Normen
§ 15 Abs. 1 UStG
Tatbestand:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH - wurde 1973 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war nach zweimaliger Änderung des Gesellschaftsvertrages "die Ausübung der Systemzentrale als Franchise-Geber, die Herstellung und der Vertrieb von ..., das Eingehen von Beteiligungen an Franchise-Nehmern und von anderen Beteiligungen". In den Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre (1973 bis 1976) machte die Klägerin den Abzug von Vorsteuern geltend, die ihr zum überwiegenden Teil anläßlich der Anschaffung von Büroeinrichtung und der Inanspruchnahme eines Patentanwalts in Rechnung gestellt worden waren. Der Umsatzsteuer unterwarf sie die private Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten PKW sowie dessen Veräußerung. Weitere Umsätze führte sie in der Zeit bis zum vorläufigen Ruhen ihrer Tätigkeit ab dem Jahre 1983 nicht aus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hob mit Bescheid vom 13. Juni 1979 die - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden - Umsatzsteuerfestsetzungen für 1973 und 1974 ersatzlos auf und lehnte Festsetzungen für 1975 und 1976 ab. Das FA vertrat die Ansicht, die Klägerin sei nicht Unternehmerin, weil sie keine in den Rahmen ihres Unternehmens fallenden Umsätze getätigt habe und solche auch für die Zukunft nicht zu erwarten seien.
Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht - FG - (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 89) der Klage mit der Begründung statt, die Unternehmereigenschaft erfordere lediglich ein nach außen gerichtetes Tätigwerden zum Zwecke des späteren Bewirkens von Umsätzen. Nach außen gerichtete Vorbereitungshandlungen, die die Aufnahme einer solchen Tätigkeit erkennbar werden lassen, begründeten daher die Unternehmereigenschaft, unabhängig davon, ob zwischen der Aufnahme der Tätigkeit und den ersten Umsätzen ein großer zeitlicher Abstand liege oder ob überhaupt Einnahmen erzielt würden. Auch der erfolglose Unternehmer behalte daher die Eigenschaft bis zur Aufgabe seiner Tätigkeit. Die Klägerin sei durch Anmeldung von Warenzeichen, durch Maßnahmen zur Verwertung von Warenzeichen, durch Auseinandersetzungen mit Mitbewerbern über Markenzeichen und Firmenbezeichnung tätig geworden.
Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist Unternehmer im Sinne der sowohl für die Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 als auch für den Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980) maßgeblichen Regelung in § 2 Abs. 1 UStG 1980 nur derjenige, der Leistungen gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erbringt (Urteile vom 20. Januar 1988 X R 48/81, BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557, unter II. 3. c; vom 19. Mai 1988 V R 115/83, BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916; vom 28. September 1988 X R 6/82, BFHE 155, 204, BStBl II 1989, 122; zum UStG 1951 vgl. Urteil vom 1. Februar 1973 V R 2/70, BFHE 107, 494, BStBl II 1973, 172). Denn § 2 Abs. 1 UStG 1980 enthält die Legaldefinition eines in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 verwendeten Tatbestandsmerkmals (Unternehmer). Die letztgenannte Vorschrift wiederum ist gekennzeichnet durch den Leistungsaustausch (Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt). Diese Bestimmung des Steuergegenstands ist wegen des systematischen Zusammenhangs beider Vorschriften bei der Auslegung des § 2 Abs. 1 UStG 1980 zu berücksichtigen. Unternehmer kann folglich nur sein, wer den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 verwirklicht. Daher sind weder die bloße Absicht, entgeltliche Leistungen auszuführen, noch Handlungen, die die Ausführung entgeltlicher Leistungen vorbereiten, noch sonst andersartige "Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen" geeignet, die Unternehmereigenschaft zu begründen.
Für Vorbereitungshandlungen eines "Unternehmers", bei dem es nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung entgeltlicher Leistungen kommt, ist von dem oben bezeichneten Grundsatz keine Ausnahme zu machen.
a) Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die unternehmerische Tätigkeit bereits mit der ersten, nach außen und auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten Handlung beginnt. Vorsteuern aus Leistungsbezügen zur Vorbereitung entgeltlicher Leistungen sind bereits in dem Voranmeldungszeitraum (§ 16 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980) abziehbar, in dem dem "Unternehmer" die Rechnung mit der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer zugeht, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 vorliegen und die beabsichtigte künftige Verwendung der bezogenen Leistungen den Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1980 ausschließt (vgl. dazu Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 14. Februar 1985 Rs 268/83, EuGHE 1985, 655; Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1985, 199).
b) Der Vorsteuerabzug ist - wie im Falle noch ausstehender Verwendung i. S. von § 15 Abs. 2 UStG 1980 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521) - materiell-rechtlich vorläufig. Zwar ist nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung für jeden Besteuerungszeitraum zu prüfen, ob der Steuerpflichtige die Voraussetzungen erfüllt, unter denen eine unternehmerische Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG 1980 gegeben ist. In die Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse sind jedoch auch die Verhältnisse vor und nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum einzubeziehen (BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913, unter II. 1. c). Kommt es bei dem "Unternehmer" nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung von Leistungen gegen Entgelt und ist mit der Ausführung solcher Leistungen auch nicht mehr zu rechnen, muß das FA mangels Unternehmereigenschaft die Festsetzung der Umsatzsteuer ablehnen. Sind solche Festsetzungen bereits erfolgt, können diese ggf. entweder gemäß § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2 oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgehoben oder geändert werden.
c) Die gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs aus Vorbereitungshandlungen eines "erfolglosen Unternehmers" erhobenen Bedenken (Giesberts, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1991, 175/178; derselbe in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, § 2 Abs. 1 und 2 RdNr. 583f.; Stadie, Das Recht des Vorsteuerabzugs, S. 55) hält der Senat im Ergebnis nicht für durchgreifend. Das Umsatzsteuergesetz zielt wie jedes andere Steuergesetz auf Einnahmen zugunsten des Staates. Nach dem System des Umsatzsteuergesetzes verbleibt dem Staat die vom Unternehmer zu entrichtende Steuer (vgl. § 18 Abs. 3 und 4 UStG 1980); diese ergibt sich aus der Differenz zwischen der Steuer auf die Umsätze (§ 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG 1980) und der Vorsteuer unter Berücksichtigung von Hinzurechnungen (§ 16 Abs. 1 und 2 UStG 1980). Sie verbleibt dem Staat nur dann endgültig, wenn an einen nicht zum Abzug von Vorsteuer Berechtigten geleistet wird. Das Gesetz kann es daher nach seinem Sinn und Zweck nicht zulassen, daß die Leistungskette bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten endet, der keine Umsätze ausführt. Andernfalls würde die auf der vorherigen Stufe zu entrichtende Steuer durch den Vorsteuerabzug des letzten Leistungsempfängers vollständig aufgehoben, was dem Steuerzweck des Gesetzes widerspräche. Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 1. April 1982 Rs 89/81, EuGHE 1982, 1277, UR 1982, 246) wird der "Unternehmer ohne Leistungstätigkeit" dem Endverbraucher gleichgestellt.
Ob im Einzelfall Billigkeitsmaßnahmen zu ergreifen sind, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Erörterung.
2. Da das Urteil des FG mit den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht übereinstimmt, war es aufzuheben.
Der Senat kann durcherkennen. Die Klage war abzuweisen. Das FA hat zu Recht die Steuerfestsetzungen für 1973 und 1974 aufgehoben und Festsetzungen für 1975 und 1976 abgelehnt. Da die Klägerin keine entgeltlichen Leistungen ausgeführt hat, war sie nicht Unternehmerin. Mangels dessen konnte weder Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch entstehen, noch konnte die Klägerin den Abzug der ihr in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge (endgültig) beanspruchen.