Normen
§ 76 Abs. 1 FGO
§ 76 Abs. 1 S. 1 FGO
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG 1980/1991
§ 14 UStG 1980/1991
Gründe
1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), Frau K, war alleinige Inhaberin eines Ausschanks, den sie seit 1968 auf einem in ihrem Alleineigentum stehenden Grundstück betrieb. Von 1988 bis 1992 wurde auf dem Grundstück ein Gaststättengebäude errichtet. Das so bebaute Grundstück vermietete sie 1992 steuerpflichtig an ihren Sohn. Ihr Ehemann war als Handwerker unselbständig beschäftigt und arbeitete bei der Errichtung des bezeichneten Gebäudes mit.
Die Klägerin machte für Leistungen zur Herstellung des Gebäudes in den Jahren 1988 bis 1992 den Vorsteuerabzug geltend. Aus nahezu der Hälfte der Rechnungen erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug nicht an, weil die Rechnungen nicht an die Klägerin, sondern an ihren Ehemann, Herrn K, oder an die Eheleute K, die Familie K, das Gasthaus Herr K und die Firma Herr K gerichtet waren. Noch vor einer Umsatzsteuersonderprüfung im November 1993 wurden die Rechnungen, aus denen das FA den Vorsteuerabzug nicht zugelassen hatte, in der Weise geändert, daß nur die Klägerin als Leistungsempfängerin benannt wurde. Gleichwohl versagte das FA den Vorsteuerabzug für das Streitjahr 1993. Das FA war der Auffassung, die Klägerin sei nicht Empfängerin der in diesen Rechnungen abgerechneten Leistungen. Das ergebe sich aus dem ursprünglichen Inhalt der nicht zum Vorsteuerabzug zugelassenen Rechnungen und daraus, daß nicht die Klägerin, sondern überwiegend die Gemeinschaft der Ehegatten in den Aufträgen an die Bauhandwerker als Auftraggeber und Bauherren bezeichnet worden war.
Den Einspruch der Klägerin wies das FA zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung u. a. aus, die Klägerin sei nicht Empfängerin der abgerechneten Bauleistungen gewesen, weil die Eheleute K die ausgeführten Bauleistungen empfangen hätten. Anhaltspunkte dafür, daß der Ehemann im Namen und mit Vollmacht der Klägerin aufgetreten sei, lägen nicht vor.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG habe zwei Beweisantritte übergangen, mit denen unter Beweis gestellt worden sei, daß ihr Ehemann nur als ihr Bevollmächtigter bei der Vergabe der Bauaufträge tätig geworden sei.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
2. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und dadurch gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen.
a) Die bisherigen Feststellungen lassen keine abschließende Entscheidung zu, ob und in welchem Umfang die Klägerin berechtigt ist, Vorsteuerbeträge aus den vom FA nicht berücksichtigten Abrechnungen über Bauleistungen zur Herstellung des Gaststättengebäudes auf ihrem Grundstück abzuziehen.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980/ 1991 (UStG) kann der Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Der Vorsteuerabzug steht somit dem Unternehmer zu, der als Leistungsempfänger eine auf ihn ausgestellte Rechnung besitzt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Oktober 1995 V R 113/92, BFHE 178, 493, BStBl II 1996, 111). Leistungsempfänger ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrundeliegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH-Urteil vom 16. Mai 1995 XI R 50/93, BFH/NV 1996, 185).
b) Das FG hat die schriftsätzlich gestellten Beweisanträge nicht beachtet, nach denen der Ehemann der Klägerin nur als ihr Bevollmächtigter bei der Auftragserteilung gehandelt habe. Es hat ohne weitere Aufklärung angenommen, Leistungsempfänger der nicht zum Vorsteuerabzug zugelassenen Bauleistungen sei die Gemeinschaft der Ehegatten, nur weil unter dieser Bezeichnung Bauaufträge erteilt worden seien. Wenn das FG ausführt, es habe keine Anhaltspunkte, daß die Klägerin die Leistungen empfangen habe, für die Vorsteuerbeträge nicht berücksichtigt worden seien, ist es seiner Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht in dem genügenden Umfang nachgekommen. Das FG durfte die vorhandenen Beweisanträge nicht übergehen und war verpflichtet, von Amts wegen solchen tatsächlichen Zweifeln nachzugehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten aufdrängen mußten (BFH-Urteil vom 3. November 1976 II R 43/67, BFHE 120, 549, BStBl II 1977, 159; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl. , § 76 FGO Tz. 20, m. w. N. ).
c) Das FG hat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen und zu prüfen, ob die Klägerin umsatzsteuerrechtlich entsprechend den geänderten Rechnungen --wofür einiges spricht-- Empfängerin sämtlicher Bauleistungen gewesen ist, für die der Vorsteuerabzug bisher versagt worden ist. Bei der Beurteilung, ob nur die Klägerin die Bauleistungen für die Errichtung des Gaststättengebäudes bezogen hat, ist zu würdigen, daß nur sie und nicht die Ehegattengemeinschaft Unternehmerin war, daß sie Alleineigentümerin des Grundstücks war, auf dem das Bauwerk errichtet wurde, und daß sie --unstreitig-- die übrigen Bauleistungen zur Errichtung des Gaststättengebäudes empfangen hatte.