Normen
§ 4 Abs. 3 EStG
§ 18 EStG
Gründe
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Er ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Im Jahr 1987 erwarb er eine mit 8 v. H. verzinsliche Anleihe der X-Bank mit 10-jähriger Laufzeit über 30 000 DM (Nennwert) zum Kurs von 111, 5 v. H. Er wandte dafür einschließlich Nebenkosten 33 685, 12 DM auf. Er führte die Wertpapiere in seinen Gewinnermittlungen als Anlagevermögen mit dem Zusatz "für Autokauf" auf und erfasste die jährlich anfallenden Zinsen als Betriebseinnahmen. Die Kläger unterhielten außerdem ein Wertpapierdepot, in dem sie ihre "privaten" Wertpapiere hielten.
Im Januar 1991 verkaufte der Kläger die Hälfte der Anleihe und ließ den Erlös auf sein betriebliches Bankkonto überweisen. Von diesem Konto hob er rd. 45 000 DM für den Kauf eines betrieblich genutzten PKW ab. Das Konto wurde dabei nicht überzogen. Die bis zum Verkauf angefallenen Stückzinsen (840 DM) erfasste er als Betriebseinnahmen. Außerdem errechnete er einen Verlust in Höhe von 2 426, 31 DM (Verkaufspreis 14 505, 00 DM . /. 88, 75 DM Veräußerungskosten sowie 16 842, 56 DM Anschaffungskosten).
Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, die Wertpapiere seien kein Betriebsvermögen gewesen. Durch den über dem Nennwert liegenden Preis habe es notwendig zu Verlusten kommen müssen. Das sei bereits im Zeitpunkt der Anschaffung erkennbar gewesen. Die Berücksichtigung des Verlustes bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit sei ausgeschlossen. Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid 1991 entsprechend. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 216 veröffentlichten Urteil u. a. aus, das FA habe zu Unrecht den geltend gemachten Aufwand nicht zum Abzug zugelassen. Die 1987 erworbenen Wertpapiere seien gewillkürtes Betriebsvermögen gewesen. Die Wertpapiere hätten --insgesamt betrachtet-- einen Überschuss erbracht; es handle sich nicht um verlustgezeichnete Wertpapiere.
Mit der vom FG --wegen Divergenz-- zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 4 Abs. 3 und 4 EStG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, und hilfsweise, die Sache zur genaueren Feststellung des Sachverhalts an das FG zurückzuverweisen.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Kläger erworbenen festverzinslichen Wertpapiere Betriebsvermögen und die geltend gemachten Aufwendungen damit betrieblich veranlasst waren.
1. Der Senat lässt unentschieden, ob er an der bisherigen ständigen Rechtsprechung festhält, wonach die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG unzulässig ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. August 1989 IV R 80/88, BFHE 158, 254, BStBl II 1990, 17; vom 29. April 1999 IV R 7/98, BFHE 188, 390 , BStBl II 1999, 488; ausdrücklich offen gelassen im BFH-Urteil vom 22. September 1993 X R 37/91, BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172). Selbst wenn an dieser Rechtsprechung nicht festzuhalten sein sollte (zur Kritik vgl. Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. D 160; Bergkemper in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 4 EStG Rz. 537), setzt die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens doch ein Wirtschaftsgut voraus, das seiner Art nach nicht eindeutig in den privaten Bereich weist und dessen Zuordnung zum Betriebsvermögen nicht seiner Natur widerspricht. In diesem Sinne kommen als Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nur solche in Betracht, die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind. Die Steuerpflichtigen haben kein (freies) Wahlrecht, gewillkürtes Betriebsvermögen oder Privatvermögen zu bilden. Vielmehr muss auch die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens betrieblich veranlasst sein. Die Wirtschaftsgüter müssen objektiv "betriebsdienlich" sein (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 52/95, BFHE 182, 204, BStBl II 1997, 351). Die Willkürung muss ihr auslösendes Moment im Betrieb haben. Deshalb muss der Steuerpflichtige darlegen, welche Beziehung das Wirtschaftsgut zum Betrieb hat und welche vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen ihn veranlasst haben, das Wirtschaftsgut als Betriebsvermögen zu behandeln (vgl. Plückebaum in Kirchhof/Söhn, a. a. O. , § 4 Rdnr. B 123). Entscheidend ist damit im Streitfall letztlich, ob sich der Erwerb und das Halten der verzinslichen Anleihe als Teil der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit i. S. des § 18 EStG oder aber als das bloße Halten von Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG darstellen.
2. Eine selbständige Tätigkeit i. S. des § 18 EStG ist anzunehmen, wenn die eigene Arbeitskraft sowie das geistige Vermögen eingesetzt und in der Regel durch eine besonders qualifizierte Ausbildung erworbene Kenntnisse verwertet werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 1982 IV R 130/79, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589; Stuhrmann in Kirchhof/Söhn, a. a. O. , § 18 Rdnr. A 130). Zwar erfordern bestimmte freie Berufe einen nicht unerheblichen Kapitaleinsatz (z. B. ein Facharzt, der teure medizinisch-technische Geräte benötigt). Dennoch ist der Einsatz erheblichen Kapitals eher die Ausnahme und nicht das Merkmal, das die selbständige Tätigkeit i. S. des § 18 EStG prägt. Deshalb sind an den Nachweis der Betriebsbezogenheit strenge Anforderungen zu stellen, wenn --wie im Streitfall-- Geldanlagen in der Form von Anleihepapieren als gewillkürtes Betriebsvermögen eines Steuerberaters behandelt werden sollen.
3. Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger im Jahre 1987 eine mit 8 v. H. festverzinsliche Anleihe erwarb, deren Laufzeit 10 Jahre betrug. Der Kläger musste Anschaffungskosten in Höhe von 112, 3 v. H. des Nominalwertes zuzüglich der Nebenkosten (33 685, 12 DM) zahlen. Ihm war bekannt, dass er nach Ablauf der 10-jährigen Laufzeit nur den Nennwert (30 000 DM) zurückerhalten würde. Er erwarb die Anleihe dennoch mit Rücksicht auf ihre hohe Verzinsung. Der Aufpreis von 3 685, 12 DM war für ihn wirtschaftlich gesehen eine Schmälerung der erwarteten Zinserträge (Negativzins). Als Negativbetrag konnte er dem Betrieb des Klägers keinen Nutzen bringen. Für die erzielten Zinsen ist nicht dargelegt, dass sie zu betrieblichen Zwecken verwendet wurden. Bei dieser Sachlage spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Kläger die Behandlung der Anleihe als Betriebsvermögen seines freien Berufes nur deshalb wählte, um den absehbaren Verlust im Falle eines Wiederverkaufs der Anleihe bzw. am Ende ihrer Laufzeit steuerlich absetzen zu können. Eine solche Absicht reicht allein nicht aus, um eine Geldanleihe als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln. Es fehlt an einer betrieblichen Veranlassung für ihre Anschaffung.
4. Das Vorbringen des Klägers ist auch im Übrigen nicht geeignet, eine betriebliche Veranlassung des Erwerbs der Geldanleihe schlüssig zu begründen. Der Kläger erwarb die Anleihe schon im Jahre 1987. Er veräußerte sie im Januar 1991 nur zur Hälfte (Verkaufspreis: 14 505 DM). Obwohl er von Anfang an angab, die Anleihe zum Zwecke eines Autokaufs zu erwerben und zu halten, finanzierte er den Kaufpreis des Autos in Höhe von 45 000 DM im Jahre 1991 mit Hilfe des Erlöses aus der zwischenzeitlich veräußerten Anleihe allenfalls in Höhe von 14 505 DM. Dies ist nur ca. 1/3 des Kaufpreises und weniger als die Hälfte des ursprünglich angelegten Betrages. Ist es ohnehin schon ungewöhnlich, dass ein Steuerpflichtiger im Jahre 1987 eine Geldanleihe erwirbt, um im Jahre 1991 einen PKW kaufen zu können, wenn abzusehen ist, dass der Wert der Geldanlage bis zum Jahre 1991 sinken wird, so gilt dies erst recht, wenn die Geldanleihe nicht ausreicht, um die PKW-Anschaffungskosten zu finanzieren, und wenn sie letztlich nur zur Hälfte für diesen Zweck verwendet wird. Dann wurde die behauptete Absicht tatsächlich nicht verwirklicht. Der Kläger hätte die Geldanleihe ebenso in seinem Privatvermögen halten können, um die erwarteten Erlöse erst im Jahre 1991 in das Betriebsvermögen zwecks Finanzierung der PKW-Anschaffungskosten einzulegen. Es ist außerhalb der offenbar angestrebten steuerlichen Verlustbehandlung kein vernünftiger Grund zu erkennen, weshalb der Kläger sich schon im Jahre 1987 festlegte, die erst im Jahre 1991 anfallenden PKW-Anschaffungskosten aus dem Veräußerungserlös einer bestimmten Geldanleihe zu finanzieren. Auch wenn der Kläger die erzielten Zinsen als Betriebseinnahmen erklärte, ist nicht nachgewiesen, dass dieselben zu betrieblichen Zwecken verwendet wurden. Allein die Tatsache, dass die Anschaffungskosten der Geldanleihe nach den Angaben des Klägers aus Betriebseinnahmen finanziert wurden, begründet noch nicht deren Charakter als gewillkürtes Betriebsvermögen. Die Anschaffungskosten können auch dem Betriebsvermögen zuvor entnommen worden sein. Bei dieser Sachlage ist die Geldanleihe entsprechend dem BFH-Urteil vom 19. Februar 1997 XI R 1/96 (BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399) als Privatvermögen zu behandeln.
5. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen. Sie konnte deshalb keinen Bestand haben und war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Geldanleihe war dem Privatvermögen des Klägers zuzuordnen. Dementsprechend hat das FA den Gewinn des Klägers aus selbständiger Arbeit zutreffend ermittelt. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und § 9 EStG schließen außerdem die Geltendmachung des Verlustes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus. Damit war die Klage abzuweisen.
6. Eine Vorlage an den Großen Senat war nicht geboten. Die mit dieser Materie befassten Senate des BFH stimmen darin überein, dass Wertpapiere als gewillkürtes Betriebsvermögen eines Freiberuflers nicht in Betracht kommen, wenn bereits bei ihrem Erwerb feststeht, dass sie nur in den Betrieb eingelegt werden, um ansonsten nicht abziehbare Verluste als betrieblichen Aufwand geltend machen zu können. Diese Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1999 X B 40/99, nicht veröffentlicht; BFH-Urteile vom 13. Oktober 1998 VIII R 61/96, BFH/NV 1999, 463; in BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern zitierten BFH-Urteil in BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172. Der X. Senat hat dort die Frage, ob ein Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG gewillkürtes Betriebsvermögen bilden kann, ausdrücklich offen gelassen und den durch erworbene Wertpapiere erlittenen Verlust deshalb nicht anerkannt, weil diese nicht unmissverständlich dem Betriebsvermögen zugeordnet worden waren.