BFH V R 22/02

BFHV R 22/0226.6.2003

Zusammenfassung:

  1. 1. Der BFH entschied hier über die Unternehmereigenschaft einer Person, die zwar offiziell eine Einzelfirma betrieb, bei der aber praktisch alle geschäftlichen Aktivitäten von dem einzigen Angestellten durchgeführt wurden. Diese Aktivitäten seien immer noch der Firmenbetreiberin zuzurechnen und ihr die damit die Unternehmereigenschaft nicht abzuerkennen. Die bei diesen "Strohmanngeschäften" erfolgten Lieferungen seien ihr deshalb zuzurechnen, da zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet werde.

Normen

§ 2 Abs.1 UStG 1999
§ 15 Abs. 1 UStG 1999
§ 1 Abs. 1 UStG 1999

FG Niedersachsen - 21.03.2002 - AZ: 5 K 189/98

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Handel mit Nutzfahrzeugen und Baumaschinen.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1990 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge in Höhe von 48.857,00 DM aus Rechnungen über den Erwerb von Fahrzeugen von der Firma X (Inh. Frau Z) geltend.

Auf Grund einer Mitteilung der Steuerfahndung und der Feststellungen einer Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) davon aus, es handele sich insoweit um eine Scheinfirma, deren Inhaberin, Frau Z, lediglich als "Strohfrau" für A tätig geworden sei. Die Umsätze seien deshalb A zuzurechnen.

Frau Z hatte am ... Februar 1989 unter ihrem Namen ein Gewerbe "Einzelhandel mit Waren aller Art, ausgenommen erlaubnispflichtige Warenarten" angemeldet. Die von ihr unter dem ... Februar 1990 beantragte Handelsregistereintragung der Firma ".... Z... X" wurde vom zuständigen Registergericht zurückgewiesen. Frau Z mietete für die Firma X zum 1. März 1989 einen Büroraum unter der Anschrift B-Straße in C. Am ... Juli 1989 wurde der Vertrag in einen Servicevertrag für eine Domiziladresse umgewandelt. Der Vertrag sah folgende Leistungen vor: "Entgegennahme von Anrufen unter eigener Durchrufnummer, Notierung der eingehenden Gespräche, Annahme von Postsendungen unter Bereitstellung eines eigenen Briefkastens, Nutzung der Domizil-Office-Telex- und Telefaxnummer, Empfangsservice". Die eingerichteten Geschäftskonten lauten auf den Namen von Frau Z.

Frau Z wurde dabei stets in Begleitung und auf Anweisung von A tätig, der -im Gegensatz zu Frau Z- geschäftlich und auf Grund seiner vorherigen Tätigkeit insbesondere im Kfz-Handel erfahren war. Seine Erfahrungen hatte er seinerzeit selbst genutzt, um Fahrzeuge einzukaufen (in der Regel "Schwarzeinkäufe") und anschließend an verschiedene Händler (u.a. auch die Klägerin) weiterzuverkaufen.

Die streitigen Geschäfte wurden ausschließlich von A abgewickelt, der jedoch stets als Angestellter von Frau Z auftrat und sich durch eine Ablichtung der Gewerbeanmeldung entsprechend auswies. Dieser hatte auch Einzelvollmacht für zwei Geschäftskonten, die auf den Namen von Frau Z lauten. Eine schriftliche Vollmacht ist A nicht erteilt worden.

Das FA bezog sich für seine Auffassung, es handele sich um eine Scheinfirma und Frau Z habe -als "Strohfrau"- letztlich keine Verfügungsmacht an den gelieferten Fahrzeugen gehabt und sie deshalb auch nicht liefern können, im Wesentlichen auf die im Rahmen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchgeführten Vernehmungen von Frau Z. Danach sei Frau Z von A und weiteren Personen dazu gedrängt worden, unter ihrem Namen einen Gewerbebetrieb anzumelden. Dies habe sie getan, da ihr als Gegenleistung ein Gehalt angeboten worden sei. Ihre Tätigkeit für die Firma X habe sich darauf beschränkt, eingehende Geschäftspost in Empfang zu nehmen und an A weiterzuleiten. Die Unterschriften auf den Rechnungsformularen habe sie blanko erteilt; der überwiegende Teil der von der Firma X erteilten Ausgangsrechnungen sei nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft von A unterschrieben worden. A, nicht Frau Z als Inhaberin der Firma X, seien die Lieferungen zuzurechnen. Die in den Rechnungen der Firma X, Inh. Frau Z, ausgewiesene Vorsteuer sei deshalb nicht abziehbar.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, bei der Firma X habe es sich nicht um eine Scheinfirma gehandelt. Die Inhaberin, Frau Z, habe die Firma gegründet, die Gewerbeanmeldung vorgenommen, die Gebührenrechnung für die Eintragung in das Handelsregister bezahlt, beim Notar die notarielle Anmeldung der Firma vorgenommen, die Bankkonten eröffnet und die Verträge über Geschäftsräume und Telefon geschlossen.

Frau Z sei 2 bis 3 mal in der Woche im Büro gewesen. Die Post sei an die Geschäftsanschrift gerichtet gewesen, sodass Frau Z jederzeit über die Geschäftsabläufe informiert gewesen sei. Dass die Post dann an A als Bevollmächtigten zur weiteren Bearbeitung und Veranlassung weitergereicht worden sei, entspreche typischen innerbetrieblichen Verfahrensabläufen und sei keinesfalls ungewöhnlich. Die Firma X sei auch als zuverlässige Händlerin i.S. des § 28 Abs. 3 der Straßenverkehrszulassungsverordnung (StVZO) von der zuständigen Straßenverkehrszulassungsbehörde anerkannt worden. Denn die von der Firma X an sie (die Klägerin) verkauften Fahrzeuge seien alle mit einem roten Dauerkennzeichen nach § 28 StVZO überführt worden. Die Vergabe eines solchen roten Kennzeichens könne nach § 28 StVZO nur bei "nachgewiesenem Bedürfnis" an "zuverlässige Hersteller, Händler und Handwerker" vergeben werden. Dass die Firma X ihre umsatzsteuerrechtlichen Pflichten nicht erfüllt habe, könne nicht dazu führen, ihr die Unternehmereigenschaft abzuerkennen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1558 abgedruckt.

Das FG führte im Wesentlichen aus, der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma X (Inh. Frau Z) nicht zu. Die LKW-Lieferungen seien Frau Z zuzurechnen. Diese sei Leistende, weil A -mindestens mit Duldung der Frau Z- berechtigterweise in ihrem Namen aufgetreten sei.

Der Vorsteuerabzug scheitere jedoch daran, dass Frau Z als Leistende mangels selbstständigen Tätigwerdens nicht als Unternehmer(in) i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) anzusehen sei. Die Selbstständigkeit sei -Umkehrschluss aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG- nicht nach bürgerlich-rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend sei das Gesamtbild der Verhältnisse. Wesentlich sei, wer das Risiko der wirtschaftlichen Betätigung trage und mit der Möglichkeit eines echten unternehmerischen Verlustes rechnen müsse (Unternehmerrisiko) und wer die unternehmerische Entscheidung treffe (Unternehmerinitiative).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Umsatzsteuerbescheid dahin gehend zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM zum Abzug zugelassen werden.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

1.

Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Entgegen der Auffassung des FG liegen diese Voraussetzungen vor. Frau Z hat als -selbstständige- Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG unter ihrer Firmenbezeichnung über von ihr erbrachte entgeltliche Lieferungen abgerechnet.

a)

Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BFH/NV 2002, 835, m.w.N.). Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit der in sich widersprüchlichen Begründung verneint, Frau Z habe zwar die in den streitigen Rechnungen bezeichneten Lieferungen erbracht, denn diese seien ihr zuzurechnen, da A beim Verkauf der Fahrzeuge an die Klägerin zumindest mit Duldungsvollmacht für Frau Z aufgetreten sei. Dennoch fehle ihr die Unternehmereigenschaft, weil im Hintergrund A die Geschäfte bestimmt habe. Diese Auffassung-die im Übrigen zur Folge hätte, dass die Umsätze unversteuert bleiben müssten, bei Frau Z mangels Unternehmereigenschaft und bei A, weil Frau Z und nicht A geliefert hätte- hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

b)

Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG).

aa)

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den zu Grunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, m.w.N.).

Maßgeblich ist hiernach, wer aus dem entsprechenden Rechtsgeschäft zu einer Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 UStG an den Leistungsempfänger verpflichtet ist. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch andere ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts endgültig verbleibt. Tritt deshalb jemand -wie hier Frau Z- im Rechtsverkehr im eigenen Namen aber für Rechnung eines anderen auf, der aus welchen Gründen auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet; dementsprechend sind auch dem sog. Strohmann die Leistungen zuzurechnen, die der sog. Hintermann (hier A) berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat (ausführlich BFH in BFHE 198, 208, m.w.N.).

Ohne Bedeutung für die Beurteilungen der Leistungsbeziehungen im Verhältnis zu Dritten ist grundsätzlich

bb)

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft -zivilrechtlich und (umsatz-)steuerrechtlich (vgl. auch § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung -AO 1977-)- allerdings dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die Vertragsparteien -der Strohmann und der Dritte (hier der Leistungsempfänger)- einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen (ausführlich BFH in BFHE 198, 208, m.w.N.).

cc)

Zu Unrecht meint das FG, der Klägerin seien zwar die Kfz-Lieferungen zuzurechnen, weil A berechtigterweise in ihrem Namen aufgetreten sei, ihr fehle aber die für die Unternehmereigenschaft erforderliche Selbstständigkeit.

Die Senatsentscheidungen, auf die sich das FG zur Begründung seiner Auffassung bezieht (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1996 V R 63/94, BFHE 181, 240, BStBl II 1997, 188, und BFH-Beschluss vom 12. Mai 1999 V B 22/99, BFH/NV 1999, 1391), betreffen eine andere Rechtsfrage, nämlich, ob deswegen keine umsatzsteuerbare Leistung vorliegt, weil der Leistende im Verhältnis zum Leistungsempfänger nichtselbstständig tätig geworden ist, z.B. weil er diesem gegenüber die Leistung z.B. auf Grund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses schuldet. Im Verhältnis zur Leistungsempfängerin, der Klägerin, war Frau Z nicht unselbstständig tätig. Dass Frau Z auf den Sachverstand eines Dritten angewiesen war und ihr letztlich im Verhältnis zu A der wirtschaftliche Erfolg ihrer Tätigkeit nicht endgültig verblieb, betrifft lediglich die Verwendung der von ihr als Unternehmerin erzielten Erträge. Dies ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich.

2.

Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; sein Urteil war deshalb aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das FG geht zwar davon aus, Frau Z seien die Leistungen zuzurechnen, weil A berechtigterweise in deren Namen aufgetreten sei; es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin, die nach dem festgestellten Sachverhalt zuvor schon Fahrzeuge von A bezogen hatte, davon wusste oder wissen konnte, dass die Einschaltung von Frau Z nur der Verschleierung von Lieferungen des A an die Klägerin dienen sollte. Die Sache geht deshalb zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurück.

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