BFH

BFHX R 103/9510.7.1996

Amtlicher Leitsatz:

Der Senat bleibt dabei, daß Erwerb und Veräußerung von (Unter-)Beteiligungen an einer Personengesellschaft auch dann nicht unter § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F. fielen, wenn das Gesellschaftsvermögen ausschließlich aus Grundstücken bestand, und daß § 30 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 an diesem Auslegungsergebnis nichts änderte.

Normen

§ 38 AO 1977
§ 39 Abs. 2 S. 2 AO 1977
§ 43 AO 1977
§ 2 EStG
§ 23 EStG (a.F.)

 

Tatbestand:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit der Klägerin, seiner Ehefrau, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, erwarb am 12.6.1979 als Gründungsgesellschafter einen Gesellschaftsanteil an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts X & Y (im folgenden "GbR"), die den Erwerb des Grundstücks G sowie die Modernisierung des darauf befindlichen Gebäudes zum Gegenstand hatte. Am 19.12.1979 veräußerte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil mit einem Gewinn von 39.420 DM.

Diesen Gewinn rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -), als er von dem Vorgang Kenntnis erhielt, im Bescheid vom 27.12.1985 unter Berufung auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für 1979 maßgeblichen Fassung (a.F.) der Bemessungsgrundlage hinzu und setzte die Einkommensteuerschuld der Kläger für 1979 entsprechend höher fest.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte, im wesentlichen aus denselben Gründen wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 4.10.1990 X R 148/88 (BFHE 162, 304 , BStBl II 1992, 211), die Steuerbarkeit des Vorgangs. Wegen der Einzelheiten wird auf die Veröffentlichung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1103 verwiesen.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Revision beruft sich das FA auf den Nichtanwendungserlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 27.2.1992, IV B 3 - S 2256 - 3/92 (BStBl I 1992, 125) und wendet außerdem ein, das FG stehe mit seiner rein zivilrechtlichen Auffassung zu § 23 EStG im Gegensatz zu der vom Bundesfinanzhof (BFH) im Beschluß vom 25.2.1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 11 , BStBl II 1991, 691) sowie in den Entscheidungen vom 26.4.1990 IX B 224/88 (BFH/NV 1991, 240) und vom 26.6.1990 VIII R 81/85 (BFHE 161, 472, BStBl II 1994, 645) vertretenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, derzufolge der in Frage stehende Gesellschaftsanteil als grundstücksgleiches Recht anzusehen und seine Veräußerung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F. der Einkommensteuer zu unterwerfen sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG der Klage stattgegeben. Erwerb und Veräußerung des Anteils an der GbR erfüllen keinen nach § 23 EStG a.F. steuerbaren Tatbestand.

1. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. sind nicht gegeben, weil der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung mehr als sechs Monate beträgt.

2. Die Tatbestandsvariante des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F. greift nicht ein, da der Erwerbsvorgang vom 12.6.1979 ebenso wie der Veräußerungsvorgang vom 19.12.1979 kein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht i.S. dieses Besteuerungstatbestands zum Gegenstand hatte. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 162, 304 , BStBl II 1992, 211 (= SIS 91 03 05) näher ausgeführt hat, ist die Beschreibung des möglichen Gegenstands einer sonstigen Leistung in dieser Gesetzesvorschrift rein zivilrechtlich (sachenrechtlich) zu begreifen. § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ist wegen seines nur die Zurechnung von Wirtschaftsgütern, nicht die subjektive Seite abgabenrechtlicher Tatbestandsverwirklichung (§§ 38, 43 AO 1977 i.V.m. § 2 EStG) betreffenden Regelungsgehalts nicht geeignet, dieses Auslegungsergebnis zu modifizieren. An dieser auch vom FG geteilten Ansicht hält der Senat fest (s. auch die Senatsbeschlüsse vom 17.10.1995 X B 132/95, BFH/NV 1996, 213, und vom 13.6.1996 X B 27/96, nicht veröffentlicht; zustimmend Knobbe-Keuk, 75 Jahre Reichsfinanzhof-Bundesfinanzhof, 1993, 303, 323, und Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl. 1996, § 39 AO 1977 Rdnr. 34 a, 37; anderer Ansicht L. Schmidt, Finanz-Rundschau 1991 16. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 23 Rdnr. 132 und Nichtanwendungserlaß des BMF in BStBl I 1992, 125; offengelassen von Schulze-Osterloh in Festschrift für Ludwig Schmidt, 1993, 307 ff., 313).

3. Ein Widerspruch zu den vom FA genannten BFH-Entscheidungen ist nicht zu erkennen:

- Der Beschluß des IX. Senats in BFH/NV 1991, 240, 243 äußert sich nur zur Frage gemeinsamer Tatbestandsverwirklichung in Fällen der streitigen Art, und zwar in gleicher Weise wie der erkennende Senat in den Urteilen vom 13.10.1993 X R 49/92 (BFHE 172, 315, BStBl II 1994, 86) sowie vom 13.7.1994 X R 7/91 (BFH/NV 1995, 303, 305).

- Die beiden anderen BFH-Entscheidungen, auf die sich das FA stützt (BFHE 163, 1 , BStBl II 1991, 691, und BFHE 161, 472, BStBl II 1994, 645), betreffen andere Gesetzestatbestände und andere Sachverhalte. Zur Frage, ob Gesellschaftsrechte im Rahmen des § 23 EStG a.F. als Wirtschaftsgüter anzusehen sind, enthalten diese Entscheidungen keine Aussagen. Dasselbe gilt für den zum gewerblichen Grundstückshandel einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergangenen Beschluß des Großen Senats vom 3.7.1995 GrS 1/93 (BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, Ziff. C IV. 3. b der Gründe), wie sich auch aus dem Urteil des IV. Senats vom 7.3.1996 IV R 2/92 (BFHE 180, 121, BStBl II 1996, 369, Ziff. I 3 e - bb der Gründe) ergibt.

4. Der seit dem Jahr 1994 geltende (durch Gesetz vom 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50 eingefügte) § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. ist als Fiktion gestaltet und jedenfalls aus diesem Grund als echte Neuregelung zu werten (vgl. auch Crezelius in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rdnr. B 77 ff.; Stephan, Der Betrieb 1994,1588; Glenk in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 23 EStG Tz. 26), aus der sich infolgedessen für das hier maßgebliche Gesetzesverständnis keine Rückschlüsse ziehen lassen.

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