Normen
§ 39 AO 1977
§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG
§ 22 Nr. 3 EStG
§ 10 WoEigG
§ 23 WoEigG
Tatbestand:
I. Die Kläger, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1989 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in den Jahren 1988/1989 Eigentümer einer Eigentumswohnung, die er selbst nutzte. Die X-GmbH (GmbH) war Teileigentümerin von Räumen, die zu derselben Wohnungseigentumsanlage gehörten. In den Räumen, die nach der Teilungserklärung als Ladenlokal genutzt werden durften, betrieb die GmbH einen Spielsalon. Dagegen machte der Kläger beim zuständigen Amtsgericht mit Erfolg einen Unterlassungsanspruch geltend. Im Rechtsmittelverfahren einigte er sich mit der GmbH. Der Kläger verpflichtete sich im Vertrag vom 3.11.1988, den Betrieb des Spielsalons zu dulden und "keine Maßnahmen zu ergreifen, die den Betrieb erschweren oder zum Erliegen bringen". Übereinstimmend machte man dies davon abhängig, "daß die derzeitigen Immissionen und Beeinträchtigungen des Wohnungseigentums sich nicht wesentlich zum Nachteil" des Klägers "ändern". Das vereinbarte Nutzungsrecht der GmbH sollte nicht übertragbar sein und für keine anderen oder weitergehenden Nutzungen gelten. Im Gegenzug verpflichtete sich die GmbH, Rechtsverfolgungskosten des Klägers zu übernehmen sowie im Jahr 1988 15.000 DM und in den Jahren 1989 bis 1993 jeweils 2.000 DM zu zahlen. Die Zahlungspflicht sollte entfallen, sobald die Räume nicht mehr als Spielsalon genutzt würden.
Am 12.10.1989 beschloß die Eigentümergemeinschaft einstimmig, die in der Teilungserklärung festgelegte Nutzung der Räume als Ladenlokal auf die Nutzung als Spielhalle zu erweitern. Mit Vertrag vom gleichen Tag vereinbarten Kläger und GmbH, daß sich die Nutzungsrechte der GmbH bezüglich ihres Teileigentums nach dem Eigentümerbeschluß richten sollten. Als Ausgleich für die weitere Wertminderung verpflichtete sich die GmbH, die nach dem Vertrag vom 3.11.1988 ausstehenden Raten 1990 bis 1993 in Höhe von 8.000 DM und einen zusätzlichen Betrag von weiteren 6.000 DM sofort zu bezahlen. Damit sollten alle Ansprüche des Klägers aus der Nutzungsregelung ausgeglichen sein.
Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erfaßte die gesamten Zahlungen der GmbH (1988 15.000 DM; 1989 18.000 DM, 2.000 DM Rate laut Vertrag vom 3.11.1988 + 2 x 8.000 DM gemäß Vertrag vom 12.10.1989) als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Einspruch blieb insoweit erfolglos.
Das Finanzgericht gab der Klage für das Streitjahr 1989 teilweise statt: Von den 1989 geleisteten Zahlungen sah es zwar die nach dem ursprünglichen Vertrag geschuldeten Raten (2.000 DM sowie die für 1990 bis 1993 gezahlten 8.000 DM) ebenfalls als Entgelt für eine sonstige Leistung an, nicht aber die aufgrund des zweiten Vertrags zusätzlich gezahlten 8.000 DM. Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Veröffentlichung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 168 Bezug genommen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es ist weiterhin der Meinung, alle von der GmbH geleisteten Zahlungen seien steuerbar.
Die Kläger wenden sich mit der Anschlußrevision gegen die teilweise Klageabweisung.
Das FA beantragt, das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Streitjahres 1989 aufzuheben, die Klage insoweit abzuweisen und die Anschlußrevision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kläger haben schriftlich beantragt, das erstinstanzliche Urteil, die Einspruchsentscheidung sowie den Änderungsbescheid hinsichtlich des Streitjahres 1989 aufzuheben.
Sie halten daran fest, daß die Zahlungen der GmbH nur als Ausgleich für die Minderung des Wohn- und Verkehrswerts der Eigentumswohnung anzusehen und daher nicht zu versteuern seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet, die Anschlußrevision unbegründet. Zu Unrecht hat das FG der Klage teilweise entsprochen. Die Zahlungen, die der Kläger im Streitjahr von der GmbH erhalten hat, unterliegen als sonstige Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 3 EStG in vollem Umfang der Einkommensteuer.
1. Sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind solche aus Leistungen, soweit sie, wie im Streitfall, weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu bestimmten - hier nicht in Betracht kommenden - anderen sonstigen Einkünften gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände.
Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird; ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, daß ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (ständige Rechtsprechung; z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.10.1982 VIII R 83/79, BFHE 138, 177, BStBl II 1983, 404, und vom 17.5.1995 X R 64/92, BFHE 177, 479 , BStBl II 1995, 640). Eine Veräußerung liegt vor, wenn ein Wirtschaftsgut übertragen (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298), ein veräußerungsähnlicher Vorgang, wenn ein Vermögenswert endgültig in seiner Substanz aufgegeben wird (BFH-Urteile vom 5.8.1976 VIII R 117/75, BFHE 120, 182, BStBl II 1977, 27; vom 21.9.1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201; vom 1.12.1989 III R 56/85, BFHE 159, 167, BStBl II 1990, 1054; vom 9.8.1990 X R 140/88, BFHE 161, 531 , BStBl II 1990, 1026; vorn 26.5.1993 X R 108/91, BFHE 171, 500, BStBl II 1994, 96, und vom 4.9.1996 XI R 20/96, BFH/NV 1997, 336).
Ob eine Zahlung als Entgelt für eine sonstige Leistung oder für die endgültige Aufgabe eines Vermögenswerts in seiner Substanz zu qualifizieren ist, richtet sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der zugrundeliegenden Leistungen. Entscheidend ist dabei nicht, wie die Parteien diese Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt haben (vgl. BFH-Urteile vom 18.8.1977 VIII R 7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796, und in BFHE 159, 167, BStBl II 1990, 1054).
Um eine nichtsteuerbare Entschädigung für die Aufgabe eines Vermögenswerts im Bereich der Vermögensumschichtung (BFH-Urteil in BFHE 120, 182, 185 f., BStBl II 1977, 27, 29) handelt es sich, wenn die wirtschaftliche Gesamtbeurteilung ergibt, daß der Vorgang dem Normalbild des Ausgleichs für eine Minderung des Vermögenswerts in seiner Substanz entspricht (in BFHE 120, 182, 185 f., BStBl II 1977, 27, 29), nicht aber, wenn z.B. die Rechtszuständigkeit i.S. des § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) unverändert bleibt (vgl. Urteil in BFH/NV 1997, 336, 337, m.w.N.).
2. Auf den Streitfall übertragen bedeutet dies, daß sämtliche in Frage stehenden Zahlungen als Entgelt dafür anzusehen sind, daß der Kläger den Betrieb des Spielsalons durch die GmbH duldete, nicht aber dafür, daß er wirtschaftlich eine in seinem Wohnungseigentum wurzelnde Rechtsposition endgültig aufgegeben hat.
a) Gegenüber der GmbH im Prozeß geltend gemacht und im Vertrag vom 3.11.1988 durchgesetzt hat der Kläger den jedem Wohnungseigentümer zustehenden Anspruch darauf, daß das Sondereigentum nicht in einer störenderen Weise genutzt wird, als dies durch seinen Inhalt gerechtfertigt ist (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluß vom 21.12.1992 3 Wx 464/92, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1993, 567; Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluß vom 20.1.1994 2 Z BR 93/93, NJW-RR 1994, 527 ). In diesem Zusammenhang hat der Kläger weder ein Wirtschaftsgut übertragen noch - auch nur teilweise - einen Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben. Die Vereinbarung hat die zivilrechtliche ebenso wie die abgabenrechtliche Rechtszuständigkeit des Klägers bezüglich seines Wohnungseigentums unberührt gelassen.
b) Im Ergebnis nichts anderes gilt für den Vertrag vom 12.10.1969 und die darin gezogenen Folgerungen aus dem Beschluß der Eigentümergemeinschaft. Weder durch das eine noch durch das andere Ereignis ist der Inhalt des Wohnungseigentums nachhaltig verändert worden. Durch den Eigentümerbeschluß vom 12.10.1989 waren zwar die vertraglichen Befugnisse des Klägers eingeschränkt, selbst dies aber nicht in dauerhafter Weise; auch die mit dem Wohnungseigentum verbundene Sachherrschaft war nicht in der für die Annahme eines Substanzverlusts erforderlichen Endgültigkeit (vgl. dazu u.a. BFH in BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 unter 1.; in BFHE 138, 177, BStBl II 1983, 404, und in BFH/NV 1997, 336, 337, jeweils m.w.N.) beeinträchtigt. Denn dieser Beschluß war grundsätzlich - ungeachtet seiner Verbindlichkeit für einen Rechtsnachfolger (§ 10 Abs. 3 des Wohnungseigentumsgesetzes - WoEigG - i.V.m. § 23 WoEigG) - durch die Eigentümerversammlung - situationsbedingt jederzeit - abänderbar und aufhebbar (s. dazu: Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch u.a., 56. Aufl. 1997, § 10 WoEigG Rz. 16, m.w.N.). Allein deshalb lassen sich auch die von der GmbH aufgrund des zweiten Vertrags geleisteten Zahlungen nicht - auch nicht teilweise - als Abgeltung eines Substanzverlusts, sondern nur als Gegenleistung für das Dulden einer bestimmten Nutzung und damit als uneingeschränkt steuerbarer Vorgang begreifen.