Normen
Art. 14 DBA-Frankreich
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein deutscher Staatsangehöriger, hatte seinen Familienwohnsitz in den Streitjahren 1994 und 1996 in Frankreich.
Der Kläger war seit 1985 als Beamter i.S. des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg bei einer inländischen rechtlich selbständigen Versicherungsanstalt des öffentlichen Rechts (AöR), tätig. Die AöR wurde durch Beschluß der Landesregierung in eine AG umgewandelt.
Der Kläger blieb Beamter des Landes Baden-Württemberg und nahm weiterhin Versicherungsaufgaben in Form der Überlassung von Dienstleistungsergebnissen an die AG wahr. In Ergänzung hierzu schlossen das Land Baden-Württemberg und die aus der öffentlich-rechtlichen Anstalt hervorgegangene AG einen "Dienstleistungsüberlassungsvertrag". Danach überließ das Land der AG u.a. die Ergebnisse der Dienstleistungen des Klägers. Die Dienstleistungsergebnisse sollten grundsätzlich in dem Umfang überlassen werden, in dem sie dem Land zur Verfügung standen. Die Dienstaufsicht, das fachliche Weisungsrecht und das Direktionsrecht verblieben dem Land, wobei sich allerdings das Land bereit erklärte, mit einem Vorstandsmitglied oder einem leitenden Angestellten der AG einen Dienstvertrag des Inhalts abzuschließen, daß dieser als Bediensteter des Landes unentgeltlich mit der Ausübung des Weisungs- und Direktionsrechts betraut werde. Hinsichtlich der Arbeitszeit sollte eine Abstimmung mit der AG stattfinden. Die AG hatte ferner dem Land alle Personalkosten der von dieser Regelung erfaßten Bediensteten zu erstatten, zuzüglich der für die Betreuung des Bediensteten entstandenen Kosten. Für die laufenden Leistungen des Landes an den Bediensteten hatte die AG so rechtzeitig Abschlagszahlungen in Höhe des voraussichtlichen Bedarfs zu leisten, daß auf dem Konto des Landesamtes für Besoldung und Versorgung weder ein Zinsgewinn noch ein Zinsverlust entstand. Das Land hatte für Eigenschäden der AG in Höhe etwaiger Ersatzansprüche gegen den Bediensteten Ersatz zu leisten. Alle Personalmaßnahmen von grundsätzlicher Bedeutung sollten vom Land mit der AG abgestimmt werden. Höhergruppierungen und Beförderungen sollten grundsätzlich auf Vorschlag der AG erfolgen.
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg behielt für das Streitjahr 1994 vom Gehalt des Klägers keine Lohnsteuer ein. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) erließ, ausgehend von der Steuerpflicht der Beamtenbezüge, einen Nachforderungsbescheid für 1994. Ferner lehnte es die vom Kläger beantragte Freistellungsbescheinigung für 1996 ab. Die Einspruchsverfahren blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab den hiergegen erhobenen Klagen statt für das Streitjahr 1996 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1997, 981).
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA-Frankreich) und beantragt, unter Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung nach § 73 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verbundenen Revisionen sind unbegründet.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß der Kläger die Voraussetzungen der Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich, wonach seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Frankreich zu besteuern wären, tatbestandsmäßig erfüllt. Die Anwendung der Grenzgängerregelung ist im Streitfall nicht durch die Sonderregelung des Art. 14 DBA-Frankreich für Bezüge aus öffentlichen Kassen ausgeschlossen.
Nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen sowie Ruhegehälter, die einer der Vertragsstaaten, ein Land oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts dieses Staates oder Landes an in dem anderen Staat ansässigen natürlichen Personen für gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen in der Verwaltung oder in den Streitkräften zahlt, grundsätzlich nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden. Wie der Formulierung "Dienstleistungen in der Verwaltung oder ..." zu entnehmen ist, setzt die Besteuerung im Kassenstaat voraus, daß der im anderen Staat Ansässige seine Tätigkeit tatsächlich "in der Verwaltung" ausübt bzw. ausgeübt hat. Davon kann unter den hier gegebenen Umständen nicht ausgegangen werden.
Die an den Kläger gezahlten Gehälter wurden jedenfalls seit der Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Versicherungswesens nicht mehr für Dienstleistungen "in der Verwaltung" erbracht. Mit der Umwandlung der öffentlich-rechtlichen Anstalt in eine AG wurde er zwar Beamter des Landes Baden-Württemberg, nahm aber, wie der Präambel zum Dienstleistungsüberlassungsvertrag vom 5. Juli zu entnehmen ist, "... Aufgaben der Versicherung in Form der Überlassung von Dienstleistungsergebnissen an die Aktiengesellschaft wahr". Dementsprechend erbrachte er in den Streitjahren tatsächlich seine Dienste nicht mehr im Rahmen eines der öffentlichen Hand zuordenbaren Verwaltungsbereichs, sondern gegenüber privatwirtschaftlich strukturierten Versicherungsunternehmen. Dem entsprechen die Detailregelungen des Dienstleistungsüberlassungsvertrages. So stellte das Land Baden-Württemberg die gesamte von den in den Staatsdienst übernommenen Beamten erbrachten Dienstleistungen der AG zur Verfügung (§ 2 des Dienstleistungsüberlassungsvertrages). Das formal dem Land zustehende Weisungs- und Direktionsrecht wurde zur Ausübung auf die AG bzw. Angestellten der AG übertragen (§ 4 Abs. 3 des Dienstleistungsüberlassungsvertrages; Protokollnotiz zu § 4 des Dienstleistungsüberlassungsvertrages). Die AG hatte das Vorschlagsrecht für Höhergruppierungen und Beförderungen. Die Arbeitszeit war im Einvernehmen mit der AG festzulegen (§ 5 des Dienstleistungsüberlassungsvertrages).
Die vom Land und dem Versicherungsunternehmen gewählte Vertragskonstruktion (Überlassung von Dienstleistungsergebnissen der Beamten an die Versicherungsgesellschaft; Erstattung sämtlicher Personalkosten) hatte ihren alleinigen Grund in der Unkündbarkeit der bei der öffentlich-rechtlichen Anstalt im Zeitpunkt der Umwandlung beschäftigten Beamten und diente ausschließlich dazu, diesen den Beamtenstatus zu erhalten. Daran, daß der einzelne Beamte seine Dienstleistung letztlich tatsächlich nur gegenüber dem Versicherungsunternehmen erbrachte, hat sich nach der Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Versicherungswesens nichts geändert. Dies bestätigt auch die Tatsache, daß die Kosten für die Dienstleistungen der Beamten ausschließlich das Versicherungsunternehmen trug (§ 6 des Dienstleistungsüberlassungsvertrages). Dem Land Baden-Württemberg verblieb nur die aus ausschließlich rechtlichen Gründen nicht abdingbare formale Arbeitgeberstellung. Diese allein reicht nicht aus, um die Anwendung des Art. 13 DBA-Frankreich auszuschließen.
Die - vom FG bejahte - Frage, ob sich darüber hinaus die Anwendung des Art. 14 DBA-Frankreich auch deswegen verbietet, weil das Land Baden-Württemberg die Personalkosten von dem privatwirtschaftlich strukturierten Versicherungsunternehmen erstattet erhielt, und insoweit möglicherweise nicht Zahler i.S. des Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich war, kann der Senat offenlassen.