BFH

BFHV R 6/0228.11.2002

§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1993
§ 3 Abs. 3 UStG 1993
§ 3 Abs. 11 UStG 1993
§ 4 Nr. 8 UStG 1993
77/388/EWG Art. 6 Abs. 4 Richtlinie
77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 Richtlinie
77/388/EWG Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Sparkasse, ist im Streitjahr 1998 im Rahmen von Kreditvergaben treuhänderisch für die . . . Landestreuhandstelle für das Wohnungswesen . . . Landesbank Girozentrale (LTS) tätig gewesen. Die LTS vergab u. a. Baudarlehen zur Förderung bestimmter wohnungsbaupolitischer Zwecke, die sie aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt bekam.

Die Darlehensgewährung erfolgte aufgrund eines von der LTS erteilten Bewilligungsbescheides. Dieser enthielt bestimmte Auflagen, die der Adressat des Bescheides zu beachten hatte. U. a. enthielt er die Auflage, mit dem darlehensverwaltenden Kreditinstitut einen formularmäßig vorgeschriebenen Darlehensvertrag abzuschließen und alle weiteren Verhandlungen mit diesem Institut zu führen.

Zur Kreditvergabe bediente sich die LTS auch der Klägerin. Grundlage der Vereinbarungen zwischen der LTS und der Klägerin sind die allgemeinen Vertragsbedingungen der Landestreuhandstelle für den Wohnungsbau vom 1. Januar 1957. Die Konditionen für die Kreditvergabe wurden mittels Rundschreiben der LTS festgelegt. Aus diesen Rundschreiben ergeben sich insbesondere einzelne Modalitäten zur Verzinsung und Tilgung der Darlehen sowie zu den den Darlehensnehmern in Rechnung zu stellenden Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühren. Ferner ist in den Rundschreiben die Aufteilung der Gebühren zwischen der LTS und der Klägerin geregelt. Danach verblieb die Bearbeitungsgebühr vollständig bei der Klägerin. Von dem erhobenen Verwaltungskostenbeitrag behielt die Klägerin einen in den Rundschreiben festgesetzten Teilbetrag.

Die Darlehensvergabe erfolgte durch die Klägerin in eigenem Namen. Zu diesem Zweck wurde ein nach den Vorgaben der LTS ausgestalteter Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Darlehensnehmer geschlossen, in dem u. a. auf den Bewilligungsbescheid der LTS Bezug genommen wird.

Die LTS zahlte die Darlehensmittel unter Einbehaltung ihres Gebührenanteils an die Klägerin aus. Diese reichte den verbleibenden Darlehensbetrag unter Einbehalt ihres Gebührenanteils an den jeweiligen Darlehensnehmer weiter, so dass insgesamt nur ein Teilbetrag des Darlehens zur Auszahlung an den Darlehensnehmer kam. Die laufenden Zins- und Tilgungsleistungen wurden dem jeweiligen Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit von der Klägerin in Rechnung gestellt, von dieser eingezogen und an die LTS abgeführt.

In ihrer Umsatzsteuererklärung ging die Klägerin davon aus, dass die Gebühren für die Verwaltung der Treuhandkredite steuerfreie Umsätze beträfen. Demgegenüber unterwarf der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Umsätze der Klägerin aus der Verwaltung der Treuhandkredite der Regelbesteuerung und setzte die Umsatzsteuer entsprechend fest.

Die dagegen gerichtete Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam zum Ergebnis, die von der LTS gezahlten Verwaltungsgebühren seien tatsächlich Gebühren für die Kreditvergabe und als solche nach § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) steuerfrei. Somit könne dahinstehen, ob die Grundsätze der Leistungskommission --in richtlinienkonformer Auslegung des § 3 Abs. 3 bzw. 11 UStG 1993 oder unmittelbar gemäß Art. 6 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG)-- zu beachten seien.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts; es meint, es liege eine Geschäftsbesorgungsleistung der Klägerin durch treuhänderisches Halten und Verwalten der Darlehensforderungen für die LTS vor. Gegenleistung sei der Verzicht auf die Weiterleitung eines Teilbetrags der laufenden Verwaltungskosten. Das FG sei in seinem Urteil nicht auf die Grundsätze der Leistungskommission entsprechend § 3 Abs. 3 bzw. 11 UStG 1993, Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG eingegangen. Die Vorentscheidung könne deshalb keinen Bestand haben.

Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat im Zusammenhang mit den Treuhandkrediten keine steuerpflichtigen Leistungen an die LTS erbracht.

Nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1993 ist die Gewährung von Krediten umsatzsteuerfrei.

1.

Die Klägerin hat den Darlehensnehmern Kredite gewährt. Ihre Leistungen an die Darlehensnehmer waren demnach steuerfrei. Die Steuerfreiheit erfasst auch die Verwaltung der Darlehen durch die Klägerin; die Verwaltung ist eine Nebenleistung zur steuerfreien Kreditgewährung. Die Vorschrift des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1993 entspricht den Vorgaben des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG; dort ist ausdrücklich bestimmt, dass die Steuerbefreiung auch "die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber" erfasst. Dies gilt auch nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1993 i. d. F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438). Soweit dort die "Verwaltung von Krediten" nicht mehr ausdrücklich von der Steuer befreit ist, hat dies lediglich Bedeutung für die Verwaltung von Krediten eines fremden Kreditgebers (vgl. z. B. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 8 Rz. 39. 1).

2.

Es kann dahinstehen, ob die Verwaltungsgebühren, die die Klägerin behalten durfte, Entgelt für die steuerfreien Leistungen der Klägerin an die Darlehensnehmer waren oder das Entgelt für die gleichzeitig an die LTS erbrachte Geschäftsbesorgung. Im zuerst genannten Fall erfasst die Steuerfreiheit der Kreditgewährung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1993 auch die Verwaltungsgebühren (vgl. oben 1. ); im zuletzt genannten Fall scheiden steuerpflichtige Leistungen an die LTS nach § 3 Abs. 11 UStG 1993 aus.

Nach § 3 Abs. 11 UStG 1993 sind die für die besorgten Leistungen geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistungen entsprechend anzuwenden, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung besorgt.

a)

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Klägerin hat die Geschäfte der LTS besorgt, indem sie die Darlehen zwar im eigenen Namen aber im Auftrag und für Rechnung der LTS gegeben hat. Die Vorschrift des § 3 Abs. 11 UStG 1993 findet nicht nur auf Geschäftsbesorgungen Anwendung, bei denen der Geschäftsbesorger für Rechnung seines Auftraggebers Leistungen bezieht (sog. Leistungseinkauf), sondern auch auf Geschäftsbesorgungen, bei denen der Geschäftsbesorger für Rechnung seines Auftraggebers Leistungen ausführt (sog. Leistungsverkauf; Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 31. Januar 2002 V R 40, 41/00, BFHE 197, 377, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2002, 719; vom 29. August 2002 V R 8/02, DStR 2002, 1947).

b)

In den Fällen des § 3 Abs. 11 UStG 1993 sind die "für die besorgten Leistungen" geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistungen entsprechend anzuwenden. Dies bedeutet nicht nur, dass einzelne für die besorgte Leistung geltende Vorschriften --wie z. B. die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG 1993-- auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden sind, sondern dass die Besorgungsleistung grundsätzlich insgesamt wie die besorgte Leistung zu behandeln ist. Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht § 3 Abs. 11 UStG 1993 hinsichtlich des zu erreichenden Ziels den Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG (BFH in BFHE 197, 377, und in DStR 2002, 1947, m. w. N. ).

Der Senat legt demnach § 3 Abs. 11 UStG 1993 dahin aus, dass Unternehmer, die bei der Erbringung von Dienstleistungen (sonstigen Leistungen) im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten tätig werden, so zu behandeln sind, als ob sie diese Dienstleistung (sonstige Leistung) selbst erhalten und erbracht hätten.

Für den Streitfall bedeutet dies: Die Klägerin (Treuhänderin, Geschäftsbesorgerin) ist so zu behandeln, als ob sie die den Darlehensnehmern gewährten Kredite (Ausgangsleistungen) von der LTS selbst (als Eingangsleistungen) erhalten hätte, d. h. als ob diese zunächst der Klägerin die Kredite gewährt und die Klägerin sie dann an die Darlehensnehmer weitergeliehen hätte. Dass die Klägerin nach ihren Vereinbarungen mit der LTS auch an diese eine "Leistung" erbringt, ist ohne Bedeutung, umsatzsteuerrechtlich ist die Klägerin so zu behandeln, als ob sie an die LTS keine steuerbaren Leistungen erbracht hätte.

Der Senat teilt die hiergegen erhobenen Bedenken nicht (vgl. BFH in DStR 2002, 1947, m. w. N. ). Im Übrigen sind sie auch nicht entscheidungserheblich. In jedem Fall ist nämlich die Besorgungsleistung --ihre Entgeltlichkeit unterstellt-- gemäß § 3 Abs. 11 UStG 1993 (i. V. m. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1993) steuerfrei und dementsprechend vom FA zu Unrecht besteuert worden.

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