Normen
§ 4 Abs. 4 EStG
§ 3 Nr. 12 EStG
§ 18 Abs. 1 S. 3 EStG
Tatbestand:
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war im gesamten Jahr 1990 als sog. ehrenamtlicher Stadtrat der Stadt ... tätig. Im Laufe des Wahlkampfes 1990 bezahlte er für Wahlkampfkosten (Anzeigen, Plakate, Prospekte, Werbezeitungen, Einlegeblätter, Sonstiges) ... DM. Er wurde erneut als ehrenamtlicher Stadtrat gewählt und bezog im Streitjahr (1990) einschließlich einer steuerfreien Aufwandsentschädigung von 6 240 DM insgesamt Einnahmen in Höhe von 35 700 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Wahlkampfkosten des Klägers nicht, erkannte aber andere Aufwendungen des Klägers als abzugsfähig an. Das FA setzte mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 3. Juni 1992 die Einkommensteuer entsprechend fest.
Nach im Streitpunkt erfolglos gebliebenem Einspruch machten die Kläger mit der Klage geltend, die Wahlkampfkosten seien als Betriebsausgaben abzugsfähig. Der Kläger habe mit seiner Kandidatur auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit angestrebt, auch wenn er die Position eines berufsmäßigen Bürgermeisters nicht erreicht habe. Es sei nicht verständlich, laufende Betriebsausgaben für die Tätigkeit als Stadtrat anzuerkennen, nicht aber die Aufwendungen zur Wahl bzw. Wiederwahl.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 556 veröffentlicht.
Mit der vom FG - wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht (§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, § 15 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. FG und die Beteiligten sind zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger als sog. ehrenamtlicher Stadtrat Einkünfte aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezieht. Die Entschädigungen in Höhe von 2 444 DM monatlich, die er gemäß Art. 20a der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) i. V. m. der Satzung der Stadt ... vom 2. April 1980 (Hauptsatzung) für seine Tätigkeit als sog. ehrenamtlicher Stadtrat erhalten hat, sind als steuerpflichtige Einnahmen einzuordnen.
2. Entgegen der Auffassung des FA und des FG kamen die dem Kläger entstandenen Aufwendungen für seine Wahl zum ehrenamtlichen Mitglied des Stadtrats als vorab entstandene Betriebsausgaben in Betracht (§ 4 Abs. 4 EStG; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. April 1992 III R 96/88, BFHE 168, 133, BStBl II 1992, 819). Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Dazu gehören bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb alle Aufwendungen, die objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb dienen sollen (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Vor dem Beginn der eigentlichen Tätigkeit entstandene Aufwendungen sind als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar, wenn der Entschluß, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt und objektiv realisierbar ist (BFH-Urteil in BFHE 168, 133, BStBl II 1992, 819). Für die nur durch Wahl erreichbare Mitgliedschaft in einer kommunalen Vertretung, die zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit führt, gilt nichts anderes (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 1987 IV R 41/85, BFHE 151, 446, BStBl II 1988, 266, und BFH-Urteil vom 8. März 1974 VI R 198/71, BFHE 112, 58, BStBl II 1974, 407).
a) Das FG kann sich nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 8. Dezember 1987 IX R 161/83 (BFHE 152, 240, BStBl II 1988, 433) berufen. In diesem Urteil hat der BFH für den Fall eines Mitglieds des Berliner Abgeordnetenhauses entschieden, daß die Wahlkampfkosten zur Erlangung des Mandats nicht abzugsfähig sind. Tragender Grund dieser Entscheidung ist, daß der Abgeordnete als Mitglied eines Landesparlaments Anspruch auf Erstattung der Wahlkampfkosten durch die Staatskasse hatte und für diesen Fall § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG den Abzug der Wahlkampfkosten als Werbungskosten ausschließt (BFH-Urteil in BFHE 152, 240, BStBl II 1988, 433 unter 2.).
Im Streitfall gab es die in § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG vorausgesetzte Erstattung von Wahlkampfkosten durch die öffentliche Hand jedoch nicht.
b) Bereits durch das Urteil in BFHE 112, 58, BStBl II 1974, 407 (zustimmend auch BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 X R 6/84, BFHE 163, 372 , BStBl II 1991, 396 unter 3.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 19 Tz. 60) hat der BFH die Wahlkampfkosten eines gescheiterten Bewerbers für seine Wiederwahl als hauptberuflicher Bürgermeister einer Stadt in Bayern unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung als Werbungskosten anerkannt. Deshalb hatte die Bayerische Finanzverwaltung (FMS vom 23. Dezember 1980 Az. 32 - S 2350 - 6/11 - 75642, Lohnsteuerkartei Oberfinanzdirektion München-Nürnberg, § 9 Fach 9 Karte 2 Nr. 2) zunächst auch die Wahlkampfkosten für ein angestrebtes Amt in einer kommunalen Vertretungskörperschaft zum Abzug zugelassen. Sie hat diese Auffassung dann aber entsprechend der Handhabung in den übrigen Bundesländern wieder aufgegeben und die Anerkennung von Wahlkampfkosten als Betriebsausgaben auf hauptberuflich tätige Mandatsträger beschränkt (FMS vom 29. Dezember 1988 Az. 32 - S 2350 - 6/21 - 33602/88, Lohnsteuerkartei, a. a. O., § 9 Fach 9 Karte 2 Nr. 3; vgl. auch Schreiben des Finanzministeriums vom 25. Februar 1993 an den Kläger, Bl. 81 Einkommensteuerakte 1990).
c) Nach der Ansicht des erkennenden Senats kommen im Streitfall die Wahlkampfkosten als Betriebsausgaben in Betracht. Da die gezahlte Entschädigung von monatlich rd. 2 500 DM - und zwar ohne die steuerfrei gezahlte Aufwandsentschädigung in Höhe von insgesamt 6 240 DM - die Höhe hauptberuflicher Einkommen der unteren Lohngruppen erreicht, treffen die Überlegungen zu, mit denen der BFH im Urteil in BFHE 112, 58, BStBl II 1974, 407 die Abzugsfähigkeit der Wahlkampfkosten begründet hat. Maßgebend war nämlich, daß mit der Wahl ein Amt angestrebt wurde, mit dem steuerpflichtige Einnahmen verbunden sind. Daß der Kläger als Mitglied des Stadtrats keine hauptberufliche Tätigkeit ausübt, ist entgegen der im FMS vom 29. Dezember 1988 (a. a. O.) vertretenen Auffassung deswegen unerheblich. Für die Annahme einer sonstigen selbständigen Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) ist allein entscheidend, ob die Tätigkeit der Erzielung positiver Einkünfte dient (Senatsurteil in BFHE 151, 446, BStBl II 1988, 266).
d) Der erkennende Senat hält daran fest, daß Wahlkampfkosten nicht bereits deshalb als Betriebsausgaben ausscheiden, weil sie - worauf das angefochtene Urteil unter Betonung der wechselseitigen Förderung von Partei und Kandidat im Wahlkampf im wesentlichen abstellt - zugleich der Förderung politischer Ziele dienen und damit dem Bereich der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) zuzuordnen seien. Der BFH hatte ursprünglich diesen Aspekt für ausschlaggebend gehalten und darum die Wahlkampfkosten eines erfolglosen Bewerbers um das Amt eines Landrats in Bayern nicht zum Abzug zugelassen (BFH-Urteil vom 4. August 1967 VI R 130/66, BFHE 90, 18, BStBl III 1967, 772). Er hat diese Rechtsprechung zu Recht aufgegeben (Urteil in BFHE 112, 58, BStBl II 1974, 407; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 163, 372 , BStBl II 1991, 396 unter 3.), weil mit dem Amt steuerpflichtige Einnahmen verbunden sind.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt aus zu Recht nicht geprüft, ob der Kläger die als Betriebsausgaben geltend gemachten Wahlkampfkosten in vollem Umfang für seinen eigenen Wahlkampf aufgewandt und selbst getragen oder ob es sich um Sonderbeiträge für den allgemeinen Wahlkampf der eigenen Partei gehandelt hat. Auf das BFH-Urteil in BFHE 163, 372 , BStBl II 1991, 396 wird hingewiesen. Als Betriebsausgaben kommen auch nur solche Aufwendungen in Betracht, die die nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei gezahlten Entschädigungen übersteigen. Ferner hat das FG ausdrücklich offengelassen, ob die vom FA anerkannten Betriebsausgaben (Mitgliedsbeiträge an Vereine, Pokale und Ehrenpreise für Vereine, Bewirtungen von Stadtratskollegen) als Betriebsausgaben berücksichtigt werden können. Dies ist daher noch zu prüfen, ebenso auch, ob nach Berücksichtigung aller Betriebsausgaben die Gewinnerzielungsabsicht noch bejaht werden kann.