Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verpachtet und erzielt daraus Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Gewinn wird für das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis zum 30. Juni durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Im Wirtschaftsjahr 1986/87 veräußerte sie aus ihrem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen ein mit einer baufälligen Kate bebautes Grundstück. Sie wies den Veräußerungserlös in der der Einkommensteuererklärung 1986 beigefügten Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1986/87 als Betriebseinnahme und den Buchwert des Grundstücks als Betriebsausgbe aus und beantragte mit Schreiben vom 7. September 1988 einen Gewinnabzug nach § 6 c EStG in Höhe von 47 320 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) folgte diesem Antrag und berücksichtigte den Veräußerungsgewinn als Betriebsausgabe bei der Einkommensteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume 1986 und 1987 und erließ entsprechende Bescheide. Zugleich heftete der Sachbearbeiter des FA einen Merkzettel in den Deckel der Einkommensteuerakte der Klägerin, wonach der Gewinnabzug im Wirtschaftsjahr zum 30. Juni 1989 aufzulösen sei.
Auch für die Streitjahre 1988 und 1989 wurde die Klägerin, die weder einen Zuschlag nach § 6 c Abs. 1 Nr. 2 EStG noch einen Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsguts nach § 6 c Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgewiesen hatte, erklärungsgemäß veranlagt. Nachdem die am 27. September 1990 und 7. Oktober 1991 ergangenen Einkommensteuerbescheide bestandskräftig geworden waren, stellte das FA bei der Veranlagung für das Jahr 1990 fest, daß der im Wirtschaftsjahr 1986/87 vorgenommene Gewinnabzug im Wirtschaftsjahr 1988/89 aufzulösen gewesen wäre. Es erließ daraufhin die angefochtenen, nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, mit denen der Gewinnabzug durch eine entsprechende Betriebseinnahme rückgängig gemacht und ein Zuschlag nach § 6 c Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 6 b Abs. 7 EStG in Höhe von 6 v. H. für jeweils zwei Wirtschaftsjahre erfaßt wurde.
Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA im wesentlichen mit der Begründung zurück, ihm seien nachträglich neue Tatsachen bekanntgeworden, die eine Änderung der Steuerbescheide rechtfertigten. Bei den Erstveranlagungen sei nicht ersichtlich gewesen, ob die Klägerin die Rücklage zu Unrecht nicht gewinnerhöhend aufgelöst oder auf ein Wirtschaftsgut übertragen habe, dessen Anschaffung sie in Erwägung gezogen habe. Bei diesen Verhältnissen handele es sich auch um Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Einspruchsentscheidung des FA, verzichtete auf eine Darstellung der Entscheidungsgründe und ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor: Der Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuer in den Streitjahren geführt habe, sei dem FA bei der Veranlagung bekannt gewesen, denn der Veräußerungsgewinn sei bereits im Wirtschaftsjahr 1986/87 verwirklicht worden. Steuerbegründende Tatsache sei daher allein die Bildung der Rücklage, die zu einer Auf lösung zwinge. Selbst wenn man den, die Re investitionsfrist hinausschiebenden Beginn der Herstellung eines Gebäudes als Tatsache i. S. des § 173 AO 1977 werte, sei dies keine neue Tatsache. Der damalige Steuerberater habe die Rücklagebildung seinerzeit mit der Absicht begründet, Grund und Boden hinzuzuerwerben. Daraus aber folge, daß dem FA bekanntgewesen sei, daß man die Errichtung eines Gebäudes nicht geplant habe. Das FA verstoße vielmehr gegen Treu und Glauben, wenn es den Steuerbescheid aufgrund von Tatsachen ändere, die ihm bei gehöriger Er füllung seiner Ermittlungspflicht bekanntgeworden wären. Welche Tatsache nachträglich bekanntgeworden sei und welcher Mitwirkungspflichten sie, die Klägerin, habe nachkommen müssen, sei unklar geblieben. Daß der Veräußerungsgewinn im Wirtschaftsjahr 1988/89 nicht erfaßt worden sei, beruhe auf einem entschuldbaren Versehen, das aber eine Korrektur der Bescheide nicht rechtfertige.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1988 und 1989 nach einem um 52 998 DM geminderten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1988/89 festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzu weisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FA hat die angefochtenen Bescheide zu Recht geändert.
1.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntgeworden sind (sog. neue Tatsachen oder neue Beweismittel), die zu einer höheren Steuer führen.
a)
Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift sind Schlußfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (Senatsurteile vom 28. März 1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120, und vom 29. Oktober 1987 IV R 69/85, BFH/NV 1988, 346, jeweils m. w. N.). Tatsachen in diesem Sinne sind auch alle Vorgänge, die einer Übertragung stiller Reserven nach Bildung einer Rücklage zugrunde liegen oder die die Auflösung einer solchen Rücklage nach sich ziehen. Es sind dies die Vorgänge der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionsguts i. S. der §§ 6 b, 6 c EStG oder der Umstand, daß auf eine fristgerechte Reinvestition verzichtet wird und deshalb eine Betriebseinnahme zu erfassen ist. Auch der vom FG angeführte Beginn der Neuerrichtung eines Gebäudes vor dem Schluß des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs (§ 6 b Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 6 c Abs. 1 Satz 1 EStG) gehört zu diesen Tatsachen, die auch dann Merkmal des Besteuerungstatbestandes des § 6 c Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 6 b Abs. 3 EStG sind, wenn der Steuerpflichtige anstelle der Bildung einer Rücklage den in § 6 c Abs. 1 Nr. 2 EStG vorge sehenen Abzug einer Betriebsausgabe in Anspruch genommen hat. Welche dieser Tatsachen eingetreten ist, hat der Steuerpflichtige zu erklären.
b)
Der die Auflösung der "Rücklage" -- nach § 6 c Abs. 1 Nr. 2 EStG durch Ansatz einer Betriebseinnahme -- gebietende Vorgang des Verzichts auf eine Reinvestition ist dem FA auch nachträglich bekanntgeworden. Denn erst bei der Veranlagung für das Jahr 1990 ist dem FA aufgefallen, daß die Klägerin weder Reinvestitionen vorgenommen noch mit der Errichtung eines Gebäudes auf einem ihrer Grundstücke begonnen hatte.
2.
a)
Die Änderung eines Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ist nach Treu und Glauben allerdings ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekanntgewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Der Steuerpflichtige muß dann aber seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047; vom 4. Dezember 1992 III R 50/91, BFH/NV 1993, 496). Das FA verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO 1977) nur, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mußten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des FA kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich dem FA zur Prüfung unterbreitet worden sind (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198). Das FA braucht Steuererklärungen nicht mit Mißtrauen zu begegnen, sondern kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen (BFH-Urteil vom 18. März 1988 V R 206/83, BFH/NV 1990, 1). Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen mit der Folge, daß der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, und vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293).
b)
Bei der danach gebotenen Abwägung der Aufklärungsversäumnisse des FA gegenüber der fehlerhaften Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1988/89 und der unzutreffenden Steuererklärungen der Klägerin für die Streitjahre fällt ein etwaiger Verstoß des FA gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 88 AO 1977) kaum ins Gewicht. Der Sachbearbeiter des FA hat zwar bei Bear beitung der Steuererklärungen für die Streitjahre einen in den Aktendeckel gehefteten Vermerk zur Auflösung der Rücklage übersehen. Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aber bei den Besonderheiten der Übertragungsregelungen nach § 6 c EStG nicht. Das nach § 6 c Abs. 2 EStG erforderliche Verzeichnis ist nur für die Anlagegüter zu führen, bei denen der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bereits vorgenommen wurde. Der anstelle der Rücklagebildung vorzunehmende Betriebsausgabenabzug ist dagegen nur im Zeitpunkt der Veräußerung vorzunehmen; einen Ausweis dieses Abzugs über den Zeitraum der Reinvestitionsfrist sieht das Gesetz nicht vor. Während daher das FA aus dem Fortbestand einer Rücklage bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich Schlüsse ziehen und sich veranlaßt sehen kann, weitere Ermittlungen anzustellen, fehlt es an einem derartigen Hinweis bei der Gewinnübertragung nach § 6 c EStG. Nach Auffassung des Senats ergibt sich daraus eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen, der die Steuererleichterung des § 6 c EStG in Anspruch genommen hat (vgl. auch den Rechtsgedanken des § 153 Abs. 2 AO 1977). Er hat mit besonderer Gewissenhaftigkeit bei der Gewinnermittlung und Abgabe der Steuererklärung dafür Sorge zu tragen, daß die erfolgsneutrale Übertragung der Veräußerungsgewinne oder deren Besteuerung einschließlich der in § 6 c Abs. 7 EStG vorgesehenen Zuschläge sichergestellt wird (Senatsurteil vom 15. März 1990 IV R 90/88, BFHE 160, 317, BStBl II 1990, 689 zu 3.).