Normen
§ 2 Abs. 1 S. 1 UStG 1980
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980
§§ 35 ff. GmbHG
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, die zum 30.6.1986 an 58 Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beteiligt war und 5 Niederlassungen unterhielt. Zwischen der Klägerin und der Z Steuerberatungs-GmbH bestand von 1985 bis 1988 eine Organschaft mit der Klägerin als Organträgerin. Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Geschäftsführer der Klägerin W und H sowie des Geschäftsführers der Z Steuerberatungs-GmbH Z.
W erhielt für seine Geschäftsführertätigkeit bis zum 31.12.1983 einen festen monatlichen Betrag in Höhe von 7.700 DM zuzüglich einer erfolgsabhängigen Tantieme. Aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 28.11.1983 schloß die Klägerin im Januar 1984 mit W eine als Geschäftsbesorgungsvertrag bezeichnete Vereinbarung, in der W mit der umfassenden Geschäftsführung betraut wurde. Die in dem Vertrag vereinbarten Vergütungen stellte W der Klägerin zuzüglich offen ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung.
H und Z verfuhren ebenso und stellten die für ihre Geschäftsführertätigkeit vereinbarten Beträge der Klägerin bzw. der Organgesellschaft ebenfalls zuzüglich offen ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte insoweit den Vorsteuerabzug. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus:
1. Organe juristischer Personen handelten grundsätzlich unselbständig. Der Geschäftsführer sei als Organ in den betrieblichen Organismus der juristischen Person eingegliedert. Das Weisungsrecht der Gesellschafter und die Folgepflicht des Geschäftsführers seien kennzeichnend für das Organisationsstatut der GmbH.
2. Diese Grundsätze gelten auch für Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften.
3. Zwar könne auch ein Geschäftsführer Tätigkeiten, die weder spezifisch geschäftsleitend seien noch ihm als Organ oblägen, im Rahmen eines umsatzsteuerrechtlichen Leistungsaustausches erbringen. In diesen Fällen müsse aber hinreichend deutlich abgegrenzt sein, daß es sich um Tätigkeiten außerhalb der geschäftsführenden Tätigkeit handele.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
1. Die vom FG herangezogenen Fälle behandelten nicht die Tätigkeit von Geschäftsführern im Bereich der Steuerberatung.
2. Die betroffenen Steuerberater hätten ihre Tätigkeiten weisungsfrei und bei freier Zeiteinteilung auf eigenes Risiko ausgeübt. Diese vertraglichen Regelungen ständen auch im Einklang mit den Regelungen des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Aus dem StBerG ergebe sich, daß der mit der Leitung der Gesellschaft betraute Steuerberater in geschäftsmäßigen Hilfeleistungen in Steuersachen so unabhängig und weisungsfrei wie ein freier Steuerberater sei. Die Unternehmereigenschaft sei erst dann zu verneinen, wenn die fragliche Tätigkeit insgesamt als fremdbestimmt anzusehen sei. Das FG habe zu Unrecht vertragliche Vereinbarungen verlangt; maßgeblich seien vielmehr allein die tatsächlichen Verhältnisse. W sei in seiner Eigenschaft als selbständiger Unternehmer die Geschäftsführungstätigkeit gegen Entgelt übertragen worden. Regelungen über Arbeitszeit, Arbeitsort usw. seien nicht getroffen worden. Auch H und Z seien als selbständige Unternehmer tätig geworden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Geschäftsführer W und H sowie des Geschäftsführers Z zuzulassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das angefochtene Urteil ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) kann der Unternehmer die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die von W, H und Z der Klägerin (bzw. der Organgesellschaft) in Rechnung gestellten Leistungen wurden nicht "von anderen Unternehmernu ausgeführt.
a) Die Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH ist nicht unternehmerisch; es fehlt das Merkmal der Selbständigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30.7.1986 V R 41/76, BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874). Eine selbständige Tätigkeit liegt vor, wenn sie auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung ausgeübt wird. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 sind natürliche Personen nicht selbständig tätig, soweit sie einem Unternehmen so eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind (vgl. auch Abschn. 17 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1992). Für die Beurteilung, ob jemand selbständig oder unselbständig tätig ist, kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Maßgeblich hierfür ist die Würdigung der für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, wie sie sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung ergeben (BFH-Urteil vom 18.1.1995 XI R 71/93, BFHE 177, 154, BStBl II 1995, 559, m.w.N.). Ob Selbständigkeit oder Unselbständigkeit anzunehmen ist, richtet sich grundsätzlich nach dem Innenverhältnis zum Auftraggeber (Abschn. 17 Abs. 1 UStR 1992). Unselbständig ist vor allem derjenige, der in den geschäftlichen Organismus eines anderen eingegliedert und dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (so bereits Popitz/Kloß/Grabower, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz i.d.F. vom 8.5.1926, 1928, 300 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs). Diese Voraussetzung ist bei einem Arbeitnehmer gegeben, der zu dem Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis steht. Eine derartige Eingliederung, auf die § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 grundsätzlich abstellt, liegt zwar bei einem GmbH-Geschäftsführer in der Regel nicht vor (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., 1996, § 35 Rn.93). Unselbständig in diesem Sinne ist aber auch der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, der als Organ in den Organismus der Gesellschaft eingegliedert ist und den Weisungen der Gesellschaft, die sich aus der Bestellung zum Geschäftsführer, aus dem Anstellungsvertrag und aus den Gesellschafterbeschlüssen - in Verbindung mit den gesetzlichen Vorschriften - ergeben können, zu folgen hat. Der Geschäftsführer einer GmbH ist deren gesetzlicher Vertreter (§ 35 Abs. 1 des Gesetzes die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -); ihm obliegt die Vertretung der GmbH wie auch die Geschäftsführung. Der Geschäftsführer ist Handlungsorgan der Gesellschaft (§ 6 Abs. 1 GmbHG), dem gegenüber die Gesellschafterversammlung ein Weisungsrecht hat (Baumbach/Hueck, a.a.O., § 37, Rz. 10; Mertens in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., 1979, § 37 Rdnr. 7 ff.; Schneider in Scholz, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., 1993, § 37 Anm. 30 ff.); dieses Weisungsrecht ergibt sich aus § 37 Abs. 1 GmbHG und ist Folge der dominierenden Stellung der Gesellschafterversammlung in der Verfassung der GmbH. Die Gesellschafterversammlung kann dem Geschäftsführer in allen Bereichen der Unternehmensleitung Weisungen erteilen (Grundsatz der Weisungsabhängigkeit); dem Geschäftsführer ist die Pflicht auferlegt, diese Weisungen auszuführen (Grundsatz der Folgepflicht; Schneider, a.a.O., Anm. 30). Der Geschäftsführer bleibt - ungeachtet der Regelungen im Anstellungsvertrag und ungeachtet seiner tatsächlichen Position - gesellschaftsrechtlich dem Weisungsrecht der Gesellschafter unterworfen (FG Düsseldorf, Urteile vom 23.1.1989 2 K 304/86 StB, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 314, und vom 8.2.1990 5 K 349/85 U, EFG 1990, 449).
Demgegenüber unterliegt z.B. die Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates einer AG gegen Zahlung einer Vergütung der Umsatzsteuer (vgl. BFH-Urteile vom 27.7.1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810, und vom 2.10.1986 V R 68/78, BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42; vgl. auch § 3 a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1980); das Mitglied eines Aufsichtsrates wird - ebenso wie ein Beiratsmitglied - gegenüber der Gesellschaft selbständig tätig (BFH-Urteile in BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810, und vom 24.8.1994 XI R 74/931 BFHE 176, 751 BStBl II 1995, 150).
Auch ertragsteuerrechtlich werden die Einkünfte des Geschäftsführers einer GmbH im Hinblick auf die Eingliederung in den Organismus der Gesellschaft als solche aus nichtselbständiger Tätigkeit angesehen (BFH-Urteile vom 11.3.1960 VI 172/58 U, BFHE 70, 575, BStBl III 1960, 214, und vom 31.1.1975 VI R 230/71, BFHE 114, 535, BStBl II 1975, 358; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., 1996, § 19 Rz. 15; Stichwort "Gesetzl Vertreter einer Kapitalgesellschaft"). Entsprechend beurteilt § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied - wegen fehlender Eingliederung - als selbständige Arbeit.
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, wie die Geschäftsführungstätigkeit bei Personengesellschaften (dazu Emmerich, in Heymann, Handelsgesetzbuch, Bd. 2, 2. Aufl., 1996, § 114, Rdnr. 26 ff.) umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen ist (vgl. BFH-Urteil vom 9.6.1994 V R 108/93, BFH/NV 1995, 644).
b) Den Einwendungen der Klägerin ist nicht zu folgen. Wie ausgeführt bleiben die Geschäftsführer ungeachtet der im Anstellungsvertrag getroffenen Regelungen und ungeachtet ihrer tatsächlichen Position aufgrund ihrer Organstellung gesellschaftsrechtlich dem Weisungsrecht der Gesellschafter unterworfen. Wie das FG zutreffend hervorhebt, können zwar außerhalb des Geschäftsführungsbereichs aufgrund gesonderter Abmachung selbständige Leistungen vereinbart werden (BFH-Urteil in BFHE 176, 75, BStBl II 1995, 150); daran aber fehlt es im Streitfall.
Die Vorschriften des StBerG können die Organstellung und die Eingliederung der Geschäftsführer nicht verdrängen. Sie betreffen nicht diese Fragen.