BFH

BFHXI R 35/0112.6.2002

Amtlicher Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Normen

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977
§ 4 Abs. 4 EStG
§ 33 EStG
§ 4 Abs. 4 EStG
§ 126 Abs. 2 FGO

 

Gründe

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1990 erklärten die Kläger Einkünfte des Klägers aus seiner nichtselbständigen Arbeit als Angestellter, Einkünfte aus einer eigengenutzten Eigentumswohnung und ab 1988 Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Klägerin bezeichnete sich als Hausfrau; ihre Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als selbständige Altenpflegerin wurden nicht deklariert. Die aufgrund der Steuererklärungen ergangenen Steuerbescheide 1985 bis 1990 wurden bestandskräftig.

Im Mai 1991 wurde die Klägerin unter dem Vorwurf des Mordes an mehreren Patienten verhaftet und wegen Mordes, Diebstahls und Unterschlagung in mehreren Fällen zu einer zweimal lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts betreute die Klägerin jeweils eine größere Zahl von Patienten, die sie im Laufe eines Tages nacheinander besuchte. Ihre Dienste wurden entweder privat vergütet oder quartalsweise mit der jeweiligen Krankenkasse abgerechnet. Gelegentlich erhielt sie auch Sonderzuwendungen von Patienten. Durch das Strafverfahren entstanden der Klägerin Kosten für vier Strafverteidiger in Höhe von insgesamt . . . DM. Die Gebührenrechnungen datieren aus den Jahren 1992 und 1993.

Im Dezember 1991 wurde gegen die Klägerin ein Steuerstrafverfahren eröffnet. Unter dem 13. Dezember 1991 ergingen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1990. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste die Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb. Das FA lehnte es ab, die Strafverteidigungskosten in den einzelnen Zeiträumen mit jeweils . . . DM im Wege von Rückstellungen gewinnmindernd in Ansatz zu bringen. Die Kläger erhoben Einspruch. Im Einspruchsverfahren wurden aufgrund eines Berichts der Steuerfahndungs-Stelle die Gewinne herabgesetzt; hinsichtlich der Berücksichtigung der Strafverteidigungskosten hatte der Einspruch keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1107 veröffentlicht. Die Strafverteidigungskosten seien keine Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Strafverteidigungskosten müssten in ursächlichem Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen. Die Tat müsste ausschließlich aus der betrieblichen Tätigkeit heraus erklärbar sein. Das sei nicht der Fall; der Vorwurf des Mordes aus Habgier habe seine Ursache in der privaten Sphäre der Klägerin. So seien auch die durch die Eigentumsdelikte erfolgten Vermögensmehrungen dem privaten Bereich zuzuordnen. Im Übrigen könne der Mordvorwurf wegen des Merkmals der Habgier nicht losgelöst von den festgestellten Eigentumsdelikten gesehen werden. Daraus folge, dass das Strafverfahren jedenfalls nicht ausschließlich aus der beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sei.

Eine entsprechende Rückstellung wäre nicht zum 31. Dezember 1990, sondern allenfalls im Folgejahr zulässig. Erst die Erhebung der Klage oder die Einlegung eines Rechtsmittels lasse die wirtschaftliche Verpflichtung zur Tragung künftiger Prozesskosten entstehen. Für Prozesskosten könne es nicht auf den Zeitpunkt des Begehens der Straftat ankommen; frühestens im Zeitpunkt von erkennbaren Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Steuerpflichtigen und dessen Abwehrreaktionen sei eine wirtschaftliche Entstehung gegeben. Schließlich scheide eine Berücksichtigung nach § 33 EStG aus; im Streitjahr sei keine Zahlung erfolgt.

Mit der Revision machen die Kläger geltend:

  1. 1. Das FG habe § 4 Abs. 4 EStG unzutreffend ausgelegt. Es könne nicht auf den konkreten Schuldvorwurf, sondern es müsse auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt werden; maßgeblich sei der objektive betriebliche Zusammenhang. Der Auslöser des Strafverfahrens und der damit verbundenen Kosten liege im beruflichen Bereich. Der Klägerin könne vorgeworfen werden, dass Menschen, die sich in ihrer Pflege befunden hätten, zu Tode gekommen seien. Beim Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung durch Ärzte komme man auch nicht auf den Gedanken, die Straftat werde nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen.
  2. 2. Die Aufwendungen der Klägerin für die Strafverteidigung könnten im Streitjahr gewinnmindernd berücksichtigt werden. Im Unterschied zum Zivilprozess seien die Kosten der Strafverteidigung zu dem Zeitpunkt wirtschaftlich verursacht, zu dem der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Straftat begangen haben soll.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1990 vom 13. Dezember 1991 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 1995 weitere Betriebsausgaben in Höhe von . . . DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

  1. 1. Die Strafverteidigungskosten seien auch privat (mit-)veranlasst.
  2. 2. Im Unterschied zu vertraglichen Verpflichtungen führten Schadenersatzverpflichtungen erst dann zu einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme, wenn der Betriebsinhaber davon ausgehen müsse, dass sein Verhalten entdeckt werde und er mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse.

II.

Die Revision wird gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückgewiesen.

1.

Neben weiteren Voraussetzungen verlangen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten eine betrieblich veranlasste Verbindlichkeit gegenüber einem anderen, die nach Grund, Höhe oder Fälligkeit ungewiss ist und die wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Dezember 1992 XI R 34/91, BFHE 170, 149, BStBl II 1994, 158; vom 13. Mai 1998 VIII R 58/96, BFH/NV 1999, 27, jeweils m. w. N. ).

2.

Kosten der Strafverteidigung können --im Unterschied zur Strafe selbst (§ 12 Nr. 4 EStG)-- auch bei vorsätzlich begangenen Straftaten und auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise Betriebsausgaben sein, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist (BFH-Urteile vom 21. Juni 1989 X R 20/88, BFHE 157, 397, BStBl II 1989, 831, und vom 13. Dezember 1994 VIII R 34/93, BFHE 176, 564, BStBl II 1995, 457). Ein betrieblicher Zusammenhang besteht nur, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist (BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 43/86, BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20).

3.

Im Streitfall sind die für die Strafverteidigung entstandenen Verbindlichkeiten nicht betrieblich veranlasst. Entgegen der Auffassung der Kläger sind die zur Last gelegten Taten nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeit geschehen, sondern nur bei Gelegenheit. Die Straftaten der Klägerin entspringen nicht einem besonderen beruflichen Risiko, sondern beruhen nach den Feststellungen des Landgerichts, die sich das FG zu Eigen gemacht hat (dazu vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1991 VII B 163/91, BFH/NV 1992, 612), auf persönlicher Habgier. Bei ihr günstig erscheinender Gelegenheit suchte die Klägerin Geld oder andere Wertsachen durch Diebstahl oder Unterschlagung oder auf andere Weise an sich zu bringen. Anschließend tötete sie die Geschädigten, um sich im Besitz der Beute zu halten. Zwischen den Mordtaten der Klägerin und ihrer beruflichen Tätigkeit besteht daher kein steuerlich relevanter Sachzusammenhang.

4.

Ob die weiteren Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung gegeben sind, kann dahinstehen.

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