BFH

BFHII R 51/928.2.1995

Amtlicher Leitsatz:

Weder das Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf noch der damit verbundene Übergang des Eigentums an dem auf dem Erbbaurecht von dem Erbbauberechtigten errichten Bauwerk auf den Grundstückseigentümer unterliegen der Grunderwerbsteuer.

Normen

§ 1 GrEStG

 

Tatbestand:

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 6. Dezember 1962 hatte die C-GmbH (GmbH) zugunsten des Herrn P an einem unbebauten Grundstück ein Erbbaurecht bestellt. Der Erbbauberechtigte war berechtigt und verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück ein Bürogebäude nach den von der GmbH gebilligten Bauplänen zu errichten und instand zu halten. Ein Erbbauzins sollte nicht erhoben werden. Das Erbbaurecht begann mit der Eintragung in das Grundbuch und sollte am 1. Januar 1985 erlöschen. Beim Erlöschen des Erbbaurechts sollte der Erbbauberechtigte keinerlei Anspruch auf Entschädigung bzw. Vergütung erhalten.

Die Bestellung des Erbbaurechts wurde dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt; Grunderwerbsteuer wurde nicht festgesetzt. Das auf dem Erbbaurecht erstellte Bürogebäude wurde an eine Schwestergesellschaft der GmbH vermietet. Mit dem Erlöschen des Erbbaurechts ging das Gebäude entschädigungslos auf die GmbH über.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte das Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf als Erwerbsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Er berief sich dabei auf Tz. 1.3.3. i. V. m. Tz. 5.2.2. des koordinierten Ländererlasses der Finanzbehörde Hamburg vom 3. Juli 1985 (vgl. nunmehr auch koordinierter Ländererlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 30. August 1994, Deutsches Steuerrecht 1994, 1655). Für die Bemessung der Grunderwerbsteuer ermittelte das FA den anteiligen Einheitswert des Gebäudes einschließlich des Wertes der Außenanlagen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 1 und 2 GrEStG) und setzte durch Bescheid vom 4. Dezember 1987 Grunderwerbsteuer fest; der Einspruch blieb erfolglos; mit der Einspruchsentscheidung vom 8. März 1990 erhöhte das FA die Grunderwerbsteuer auf ... DM.

Auf die von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) als Rechtsnachfolgerin der GmbH eingelegte Klage hob das Finanzgericht (FG) den Grunderwerbsteuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf, weil weder im Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf noch in dem damit verbundenen Übergang des Gebäudes auf den Grundstückseigentümer ein Rechtsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 gesehen werden könne. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 553 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983. Wenn, so trägt das FA vor, die rechtsgeschäftliche Bestellung des Erbbaurechts, die sich nach § 873 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch Einigung und Eintragung vollziehe, vom Bundesfinanzhof - BFH - (Urteil vom 28. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223) wie eine Übertragung des Eigentums auf einen Erwerber behandelt werde, obwohl das Erbbaurecht (und die Erbbauberechtigung) in diesem Fall nicht durch Übertragung, sondern originär in der Person des Erbbauberechtigten entstehe, sei es zwingend, auch den Vorgang des Erlöschens des Erbbaurechts wie eine Rückübertragung des Erbbaurechts auf den Eigentümer zu behandeln. Dies entspreche auch der Argumentation des BFH im Urteil vom 31. März 1976 II R 93/75 (BFHE 118, 480, BStBl II 1976, 470), in dem er es als folgerichtig angesehen habe, daß die rechtsgeschäftliche Aufhebung des Erbbaurechts grunderwerbsteuerpflichtig sei, wenn die Entstehung des Erbbaurechts der Grunderwerbsteuer unterliege. Dem FG sei zwar zuzustimmen, daß es beim Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf bei rein zivilrechtlicher Betrachtung an einem Übergang der Erbbauberechtigung i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 fehle; diese könne jedoch grunderwerbsteuerrechtlich nicht übernommen werden, weil aufgrund der dargestellten Gleichstellung des Entstehungsvorgangs mit einem Übertragungsakt auch der spiegelbildliche Vorgang des Erlöschens wie eine rechtsgeschäftliche Übertragung zu werten sei. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung ergäben sich in den Fällen des Erlöschens des Erbbaurechts keine Unterschiede, ob es auf einer rechtsgeschäftlichen Aufhebung oder aber auf dem Ablauf der vereinbarten Laufzeit des Erbbaurechts beruhe. In beiden Fällen fließe dem Eigentümer ein erheblicher Wertzuwachs in Gestalt des Bauwerks zu.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie meint, daß der Auffassung des FA nur gefolgt werden könne, wenn der Wegfall des Erbbaurechts durch ein Rechtsgeschäft ausgelöst werde, das auf die Aufhebung des Erbbaurechts gerichtet sei. Das vereinbarungsgemäße Erlöschen des Erbbaurechts sei dagegen kein grunderwerbsteuerrechtlich relevanter Vorgang, weil es in diesem Fall an einem Rechtsvorgang überhaupt mangele. Der Übergang des Eigentums an dem Gebäude könne nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen, weil es sich nicht um einen Gegenstand der Grunderwerbsteuer nach § 2 GrEStG 1983 handle. Irrelevant sei, ob insoweit dem Eigentümer ein Wert zuwachse.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Festsetzung der Grunderwerbsteuer durch das FA aufgehoben. Weder das Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf noch der damit verbundene Übergang des Eigentums an dem in Ausübung des Erbbaurechts von dem Erbbauberechtigten errichteten Bauwerk auf den Grundstückseigentümer (§ 12 Abs. 3 der Verordnung über das Erbbaurecht - ErbbauV -) unterliegen der Grunderwerbsteuer.

1. Das Erbbaurecht ist das - regelmäßig zeitlich befristete (vgl. § 27 ErbbauV) - veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 Abs. 1 ErbbauV). Mit der Belastung des Grundstücks durch die Einräumung des dinglichen Gebrauchs- und Nutzungsrechts (§ 1 Abs. 1 ErbbauV) durch die eigentümerähnliche Erbbauberechtigung (§§ 11, 14 ErbbauV) wird für deren Dauer die Vollherrschaft an der Grundstücksfläche in Eigentum und Erbbauberechtigung gespalten. Dem Erbbauberechtigten steht für die Dauer seines Rechts eine eigentümerähnliche Form der Herrschaft an der Grundstücksfläche zu (BFH-Urteil in BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223; vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Dezember 1979 II R 122/76, BFHE 129, 223, BStBl II 1980, 136).

2. Grunderwerbsteuerrechtlich wird das Erbbaurecht durch § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 einem Grundstück gleichgestellt. Demzufolge unterliegen die Begründung eines neuen und die Übertragung eines bestehenden Erbbaurechts ebenso der Grunderwerbsteuer (BFH-Urteil in BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223) wie die, diesen beiden Gestaltungen vergleichbare Verlängerung (§ 27 Abs. 3 ErbbauV) eines bestehenden Erbbaurechts (Senatsurteil vom 18. August 1993 II R 10/90, BFHE 172, 122 , BStBl II 1993, 766).

Entgegen der Auffassung des FA liegt im Streitfall keine Gestaltung vor, die den den genannten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten entsprechen würde. Im Falle des Erlöschens des Erbbaurechts infolge Zeitablaufs räumt der Erbbauberechtigte dem Grundstückseigentümer insbesondere keine ihm (noch) zustehende Berechtigung an dem Erbbaurecht ein. Es erlischt vielmehr mit dem Eintritt des Endtermins (§ 27f. ErbbauV), weil es dem Erbbauberechtigten von vornherein nur mit diesem Inhalt eingeräumt worden war (Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 23; vgl. auch Fischer in Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 2 Tz. 137). Das Erbbaurecht ist mit dem zu seinem Inhalt gehörenden Zeitablauf beendet; es ist damit "verbraucht". Ein Übergang einer Erbbauberechtigung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 auf den Grundstückseigentümer findet nicht statt.

Hierin liegt auch, wie das FG zutreffend erkannt hat, der rechtlich erhebliche Unterschied zu der vom FA als Vergleichsfall angeführten rechtsgeschäftlichen Aufhebung des Erbbaurechts (§ 26 ErbbauV; BFH-Urteil in BFHE 118, 480, BStBl II 1976, 470), denn nach der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Gestaltung des Sachverhalts war das Erbbaurecht noch nicht beendet; der Erbbauberechtigte verzichtete aber auf seine noch bestehende Berechtigung an dem Grundstück i. S. des § 1 Abs. 1 ErbbauV zugunsten des Grundstückseigentümers, der seinerseits das Vollrecht über sein Grundstück (erst) aufgrund des Verzichts des Erbbauberechtigten erlangte.

Dem Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf kommt nicht deshalb die Bedeutung eines der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgangs zu, weil der Grundstückseigentümer dem Erbbauberechtigten eine Entschädigung für das Bauwerk zu leisten hat (§ 27 Abs. 1 Satz 1 ErbbauV) oder weil, wie im Streitfall zulässigerweise (§ 27 Abs. 1 Satz 2 ErbbauV) vereinbart, das Bauwerk entschädigungslos auf den Eigentümer übergeht, ihm also dessen Wert zufließt. Das FA verkennt bei seiner hierauf gestützten Argumentation, daß sich die Frage, ob ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang gegeben ist, anhand der - im Streitfall nicht erfüllten - Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 GrEStG 1983 entscheidet und nicht danach, ob an einen Vorgang ein Wertzufluß geknüpft ist, der ggf. zu entschädigen ist.

3. Auch hinsichtlich des Bauwerks selbst ergibt sich, wie das FG mit zutreffenden Gründen ausgeführt hat, kein Vorgang, der gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 27. März 1985 II R 37/83, BFHE 143, 379, BStBl II 1985, 526) der Grunderwerbsteuer unterliegt. Das von dem Erbbauberechtigten in Ausübung seines Rechts (§ 1 Abs. 1 ErbbauV) errichtete Bauwerk ist kein Gebäude auf fremden Boden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983; BFH-Urteil in BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223). Der Erbbauberechtigte errichtet das Bauwerk im Verhältnis zum Grundstückseigentümer nicht auf fremdem, sondern auf "eigenem" Boden, nämlich "auf dem Erbbaurecht"; das aufgrund des Erbbaurechts errichtete Bauwerk wird wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (§ 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ErbbauV, § 94 BGB). Als solcher geht das Bauwerk beim Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf nicht aufgrund einer Verwertungsbefugnis des Erbbauberechtigten i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 auf den Grundstückseigentümer über. Vielmehr tritt eine - der Vorschrift des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 entzogene - andere Zuordnung des Bauwerks zum Grundstück ein. Das Bauwerk als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts wird unmittelbar kraft Gesetzes mit dem Erlöschen des Erbbaurechts wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 12 Abs. 3 ErbbauV, § 94 BGB) und damit (rechtliches) Eigentum des Grundstückseigentümers (§§ 903, 94, 93 BGB; vgl. hierzu auch BFH-Urteil in BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223).

Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil beruht auf § 90 Abs. 2, die Kostenentscheidung auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.

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