BFH

BFHI R 57/9420.12.1995

Amtlicher Leitsatz:

Die Frage, welche deutsche Einkommensteuer auf die i. S. des Art. 24 I Nr. 2 DBA-Schweiz aus der Schweiz stammenden Einkünfte entfällt, ist nach § 34c I 2 EStG zu beurteilen. Bei der Anwendung des § 34c I 2 EStG sind auch solche aus dem Ausland stammenden Einkünfte einzubeziehen, die im Ausland keiner Besteuerung unterlegen haben.

Normen

Art. 24 DBA
§ 34c EStG

 

Tatbestand:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann. Die Eheleute wurden in den Streitjahren 1978 und 1979 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Sie erzielten in 1978 u. a. Zinserträge aus der Schweiz in Höhe von 7 863 DM, die in der Schweiz keiner Steuer unterworfen waren bzw. für die die in der Schweiz ursprünglich einbehaltene Steuer auf Antrag der Eheleute erstattet wurde. Für 1979 betrugen die entsprechenden Zinserträge 1 336 DM. Daneben erzielten die Eheleute in 1978 aus der Schweiz Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 120 599 DM und Dividendeneinkünfte in Höhe von 54 113 DM, auf die schweizerische Steuern in Höhe von 111 870 DM entfielen. In 1979 erzielten die Eheleute Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Dividenden aus der Schweiz in Höhe von 131 038 DM. Darauf entfielen schweizerische Steuern in Höhe von 107 663 DM.

In den Einkommensteuerbescheiden 1978 und 1979 vom 10. November 1980 und vom 2. Februar 1981 ermäßigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die festzusetzende Einkommensteuer durch Anrechnung der schweizerischen Steuern gemäß § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Dabei ermittelte es den Höchstbetrag der anzurechnenden schweizerischen Steuern nach der Formel in Abschn. 213d Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1978. Als ausländische Einkünfte, die aus der Schweiz stammen, setzte es nur die Beträge in Höhe von 174 712 DM (1978) und 131 037 DM (1979) an. Bei diesen Beträgen sind die o. g. Einkünfte in Höhe von 7 863 DM (1978) und 1 336 DM (1979) nicht berücksichtigt.

Für 1978 ergab sich damit folgende Höchstbetragsberechnung:

deutsche Einkommensteuer (1 051 924 DM) x ausländische Einkünfte (174 712 DM)

Gesamtbetrag der Einkünfte (2 038 072 DM)

= 90 176 DM. Die Eheleute begehrten demgegenüber die Anrechnung von

deutsche Einkommensteuer (1 051 924 DM) x ausländische Einkünfte (182 575 DM)

Gesamtbetrag der Einkünfte (2 038 072 DM)

= 94 233 DM.

Für 1979 ist das FA entsprechend verfahren.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage der Klägerin statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 793 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 - DBA-Schweiz - (BGBl II 1972, 1022) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 30. November 1978 (BGBl II 1980, 751) und des § 34c Abs. 1 EStG.

Das FA beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23. Februar 1994 5 K 410/89 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz wird nur bei den aus der Schweiz stammenden Einkünften die in Übereinstimmung mit dem DBA-Schweiz erhobene und nicht zu erstattende schweizerische Steuer nach Maßgabe der Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern auf den Teil der deutschen Einkommensteuer angerechnet, der auf diese Einkünfte entfällt. Dazu ist davon auszugehen, daß Einkünfte i. S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz dann aus der Schweiz stammen, wenn sie im DBA-Schweiz entweder als solche definiert werden oder wenn der Schweiz für sie ein Quellenbesteuerungsrecht zusteht. Für die im Streitfall interessierenden Zinsen folgt aus dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 DBA-Schweiz, daß sie auch dann aus der Schweiz stammen, wenn sie dort auf Grund der Abkommensregelung steuerfrei zu stellen sind. Für die im Streitfall interessierenden Dividenden folgt aus Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz, daß der Schweiz ein Quellenbesteuerungsrecht zusteht und sie deshalb aus der Schweiz stammen. Für die im Streitfall interessierenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung folgt aus der Regelung des Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz, daß sie von der Schweiz besteuert werden dürfen und deshalb aus der Schweiz stammen.

2. Bei der Bestimmung der deutschen Einkommensteuer, die auf die i. S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz aus der Schweiz stammenden Einkünfte entfällt, ist davon auszugehen, daß gemäß § 2 Abs. 6 EStG die deutsche festzusetzende Einkommensteuer aus dem Saldo der tariflichen Einkommensteuer und der Steuerermäßigungen besteht. Aus der Überschrift zum V. Teil des EStG folgt, daß die Anrechnung ausländischer Steuern gemäß § 34c EStG dem Bereich der Steuerermäßigungen zuzuordnen ist. Die Anrechnung setzt deshalb bei der tariflichen und nicht bei der festgesetzten Einkommensteuer an. Die tarifliche Einkommensteuer wird jedoch nicht von den Einkünften, sondern von dem zu versteuernden Einkommen erhoben (§ 2 Abs. 5 EStG). Die in § 2 Abs. 3 bis 5 EStG genannten Abzugsbeträge (Altersentlastungsbetrag, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Sonderfreibeträge und sonstige vom Einkommen abzuziehende Beträge) lassen sich nicht bestimmten Einkünften zurechnen.

Entsprechend kann auch die tarifliche Einkommensteuer nicht ohne weiteres einzelnen Einkünften zugerechnet werden. Dies gilt erst recht mit Rücksicht auf den progressiven Tarif der Einkommensteuer. Das EStG regelt nicht, ob die progressiv höhere oder niedrigere deutsche Einkommensteuer auf die ausländischen Einkünfte erhoben wird. Soweit Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz dennoch eine entsprechende Aufteilung vorschreibt, bedarf es einer gesetzlichen Regelung, wie die Aufteilung der deutschen Einkommensteuer vorzunehmen ist. Eine entsprechende Regelung enthält nur § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG. Aus diesem Grunde verweist auch Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz u. a. auf § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG. Zusätzlich erklärt § 68g Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) a. F. speziell § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG in den Fällen der hier interessierenden Art für anwendbar. Nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ist aber die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens (einschließlich der ausländischen Einkünfte) nach den §§ 32a, 32b, 34 und 34b EStG ergebende Einkommensteuer im Verhältnis "dieser ausländischen Einkünfte" zum "Gesamtbetrag der Einkünfte" aufzuteilen. Dabei ist der Ausdruck "diese ausländischen Einkünfte" i. S. der gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz aus der Schweiz stammenden Einkünfte auszulegen. Auf diese Einkünfte ist der "percountry-limitation-Grundsatz" anzuwenden, d. h. es sind einerseits alle und andererseits nur die aus der Schweiz stammenden Einkünfte zusammenzufassen. Sie müssen nach deutschem Steuerrecht steuerpflichtig sein. Sie sind auch im Bezug auf Einkunftsart und Höhe nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen. Entgegen der Auffassung des FG ist es unerheblich, ob eine sachliche Steuerpflicht auch in der Schweiz besteht. Die deutsche Einkommensteuer entfällt auch dann auf die aus der Schweiz stammenden Einkünfte, wenn auf ihnen keine schweizerische Steuer lastet. Dabei ist es irrelevant, aus welchem Grund in der Schweiz keine Quellensteuer erhoben wird. Dies kann gleichermaßen auf dem Fehlen einer Steuerpflicht, auf einer gesetzlichen Steuerbefreiung, auf einem Erlaß oder auf einer tatsächlichen Nichtbesteuerung beruhen.

3. Aus § 34c Abs. 2 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung folgt nichts anderes. Zwar tritt danach § 34c EStG insgesamt hinter dem DBA-Schweiz zurück. Dieses Zurücktreten wird jedoch durch die Rückverweisung in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz auf die Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuern zumindest partiell wieder aufgehoben. Zu den genannten Vorschriften gehören § 34c EStG, § 26 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 11 des Vermögensteuergesetzes (VStG). Zwar sieht Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz eine Anrechnung schweizerischer Steuern nur auf die deutsche Steuer vor, die auf die nach Abkommensrecht aus der Schweiz stammenden Einkünfte entfällt. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz regelt jedoch unmittelbar nicht, welcher Teil der deutschen Einkommensteuer auf die genannten Einkünfte entfällt. Die Vorschrift verweist insoweit auf § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG. Der Sinn der Verweisung besteht darin, daß die abkommensrechtliche Anrechnung ausländischer Steuern einerseits über die gemäß § 34c EStG nicht hinausgehen, andererseits aber auch nicht hinter derselben zurückstehen soll. Diesen Grundsatz enthält auch § 68g EStDV a. F.

4. Der Senat sieht keine Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis im Wege einer teleologisch reduzierten Auslegung des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG zu kommen. Die Rechtsauffassung des FA zielt darauf ab, zumindest für die Einkünfte i. S. des Art. 6, 10 und 11 DBA-Schweiz jeweils gesonderte Höchstbetragsberechnungen durchführen zu können (vgl. Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Vorb. System Teil II Rz. 64). Dies widerspricht jedoch dem in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz verankerten "per-country-limitation-Grundsatz", der die Zusammenfassung aller i. S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz aus der Schweiz stammenden Einkünfte gebietet. Auch im übrigen sieht § 34c EStG keine Anrechnungsbeschränkung auf die in der Schweiz auf einzelne Einkünfte erhobene Steuer vor. Dies macht das folgende Beispiel deutlich:

Beispiel:

Ein unbeschränkt Steuerpflichtiger, dessen durchschnittlicher Einkommensteuersatz im Inland 30 v. H. beträgt, erzielt aus der Schweiz Dividendeneinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die nach deutschem Steuerrecht ermittelten Dividendeneinkünfte betragen 1 000 und sind mit 15 v. H. schweizerische Steuern = 150 belastet. Die entsprechend ermittelten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betragen 500 und sind mit 50 v. H. schweizerische Steuern = 250 belastet.

In diesem Beispiel müssen für Zwecke des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG alle aus der Schweiz i. S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz stammenden Einkünfte zusammengerechnet werden (1 000+500 = 1 500). Ihnen sind alle schweizerischen Steuern gegenüberzustellen (150+250=400). Damit ergibt sich eine Durchschnittsbelastung der ausländischen Einkünfte mit schweizerischen Steuern in Höhe von nur 26,66 v. H. Die schweizerischen Steuern von 400 sind also in voller Höhe anrechenbar, obwohl die auf den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung lastende schweizerische Steuer (50 v. H.) über dem durchschnittlichen inländischen Steuersatz (30 v. H.) liegt. Es stünde jedoch mit dem "per-country-limitation-Grundsatz" des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nicht in Einklang, die aus der Schweiz stammenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu isolieren und insoweit die deutsche Einkommensteuer, auf die die schweizerische Steuer angerechnet werden kann, auf 30 v. H. von 500=150 zu begrenzen. Mit anderen Worten ist dem "per-country-limitation-Grundsatz" systemimmanent, daß niedrig besteuerte Einkünfte, die aus einem ausländischen Staat stammen (im Beispiel: Dividenden), dann den Betrag der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden deutschen Steuer erhöhen, wenn der Steuerpflichtige gleichzeitig hochbesteuerte Einkünfte aus demselben Staat erzielt. Was für die im Ausland niedrig besteuerten Einkünfte gilt, muß auch für die im Ausland nicht besteuerten Einkünfte gelten. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG unterscheidet nicht danach, ob die aus der Schweiz stammenden Dividendeneinkünfte mit 15 v. H., 5 v. H. oder O v. H. schweizerischer Steuern belastet sind (vgl. Krabbe, Betriebs-Berater 1980, 1146, 1148; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Art. 23 Rz. 168).

5. Die getroffene Entscheidung steht im Einklang mit Art. 23 Nr. 60 OECD-Musterkommentar. Danach entspricht es dem Wesen des Musterabkommens, daß es keine Einzelheiten über die Berechnung des Anrechnungsbetrages und die praktische Durchführung der Anrechnung enthält. Der Senat versteht die in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz enthaltene Verweisung auf die Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern dahin, daß sich die Einzelheiten über die Berechnung des Anrechnungsbetrages nach § 34c EStG richten sollen. Die getroffene Entscheidung entspricht auch insoweit dem Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz, als dort der "per-country-limitation-Grundsatz" ausdrücklich verankert ist. Ihr steht der Eingangssatz zu Art. 24 Abs. 1 DBA-Schweiz nicht entgegen. Tatsächlich unterlagen nämlich die Dividendeneinkünfte einer Doppelbesteuerung. Es war nur darüber zu entscheiden, inwieweit die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der schweizerischen Steuer zu vermeiden.

6. Die Vorentscheidung entspricht im wesentlichen den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie verletzt kein Bundesrecht. Die Revision war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

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