Normen
§ 15a EStG
Tatbestand:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zunächst Gesellschafter einer OHG, später persönlich haftender Gesellschafter der aus der OHG hervorgegangenen KG, bis am 1. Dezember 1972 eine Komplementär-GmbH an seine Stelle trat. Der Kläger blieb an der KG als Kommanditist beteiligt.
Seit 1975 tätigte die KG keine Umsätze mehr und erklärte am 14. Dezember 1976 gegenüber dem Amtsgericht, daß sie ihre Zahlungen eingestellt habe und nur noch ihre Liquidation betreibe. Diese wurde im Jahre 1978 abgeschlossen, wobei dem Kläger ein negatives Kapitalkonto verblieb.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte mit Gewinnfeststellungsbescheid vom 6. Juni 1984 die Einkünfte der KG für das Streitjahr 1978 mit 2 765 136 DM fest, wobei auf den Kläger laufende Einkünfte in Höhe von 113 121 DM und durch Auflösung seines negativen Kapitalkontos ein Aufgabegewinn von 1 417 897 DM entfielen.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, daß ihm kein Aufgabegewinn entstanden sei, da er nach wie vor für Verbindlichkeiten der KG persönlich und mit seinem gesamten Vermögen hafte. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt zur Begründung im wesentlichen aus, das FA habe zu Recht einen Aufgabegewinn in Höhe des negativen Kapitalkontos des Klägers festgestellt. Beim Wegfall eines durch einkommensteuerliche Verlustzurechnung entstandenen negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten ergebe sich in Höhe dieses Kapitalkontos ein steuerpflichtiger, im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe entstehender Gewinn. Etwas anderes gelte nur, soweit sich der Kommanditist für Schulden der KG verbürgt habe und er ernstlich mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse.
Im Streitfall könne es dahinstehen, ob der Kläger als ehemaliger Gesellschafter einer OHG oder aufgrund übernommener selbstschuldnerischer unbegrenzter und unbefristeter Bürgschaften für betrieblich veranlaßte Schulden hafte. Im maßgeblichen Zeitpunkt Ende 1978 habe der Kläger nicht mehr mit einer erfolgreichen Inanspruchnahme rechnen müssen, da er damals bereits eine eidesstaatliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben habe.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das FA habe ihm zu Unrecht einen Veräußerungsgewinn aus der Auflösung seines negativen Kapitalkontos zugerechnet. Er habe zum Zeitpunkt der Vollbeendigung der Mitunternehmerschaft gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft für Schulden in Höhe von 1 625 562 DM persönlich und mit seinem gesamten Vermögen gehaftet. Das FG habe diese Haftung zwar nicht in Zweifel gezogen, habe sich aber die Rechtsauffassung des FA zu eigen gemacht, daß der Kläger wegen Vermögenslosigkeit nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse. Auf die Realisierbarkeit der Forderungen könne es indessen nicht ankommen, da er jedenfalls mit den Schulden der Gesellschaft belastet bleibe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1978 dahingehend abzuändern, daß ein Aufgabegewinn des Klägers von 0 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat den Aufgabegewinn des Klägers unzutreffend ermittelt. In den Gewinn, den ein Kommanditist aus seiner Beteiligung bezieht, gehen nicht nur sein Anteil am Gesellschaftsgewinn, sondern auch seine Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben ein, die im Zusammenhang mit seiner Beteiligung entstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juli 1990 IV R 37/89, BFHE 162, 30, BStBl II 1991, 64). Nach Beendigung der Gesellschaft fortbestehende Belastungen des Klägers, die künftig zu Ausgaben führen können, sind in seiner Sonderbilanz gewinnmindernd zu berücksichtigen. Hierzu gehört die mögliche Inanspruchnahme des Klägers für Verbindlichkeiten der KG. Das FG hat zur persönlichen Haftung des Klägers keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Haftung für Verbindlichkeiten der KG durfte aber nicht mit der Begründung, der Kläger sei nicht zahlungsfähig, außer acht gelassen werden.
Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 10. November 1980 GrS 1/79 (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164) ist einem Kommanditisten, dessen gesellschaftsrechtliche Stellung sich im Innen- und Außenverhältnis nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) bestimmt, ein Verlustanteil, der zu einem negativen Kapitalkonto des Kommanditisten führen würde, nicht mehr zuzurechnen, soweit bei Aufstellung der Bilanz nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, daß ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt. Entsprechend ist der Verlust auf die persönlich haftenden Gesellschafter und auf die übrigen Kommanditisten bis zur Höhe ihrer Kapitalanteile zu verteilen.
Nach den Feststellungen des FG wurden im Streitjahr im Zuge der Liquidation sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen der KG veräußert, nachdem der Geschäftsbetrieb bereits seit längerem eingestellt war. Nach obigen Grundsätzen hatte dies zur Folge, daß das für den Kläger als Kommanditisten geführte negative Kapitalkonto fortfiel. Die steuerliche Anerkennung des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten - vor Geltung des § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) - beruht allein auf dessen Verlusthaftung mit künftigen Gewinnanteilen nach Maßgabe des Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssels der KG. Soweit feststeht, daß künftig keine Gewinnanteile mehr anfallen, entfällt diese Haftung auch dann, wenn sich der Kommanditist für Verbindlichkeiten der KG verbürgt hat (BFH-Urteil vom 18. Juni 1991 VIII R 84/87, BFH/NV 1992, 229), wodurch der Kommanditist grundsätzlich einen Aufgabegewinn erzielt. Ein solcher Aufgabegewinn entsteht aber nicht, soweit der Kommanditist von vornherein mit der Inanspruchnahme aus einer von ihm übernommenen Bürgschaft rechnen muß (BFH-Urteil in BFHE 162, 30, BStBl II 1991, 64).
Der Ermittlung des Aufgabegewinns ist das im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe vorhandene Betriebsvermögen zugrunde zu legen, in dem auch künftige Einnahmen und Ausgaben in Gestalt von Forderungen und Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind. Für einen Kommanditisten ist zu diesem Zweck eine Sonderbilanz aufzustellen, für die grundsätzlich die allgemeinen bilanzrechtlichen Vorschriften des Einkommensteuerrechts gelten (BFH-Urteil in BFHE 162, 30, BStBl II 1991, 64, m. w. N.).
Für die Ermittlung des Aufgabe gewinns gilt uneingeschränkt, daß der Kommanditist in seiner Sonderbilanz eine Rückstellung bilden muß, wenn ihm im Zusammenhang mit seiner Beteiligung eine Haftungsinanspruchnahme, insbesondere aus einer Bürgschaft, droht. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß etwaige Verpflichtungen des Klägers aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit unbeachtlich seien. Bestehende betriebliche Verbindlichkeiten sind zu passivieren, soweit es keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Gläubiger auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichtet hat, und der Schuldner dem Anspruch keine Einrede entgegensetzen wird (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 21/92, BFHE 170, 540 , BStBl II 1993, 543). Verbindlichkeiten können nicht allein deshalb gewinnerhöhend ausgebucht werden, weil der Schuldner bei Fälligkeit nicht in der Lage ist, sie zu erfüllen (L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 5 Anm. 36a, m. w. N.). Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners berührt das Bestehen der gegen ihn gerichteten Verbindlichkeiten nicht. Auch wenn der Gläubiger an der Verwirklichung seines Anspruchs gehindert ist, bessert sich die Vermögenslage des Schuldners hierdurch nicht. Der Anspruch besteht weiterhin und kann bei Wegfall der Zahlungsunfähigkeit jederzeit geltend gemacht werden.
Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger für Verbindlichkeiten der KG haftet.