Normen
§ 4 Abs. 4 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ab 1976 ein medizinisches Behandlungsinstitut. Sie ermittelte ihren Gewinn bis zum 31. Dezember 1977 durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ab 1. Januar 1978 ging sie nach ihrem Bekunden zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) über. Eine Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 1978 konnte nicht vorgelegt werden. Die Klägerin verbuchte die Geschäftsvorfälle ab Beginn des Jahres 1978 in einem Amerikanischen Journal, so auch Wertpapierkäufe.
Die Klägerin erwarb am 28. Juli 1978 Wertpapiere für 59 470,94 DM und am 15. August 1978 für 22 494,63 DM. Die Beträge wurden im Amerikanischen Journal jeweils in der letzten Spalte mit den Zusätzen "... Wohnungsbau" im Soll verbucht. Die letzte Spalte des Journals enthielt die vorgedruckte Überschrift "verschiedene Konten". Handschriftlich war dem hinzugefügt: "Zinseinnahmen, Versicherung, Verschiedenes, Schulgeld, Priv., Tilgung". Im Haben wurde jeweils das Konto der A-Bank belastet. Die Wertpapiere wurden in der am 4. September 1980 erstellten Bilanz zum 31. Dezember 1978 als "Wertpapiere des Umlaufvermögens" mit 81 965,57 DM ausgewiesen. Im Mai 1979 wurden nochmals Wertpapiere für 7 308,11 DM erworben und in der gleichen Weise verbucht. Zinserträge von 2 304,01 DM für 1979 erklärte die Klägerin als Einnahmen aus Kapitalvermögen. In der Bilanz zum 31. Dezember 1979 waren als "Wertpapiere des Umlaufvermögens" 89 273,68 DM aktiviert. Die Klägerin veräußerte diesen Bestand am 26. März 1980 für 71 022,96 DM. Den Veräußerungsverlust von 18 250,72 DM machte sie im Streitjahr 1980 gewinnmindernd geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte nach einer Außenprüfung den Verlust nicht an (Änderungsbescheid vom 8. Mai 1984 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt: Die 1978/79 angeschafften Wertpapiere seien nicht gewillkürtes Betriebsvermögen geworden. Die Wertpapiere seien zwar geeignet gewesen, den Betrieb der Klägerin zwecks Kapitalverstärkung oder Liquiditätsverbesserung zu fördern. Es hätten jedoch die buchmäßigen Voraussetzungen nicht vorgelegen. Die Klägerin habe die Anfangsbilanz zum 1. Januar 1978 nicht vorgelegt. Deswegen könne kein ordnungsmäßiger Übergang von der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zum Betriebsvermögensvergleich festgestellt werden; im Rahmen der Gewinnermittlungsart des § 4 Abs. 3 EStG sei jedoch die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens nicht möglich. Der Ausweis der Wertpapiere in der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1978 sei ohne Bedeutung. Diese Bilanz sei verspätet erst am 4. September 1980 erstellt worden, dies überdies erst nach Veräußerung der Wertpapiere. Selbst wenn man einen ordnungsmäßigen Übergang zum Betriebsvermögensvergleich annehme, lasse die Einbuchung in der letzten Spalte des Amerikanischen Journals nicht eindeutig erkennen, daß die Wertpapiere dem betrieblichen Bereich hätten zugeordnet werden sollen. Zwar seien die Erwerbspreise von dem betrieblichen Girokonto beglichen worden. Dies sage jedoch nichts über die betriebliche oder private Zuordnung aus. In dem Journal seien auch private Vorgänge festgehalten worden. Diese Würdigung werde dadurch bestätigt, daß die Klägerin die Zinseinnahmen aus den Wertpapieren für 1979 als privat erklärt habe (§ 20 EStG).
Die Klägerin macht mit der Revision geltend: Entgegen der Auffassung des FG könne auch im Rahmen der Gewinnermittlungsart des § 4 Abs. 3 EStG gewillkürtes Betriebsvermögen gebildet werden. Die Voraussetzungen hierfür lägen vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und einen Verlust von 18 250 DM bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die von der Klägerin 1978/79 erworbenen Wertpapiere sind weder notwendiges noch gewillkürtes Betriebsvermögen. Der Verlust aus der Veräußerung der Papiere im Jahre 1980 mindert demzufolge nicht den gewerblichen Gewinn 1980.
Die Wertpapiere gelangten nicht in das notwendige Betriebsvermögen. Sie waren, wie auch die Klägerin einräumt, nicht zum unmittelbaren Einsatz in den Betrieb bestimmt. Dem steht nicht entgegen, daß die Wertpapiere mit betrieblichen Geldmitteln erworben wurden. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die für notwendiges Betriebsvermögen eingetauschten Wirtschaftsgüter zunächst (notwendiges) Betriebsvermögen bleiben, bis sie entnommen werden (Urteile vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424; vom 9. August 1989 X R 20/86, BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128), gilt nicht für den entgeltlichen Erwerb von Wirtschaftsgütern mit betrieblichen Geldmitteln.
Auch gewillkürtes Betriebsvermögen kommt nicht in Betracht.
Das FG hat eingehend begründet, warum der von der Klägerin auf den 1. Januar 1978 angestrebte Übergang von der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu derjenigen des § 5 EStG nicht eingetreten sein könne. Hiervon ausgehend hat es die Klage mit der (Erst-) Begründung abgewiesen, Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG könnten kein gewillkürtes Betriebsvermögen bilden (ständige BFH-Rechtsprechung: Urteile vom 13. März 1964 IV 158/61 S, BFHE 79, 605, 611 f., BStBl III 1964, 455; vom 12. Februar 1976 IV R 188/74, BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663; vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, 22, BStBl II 1983, 101; Abschn. 17 Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990). Diese Rechtsprechung wird im Schrifttum zunehmend kritisiert (Wassermeyer, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft - DStJG - 3.1980, 315, 328 ff.; Söffing, Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 1980/81, 451, 516 ff.; Woerner, StbJb 1989/90, 207, 229 ff.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., 1993, § 4 Anm. 34d; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 RdNrn. D 154 ff.). Auch der Senat trägt Bedenken, ihr zu folgen. Die Gewinnermittlungsarten des § 4 Abs. 3 EStG und des § 4 Abs. 1, § 5 EStG können nur dann zu gleichen Ergebnissen führen, wenn das Betriebsvermögen in allen Gewinnermittlungsarten nach gleichen Grundsätzen bestimmt wird. Auch setzt bei der Betriebsveräußerung oder -aufgabe ein reibungsloser Übergang zum Betriebsvermögensvergleich (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG) voraus, daß im Umfang des Betriebsvermögens keine Änderung eintritt.
Diese Frage braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Auch wenn die Erstbegründung des FG die Klageabweisung nicht tragen sollte, wäre die Klage mit der weiteren Begründung des FG abzuweisen.
Wer Wirtschaftsgüter, die objektiv zur Förderung des Betriebs geeignet sind, dem Betrieb zuordnen (widmen) möchte, muß diesen Willen unmißverständlich bekunden. Diese Voraussetzung gilt sowohl für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG als auch für eine Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, falls diese Gewinnermittlungsart in die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens einzubeziehen wäre. Das FG spricht von der "buchmäßigen" Voraussetzung für die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens. Der Senat hat für den Fall der Aufhebung gewillkürten Betriebsvermögens durch Entnahme ein Verhalten des Steuerpflichtigen gefordert, das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen "unmißverständlich" löst; es bedürfe indes nicht stets einer buchmäßigen Darstellung der Entnahme; es könne "auch ein anderes schlüssiges Verhalten genügen" (BFHE 158, 316, 319, BStBl II 1990, 128). Gleichermaßen ist für den hier vorliegenden Fall der erstmaligen Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen (bei erstmaligem Erwerb oder bei Einlage) zu fordern, daß die Zuordnung zum Betriebsvermögen unmißverständlich in einer solchen Weise kundgemacht wird, daß ein sachverständiger Dritter - z. B. ein Betriebsprüfer (§ 145 Abs. 1 AO 1977) - ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die Zugehörigkeit des erworbenen oder eingelegten Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen erkennen kann. Der Zuordnungsakt muß sich nicht aus dem eigentlichen Buchführungswerk ergeben. So kann die zeitnahe Aufnahme des erworbenen Wirtschaftsguts in das betriebliche Bestandsverzeichnis (Abschn. 31 EStR 1990) ausreichen und sich im Falle einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sogar anbieten.
Im Streitfall kommen als Akte der Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen lediglich die zeitnahen Eintragungen der Wertpapierkäufe in dem Amerikanischen Journal in Betracht. Andere Zuordnungsakte scheiden aus. Die nicht vorgelegte Anfangsbilanz zum 1. Januar 1978 konnte naturgemäß noch nicht die Wertpapiere enthalten, die erst später erworben wurden. Die nachfolgende Bilanz zum 31. Dezember 1978 enthält zwar die 1978 erworbenen Wertpapiere. Die Aufnahme der Papiere in diese Bilanz ist indessen belanglos, weil die Bilanz erst nach der Veräußerung der Wertpapiere erstellt wurde. Auch ist die Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung 1978, die sich zweifellos aus der Nichtvorlage der Anfangsbilanz und der verspäteten Erstellung der Schlußbilanz ergibt (dazu BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227), ohne Einfluß auf den Zuordnungsakt. Die Zuordnung ist unabhängig von der Ordnungsmäßigkeit des Buchführungswerks zu beurteilen.
Das Amerikanische Journal ist eine Buchführungsform, die die Grund- und Sachbuchungen in einem Buch zusammenfaßt (Mathiak in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 5 RdNr. A 294). Einerseits wird sie den Erfordernissen der doppelten Buchführung in einer unmittelbar einsichtigen Weise gerecht. Andererseits hat sie den nicht behebbaren Nachteil, daß die Zahl der einführbaren Sachkonten begrenzt ist, weil das Journal selbst im Breitformat nicht beliebig erweitert werden kann (Mathiak, a. a. O.). Selten vorkommende Geschäftsvorfälle werden durchweg in der sog. letzten Spalte, einem ungegliederten Sachkonto, verbucht (zur Bedeutung der letzten Spalte des Amerikanischen Journals im Hinblick auf die Aufzeichnungspflicht des § 4 Abs. 7 EStG vgl. BFH-Urteil vom 19. August 1980 VIII R 208/78, BFHE 131, 370, BStBl II 1980, 745). Die Aufgliederung läßt sich erst im Rahmen der Abschlußbuchungen nachholen, wenn die Buchungsbeträge entsprechend den Zusatzangaben in der letzten Spalte sachlich auf die Positionen der Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung oder auf die Entnahmen oder Einlagen verteilt werden.
Hiervon unterscheidet sich das von der Klägerin geführte "Amerikanische Journal" darin, daß es als Geldrechnung gestaltet ist. Es läßt entgegen dem zwingenden Erfordernis des Betriebsvermögensvergleichs die Forderungen und Verbindlichkeiten außer Ansatz. Diesem Mangel soll nach Auffassung der Klägerin dadurch begegnet werden, daß die Forderungen und Verbindlichkeiten im Jahresabschluß "zugebucht" werden. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Eine Gewinnermittlung nach § 5 i. V. m. § 4 Abs. 1 EStG setzt voraus, daß sich die Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 145 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, § 238 Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Auch diese Aufzeichnungen sind "zeitgerecht" vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 AO 1977, § 239 Abs. 2 HGB). Die Ausnahmeregelungen des Abschn. 29 Abs. 2 Nrn. 2 und 4 EStR 1990 sind weder dargetan noch ersichtlich. Man wird das von der Klägerin geführte Amerikanische Journal als eine Einnahmeüberschußrechnung, angereichert um Elemente des Betriebsvermögensvergleichs, ansprechen können. Der Mangel berührt allerdings, für sich genommen, wiederum nur die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, nicht auch die Frage, ob die Klägerin in der letzten Spalte ihres Amerikanischen Journals die Wertpapierkäufe dem betrieblichen Bereich zugeordnet hat.
Dies ist mit dem FG zu verneinen. Der Wertpapierkauf vom 28. Juli 1978 war wie folgt dokumentiert: Vorgang 28. Juli "Effekten"; Sollbuchung letzte Spalte "59 470,94 DM ... Wohnungsbau"; Habenbuchung Konto A-Bank 59 470,94 DM. Diese und die gleichlautenden anderen Buchungen anläßlich der Wertpapierkäufe lassen nicht unmißverständlich erkennen, daß die Wertpapiere dem betrieblichen Bereich zugeordnet werden sollten. Die Bezeichnung des Vorgangs mit "Effekten" ist neutral. Die Sollbuchung in der letzten Spalte nennt lediglich die Art der gekauften Wertpapiere, ohne einen Hinweis auf ihre Zuordnung zum Betriebsvermögen zu geben. Da die letzte Spalte auch und überwiegend Entnahmen enthält, wäre für eine betriebliche Zuordnung eine nähere Kennzeichnung erforderlich gewesen. Unmißverständlich wäre z. B. eine Sollbuchung, die bereits den Bilanz-Aktivposten bezeichnet (betriebliche Finanzanlagen u. a. ), in den die Aufwendung eingehen soll. Die Herkunft der Erwerbsmittel von einem betrieblichen Girokonto (hier Habenbuchung) ist ohne Bedeutung für die Zuordnung des erworbenen Wirtschaftsguts.
Unerheblich ist der Einwand der Klägerin, sie habe alle privaten Bewegungen, die über das betriebliche Girokonto gelaufen seien, mit dem Vermerk "privat" versehen; die Wertpapierkäufe, die nicht derartig gekennzeichnet worden seien, seien demnach dem Betrieb zuzuordnen. Die Klägerin verkennt, daß nur ein solches Buchungsverhalten gewillkürtes Betriebsvermögen begründen kann, das einem sachverständigen Dritten unmißverständlich ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die betriebliche Zuordnung einsichtig macht. Hieran fehlt es, wenn der sachverständige Dritte sich erst bei dem Steuerpflichtigen über den Sinn bestimmter Erklärungen kundig machen muß.