengutachten zum behördlichen Gutachten vorsah, welches dieser nicht hatte ausüben können, weil er über die Probenziehung nicht informiert worden war. So verhält es sich im Streitfall allerdings nicht, denn die Klägerin war zum einen über die Entnahme einer Probe aus der Einfuhrsendung informiert. Zum anderen geht es im Streitfall nicht darum, dem Einreihungsgutachten der ZPLA ein Gegengutachten entgegensetzen zu können, da die Klägerin --wie das FG festgestellt hat-- die Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses der ZPLA nicht bestreitet. Ihr geht es vielmehr allein um den Beweis ihrer Behauptung, dass es sich bei der von der ZPLA untersuchten Probe um einen sog. "Ausreißer" gehandelt, hingegen der Rest der Warensendung der Anmeldung entsprochen habe. Diese Behauptung hätte sich allerdings auch durch eine Untersuchung des übrigen Teils der gezogenen Probe nicht beweisen lassen. Selbst wenn eine solche Untersuchung ergeben hätte, dass dieser Teil der Probe --im Gegensatz zu der von der ZPLA untersuchten Probe-- einen Kochsalzgehalt von 1,2% oder mehr aufwies, hätte dies nicht die Frage beantworten können, welcher dieser Probenteile den sog. "Ausreißer" darstellte.
Von einem "systematischen Ausschluss eines vom Zollanmelder geführten Gegenbeweises gegen die Untersuchungsergebnisse der ZPLA" kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Rede sein. Wie ausgeführt, ist der Zollanmelder verpflichtet, die möglicherweise unterschiedliche Beschaffenheit der Warensendung anzugeben, womit er es der Zollbehörde verwehren würde, sich auf nur eine Stichprobe zu beschränken, und er hat zudem die Möglichkeit, gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK die Entnahme einer größeren Probenmenge zu veranlassen, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Waren nicht zutreffen. Selbst nach Überlassung der Waren kann der Zollanmelder nach Art. 78 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 ZK eine Überprüfung der Waren veranlassen, sofern diese noch vorgeführt werden können. Hat allerdings der Zollanmelder --wie im Streitfall die Klägerin-- mit seiner Zollanmeldung keine Angaben gemacht, dass die angemeldeten Waren in ihrer maßgeblichen Beschaffenheit möglicherweise Unterschiede aufweisen, und ist die Warensendung bereits freigegeben und vermarktet worden, bestehen für den Zollanmelder tatsächliche Beweisschwierigkeiten in einem späteren Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, die er nicht zuletzt durch seine unzutreffende Zollanmeldung hervorgerufen hat und vor denen weder Art. 6 EMRK noch Art. 19 Abs. 4 GG schützt. Eine Pflicht der Zollbehörde, ohne entsprechende Hinweise in der Zollanmeldung auf eine unterschiedliche Warenbeschaffenheit und ohne einen Antrag auf eine zusätzliche Zollbeschau von sich aus mehr als eine Probe zu entnehmen bzw. zu untersuchen, um dem Zollanmelder später einen Gegenbeweis zu ermöglichen, falls das Untersuchungsergebnis nicht seiner Anmeldung entspricht, lässt sich aus Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 6 EMRK nicht herleiten.
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