Normen
§ 33 EStG
Tatbestand
I.
Die im Jahr 1967 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Mutter einer im Jahre 1989 geborenen Tochter. Ihre Ehe wurde im November 2000 geschieden. Während der Ehe ließ sich die Klägerin sterilisieren.
Im Streitjahr 2001 entschloss sie sich mit ihrem späteren Ehemann zu einer In-vitro-Fertilisation. Die Krankenkasse hat die dadurch entstandenen Kosten in Höhe von 8 576 DM nicht übernommen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die medizinisch nicht unabweisbar erforderliche Sterilisation und die spätere künstliche Befruchtung stelle sich als Empfängnisregulierung dar, die nicht mehr zu Lasten der Solidargemeinschaft als zwangsläufig anzusehen sei. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 199 veröffentlicht.
Die Revision begründet die Klägerin damit, dass das FG ihre Aussagen und Erläuterungen bezüglich der Sterilisationsgründe nicht korrekt interpretiert habe. Die Sterilisation sei zum damaligen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit der Empfängnisverhütung gewesen, da sie, die Klägerin, auf Anordnung des Arztes wegen einer Thrombose auf die Einnahme der Pille habe verzichten müssen und eine Spirale auf Grund eines Gebärmutterknicks nicht habe eingesetzt werden können. Auch habe das FG die von ihr aufgezeigte Latexallergie nicht berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung den Einkommensteuerbescheid 2001 i.d.F. der Einspruchsentscheidung zu ändern und weitere 8 576 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1.
Die Ablehnung der Kosten für die In-vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung verstößt nicht gegen § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
a)
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
b)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlassten Aufwendungen regelmäßig aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat die künstliche Befruchtung einer empfängnisunfähigen Frau mit dem Samen ihres Ehemannes (homologe Insemination) als Heilbehandlung anerkannt (Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), dagegen die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung der Ehefrau mit dem Samen eines fremden Mannes wegen Zeugungsunfähigkeit des Ehemannes (heterologe Insemination) nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt (Urteil vom 18. Mai 1999 III R 46/97, BFHE 188, 566, BStBl II 1999, 761). Als entscheidendes Kriterium sah der Senat an, ob die jeweilige Insemination der gezielten, medizinisch indizierten Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung der Krankheit --Zeugungsunfähigkeit-- des Mannes bzw. Empfängnisunfähigkeit der Frau dient. Die Kinderlosigkeit als solche ist keine Krankheit. Die Verwirklichung des Kinderwunsches und dadurch ggf. entstehende Kosten sind der für jeden frei gestaltbaren Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen, die nach Sinn und Zweck des § 33 EStG nur dann ausnahmsweise steuermindernd berücksichtigt werden dürfen, wenn die Aufwendungen für den Steuerpflichtigen eine unabweisbare finanzielle Belastung darstellen, wie z.B. Krankheitskosten (Senatsurteil in BFHE 188, 566, BStBl II 1999, 761, m.w.N.) oder auch die Kosten der Entbindung (Senatsurteil vom 13. März 1987 III R 301/84, BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495).
Im Streitfall diente die In-vitro-Fertilisation nicht einer gezielten, medizinisch indizierten Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit der Klägerin. Die Unfruchtbarkeit der Klägerin hat keinen Krankheitswert. Ihre Sterilität ist nach dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Krankheitsbegriff, der einen anormalen regelwidrigen Körperzustand voraussetzt (BFH-Urteile in BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805, unter II. 2. a, m.w.N., und in BFHE 188, 566, BStBl II 1999, 761), nicht als Krankheit zu beurteilen. Denn die Sterilität der Klägerin beruht auf einem freiwilligen und bewussten Eingriff mit dem Ziel, die insoweit regelgerechte Empfängnisbereitschaft zu unterbinden. Dementsprechend erweist sich die In-vitro-Fertilisation nicht als krankheitsbedingte Behandlung, sondern vielmehr als eine Maßnahme, mit der die früher getroffene Entscheidung für die Sterilisation rückgängig gemacht werden sollte. Eine freiwillige und bewusst getroffene Entscheidung, die sich durch die Veränderung der Lebensverhältnisse überholt hatte, wurde durch eine andere, ebenso freiwillig und bewusst getroffene Entscheidung ersetzt. Liegt damit die wesentliche Ursache für die In-vitro-Fertilisation und die dafür entstandenen Aufwendungen in der von der Klägerin gestaltbaren Lebensführung (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16 , BStBl II 2004, 726), so kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG nicht in Betracht.
2.
Im Übrigen enthält das Vorbringen der Klägerin keinen Anhaltspunkt für eine Rechtsverletzung i.S. des § 118 FGO durch das FG. Die Klägerin stützt die Revision allein darauf, das FG habe nicht gewürdigt, dass die Sterilisation, die die spätere In-vitro-Fertilisation erforderlich gemacht habe, seinerzeit die einzige Möglichkeit der Empfängnisverhütung gewesen sei.
Das Urteil beruht nicht auf der vermeintlichen Nichtberücksichtigung dieses Umstandes. Vielmehr liegt der Entscheidung die zutreffende Rechtsansicht zugrunde, dass Maßnahmen zur Empfängnisregulierung der steuerlich unbeachtlichen privaten Lebensführung zuzurechnen sind. Entscheidungserheblich war nicht, ob die Klägerin auch andere Möglichkeiten der Empfängnisverhütung hatte, sondern ob die durch die Sterilisation herbeigeführte Unfruchtbarkeit aus medizinischen Gründen --und damit meint das FG andere Gründe als die der Empfängnisverhütung-- unvermeidlich war.
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