Normen
§ 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG
Tatbestand:
In der Einkommensteuererklärung 1988 begehrte der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der von Beruf Anzeichner ist, den Abzug von Aufwendungen für das Waschen der von ihm als Berufswäsche bezeichneten Kleidung wie Latzhosen, Jacke, Hemden, Unterwäsche, Socken und Handtücher als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Berufswäsche ist wöchentlich zusammen mit sonstiger Wäsche in der privaten Waschmaschine gewaschen worden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Werbungskostenabzug ab.
Die hiergegen vor dem Finanzgericht (FG) erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FG aus: Aufwendungen für die Anschaffung und Reinigung der vom Kläger getragenen bürgerlichen Kleidung (Hemd, Jacke, Unterhosen, Socken) seien nicht als Werbungskosten abziehbar. Auch die geltend gemachten Kosten für die Reinigung der typischen Arbeitskleidung (Latzhosen) seien wegen des in § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelten Aufteilungs- und Abzugsverbots nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. Es könne dahinstehen, ob überhaupt eine eindeutige und leichte Abgrenzbarkeit der auf den einzelnen Waschgang entfallenden Kosten für Strom, Wasser und Waschmittel gegeben sei. Denn die Kläger hätten bei den von ihnen angegebenen zwei Waschgängen pro Arbeitswoche sowohl die bürgerliche Kleidung als auch die Arbeitskleidung (2 Latzhosen pro Woche) gemeinsam in einer Maschine gewaschen. Hierbei sei eine Kostenaufteilung nicht möglich.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit der Revision und führen zur Begründung aus: Die berufliche Verschmutzung der bürgerlichen Kleidung gehe über das normale Maß hinaus. Die Anwendung des in § 12 EStG geregelten Aufteilungsverbots für gemischte Aufwendungen auf die Reinigungskosten für typische Berufskleidung sei unzutreffend. Da die Höhe der Aufwendungen für die Reinigung der Arbeitskleidung nicht exakt zu ermitteln sei, hätte das FG den Kostenanteil schätzen müssen.
Die Kläger beantragen, Aufwendungen in Höhe von 172,80 DM zusätzlich als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Es sind Aufwendungen, die objektiv durch die spezifischen beruflichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen veranlaßt sind und subjektiv zur Förderung seines Berufs getätigt werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; BFH-Urteil vom 23. März 1984 VI R 182/81, BFHE 141, 18, BStBl II 1984, 557).
Aufwendungen für die Anschaffung, Instandsetzung und Reinigung von Bekleidung sind grundsätzlich nicht den Werbungskosten, sondern den gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht berücksichtigungsfähigen Kosten für die allgemeine Lebensführung zuzurechnen. Dies gilt sowohl dann, wenn die Bekleidung nahezu ausschließlich während der Berufsausübung getragen wird (BFH-Urteil vom 20. November 1979 VI R 143/77, BFHE 129, 153, BStBl II 1980, 73, zum Trachtenanzug eines Restaurant-Geschäftsführers), als auch dann, wenn die bürgerliche Kleidung durch die berufliche Tätigkeit verschmutzt worden sein sollte, es sei denn, diese Verschmutzung wäre ausnahmsweise von einer gewöhnlichen Verschmutzung nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzbar (BFH-Urteil vom 24. Juli 1981 VI R 171/78, BFHE 134, 29, BStBl II 1981, 781).
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG nur dann, wenn es sich um typische Berufskleidung handelt, also um Bekleidung, die ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufs nötig ist (wie etwa bei Uniformen, Amtstrachten, Kittel und Schutzkleidung; vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 18. April 1991 IV R 13/90, BFHE 164, 419 , BStBl II 1991, 751).
Zwar dient auch die typische Berufskleidung neben ihrer besonderen beruflichen Zweckbestimmung regelmäßig ebenfalls dem allgemeinen menschlichen Bedürfnis, bekleidet zu sein, und damit der allgemeinen Lebensführung. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG tritt der berufliche Bezug jedoch bei typischer Berufskleidung derart in den Vordergrund, daß der Bezug zur allgemeinen Lebensführung hier nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zu vernachlässigen ist. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG stellt insofern eine konstitutive Regelung dar, die die typische Berufskleidung in den Werbungskostenbereich verlagert und die Anwendbarkeit des Aufteilungs- und Abzugsverbots des § 12 EStG insoweit als spezialgesetzliche Norm verdrängt (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348, und vom 20. November 1979 VI R 143/77, BFHE 129, 153, BStBl II 1980, 73).
3. Ist ein Kleidungsstück typische Berufskleidung, so sind nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch sonstige Aufwendungen zur Instandhaltung oder zur Reinigung als Werbungskosten zu qualifizieren (Akzessorietät der Folgekosten, BFH-Urteile vom 9. März 1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519, und vom 23. Februar 1990 VI R 149/87, BFH/NV 1990, 765). Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei der Instandhaltung oder Reinigung nur Aufwendungen in einer Höhe entstehen, die ohnehin auch den Trägern gewöhnlicher bürgerlicher Bekleidung entstanden wären. Denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG läßt auch den Abzug von Kosten der Anschaffung typischer Berufskleidung zu, obwohl sie die Beschaffung sonst erforderlicher bürgerlicher Kleidung entbehrlich macht. Das Entstehen eines berufsbedingten Mehraufwands setzt das Gesetz nicht voraus. Die Folgekosten teilen vielmehr das rechtliche Schicksal der Anschaffungskosten.
4. Die Aufwendungen für die Reinigung typischer Berufskleidung können auch dann als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn sie im eigenen Haushalt anfallen. Abziehbar sind sowohl die unmittelbaren Kosten des Waschvorgangs (Wasser- und Energiekosten, Wasch- und Spülmittel), als auch die Aufwendungen in Form der Abnutzung sowie Instandhaltung und Wartung der für die Reinigung eingesetzten Waschmaschine. Dies gilt, wenn die Waschmaschine auch für die Reinigung privater Wäsche eingesetzt wird, unabhängig davon, ob die Berufswäsche gemeinsam mit Privatwäsche in einem Waschgang gereinigt wird oder in aufeinanderfolgenden Waschgängen. Denn das Aufteilungsund Abzugsverbot kann gemäß der Rechtsprechung des BFH nach seinem Sinn und Zweck in den Fällen nicht anzuwenden sein, in denen es aus Gründen der Rechtssicherheit vertretbar erscheint, an bisheriger langjähriger Rechtsprechung festzuhalten, und eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht zu befürchten ist (BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Beispielhaft hat der Große Senat auf die BFH-Urteile vom 13. April 1961 IV 54/60 U (BFHE 73, 106, BStBl III 1961, 308) sowie vom 13. März 1964 IV R 158/61 S (BFHE 79, 605, BStBl III 1964, 455) verwiesen, in denen der BFH die Aufteilung von Waschkosten zugelassen hatte, die durch die Nutzung einer privaten Waschmaschine für Praxis- und Privatwäsche entstanden waren. An dieser Rechtsprechung hat der III. Senat des BFH mit Urteil vom 25. Oktober 1985 III R 173/80 (BFH/NV 1986, 281) festgehalten. Dem folgt der erkennende Senat für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Die durch das Waschen von typischer Berufskleidung verursachten Aufwendungen können auf der Grundlage der Kosten einzelner Waschmaschinenläufe geschätzt werden, die z. B. anhand repräsentativer Daten von Verbraucherverbänden oder Herstellern ermittelbar sind. Der Senat hält eine Schätzung auch in der Form für möglich, daß ausgehend von der jährlich anfallenden Menge der zu reinigenden typischen Berufskleidung die dafür insgesamt erforderliche Zahl zusätzlicher Waschmaschinenläufe bestimmt und mit den Kosten eines Waschmaschinenlaufs vervielfältigt wird (vgl. z. B. das Urteil des FG Berlin vom 22. Oktober 1981 I 220/80, Entscheidungen der Finanzgerichte 1982, 463).
5. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Reinigungskosten für Hemden, Jacke, Unterhosen und Socken des Klägers nicht als Werbungskosten anerkannt, denn bei diesen Kleidungsstücken handelt es sich nicht um typische Berufskleidung. Auch sind klare und eindeutige Maßstäbe für die Abgrenzung der berufsbedingten Verschmutzung von der gewöhnlichen Verschmutzung nicht erkennbar. Allerdings reichen die Feststellungen des FG für eine abschließende Entscheidung hinsichtlich der Reinigungskosten für die Latzhosen nicht aus, weil das FG keine näheren Feststellungen getroffen hat, aus denen sich ergibt, ob die Latzhosen zur typischen Berufskleidung gehören.
Sollte das FG bei der erneuten Verhandlung die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG bejahen, wäre es nunmehr zu einer Schätzung der auf die Reinigung der Latzhosen entfallenden Waschkosten verpflichtet.