Normen
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG
Tatbestand:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der im Jahre 1954 ein Studium an einer Fachhochschule in der Fachrichtung Bauingenieurwesen erfolgreich abgeschlossen hatte, war bis Juli 1975 nichtselbständig als Bauleiter, danach selbständig als Ingenieur tätig. Da er bei der Ausführung der angenommenen Aufträge feststellte, daß er nicht über die den aktuellen Anforderungen entsprechenden Kenntnisse verfügte, absolvierte er in den Streitjahren (1977 bis 1980) an der ... universität ein Vollstudium im Fach Bauingenieurwesen, das er 1981 mit der Diplomarbeit abschloß. Während des Studiums hielt er sein Ingenieurbüro offen und führte es nach Ende des Studiums weiter.
Der Kläger erklärte neben Umsätzen aus freiberuflicher Tätigkeit (für 1977 und 1978) und Eigenverbrauch für die Streitjahre Vorsteuerbeträge aus den ihm im Zusammenhang mit dem Studium an der ... universität entstandenen Aufwendungen (Lehrbücher, Fahrtkosten etc.).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ nach einer Außenprüfung die Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu und setzte die Umsatzsteuer für die Jahre 1977, 1979 und 1980 jeweils auf 0 DM und für 1978 auf 135 DM fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung im wesentlichen aus: Der Kläger sei in den Streitjahren Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn gewesen. Er habe durch die Gründung und Unterhaltung des Ingenieurbüros auch während des Studiums nach außen zu erkennen gegeben, daß er Umsätze habe ausführen und Einnahmen habe erzielen wollen. Mit der Fortführung des Büros habe er den Zweck verfolgt, nach außen kundzutun, daß er auch in Zukunft Ingenieuraufträge ausführen wolle. Die bezogenen Leistungen stünden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit. Er habe ausschließlich mit dem Ziel studiert, die erworbenen Kenntnisse für seine freiberufliche Tätigkeit zu verwenden. Das Studium sei nicht der privaten Lebensführung zuzuordnen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen und formellen Rechts, insbesondere von § 2 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980. Der Kläger sei - so bringt das FA vor - zumindest in den Jahren 1978 bis 1980 nicht Unternehmer gewesen; denn er habe in diesem Zeitraum keine Leistungen ausgeführt. Die 1978 versteuerten Umsätze habe er bereits früher bewirkt (Ist-Versteuerung). Die Offenhaltung des Büros während des Studiums sei ebenso unerheblich wie die Absicht, nach Abschluß des Studiums als Ingenieur Umsätze zu erzielen. Davon abgesehen, seien die bezogenen Leistungen der Privatsphäre des Klägers zuzurechnen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Entscheidung des FG, daß der Kläger hinsichtlich der für das Studium bezogenen Leistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973/1980 festgelegten Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind erfüllt. Die Leistungen, für die der Kläger den Vorsteuerabzug geltend macht, wurden für sein Unternehmen ausgeführt. Die übrigen Tatbestandsmerkmale des Vorsteuerabzugs sind unstreitig verwirklicht.
a) Der Kläger war bereits seit Mitte 1975 selbständig als Ingenieur, also unternehmerisch tätig (§ 2 Abs. 1 UStG 1973/1980). Die Unternehmereigenschaft endete nicht dadurch, daß der Kläger in den Streitjahren während seines Studiums über einen längeren Zeitraum keine Umsätze ausführte.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit in der Regel nicht bereits angenommen werden, wenn der Unternehmer vorübergehend keine Umsätze bewirkt, also keine auf Entgeltserzielung gerichteten Leistungen erbringt. Es müssen vielmehr Anhaltspunkte für die Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit vorliegen (Senatsurteile vom 13. Dezember 1963 V 77/61 U, BFHE 78, 231, BStBl III 1964, 90; vom 22. Juni 1989 V R 37/84, unter 1.c, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913). In die Prüfung der für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Unternehmerbegriffs erforderlichen tatsächlichen Umstände sind auch die Verhältnisse in den Zeiträumen vor und nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum einzubeziehen (Senatsurteil in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913, unter II.1. c).
Im Streitfall kann nicht allein aus der längerfristigen Nichtausführung von entgeltlichen Umsätzen auf die Beendigung der Unternehmereigenschaft des Klägers geschlossen werden. Mehrere Indizien sprechen für das Fortbestehen des Unternehmens, nämlich daß der Kläger nach abgeschlossenem Fachhochschulstudium und darauf gegründeter selbständiger Berufstätigkeit ein Hochschulstudium derselben Fachrichtung absolvierte, sowie daß er sein Büro während des Studiums offenhielt und nach dem Studienabschluß weiterführte.
b) Die streitbefangenen Leistungen wurden für das Unternehmen des Klägers ausgeführt.
Eine Ausführung für das Unternehmen liegt vor, wenn der Leistungsbezug im Hinblick auf seine anschließende Verwendung in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der geschäftlichen Tätigkeit des Unternehmers steht. Nach dem Prinzip des "Sofortabzugs" der in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge muß der Unternehmer bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs über dessen Zuordnung zum unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereich entscheiden. Steht die tatsächliche Verwendung noch aus, ist die Zuordnung ggf. materiell-rechtlich noch nicht abschließend. Die Zuordnung des Leistungsbezugs zum Unternehmen scheidet lediglich dann aus, wenn der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen keine Bedeutung zukommen kann bzw. wenn der Bezug der Leistung allein für die "private" (nichtunternehmerische) Nutzung bestimmt ist. Es ist nicht erforderlich, daß bezogene Leistungen sofort für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit (zur Ausführung von entgeltlichen Umsätzen) verwendet werden (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Juli 1991 Rs. C-97/90, Umsatzsteuer-Rundschau 1991, 291, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 730; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. August 1988 X R 14/82, BFH/NV 1989, 673).
Der Kläger bezog die Leistungen, für die er den Vorsteuerabzug geltend macht, für sein Unternehmen als selbständiger Ingenieur. Nach den Feststellungen des FG studierte er ausschließlich mit dem Ziel, die erworbenen Kenntnisse für seine freiberufliche Tätigkeit zu verwenden.
c) Die vorliegende Fallgestaltung gibt keinen Anlaß zu einer abschließenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob Studenten, die bisher nicht Unternehmer sind, allein im Hinblick auf eine nach Abschluß des Studiums mögliche oder beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit den Vorsteuerabzug aus den für das Studium bezogenen Leistungen geltend machen können. Diese Frage dürfte im allgemeinen zu verneinen sein (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1992 VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556: Bereich der "Lebensführung"), weil die Aufnahme einer derartigen späteren Tätigkeit regelmäßig noch von weiteren, während des Studiums nicht vorhersehbaren Umständen abhängt.