BFH

BFHVI R 146/8929.4.1992

Amtlicher Leitsatz:

Aufwendungen für einen Umzug von der Zweitwohnung am Arbeitsort in die Familienwohnung, durch den eine aus beruflichem Anlaß begründete doppelte Haushaltsführung beendet wird, sind Werbungskosten. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitsplatzwechsel nicht vorliegt und private Motive zur Aufgabe des zweiten Hausstandes am Arbeitsort geführt haben.

Normen

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG
§ 12 Nr. 1 EStG

 

Tatbestand:

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) hatten ihren gemeinsamen Hausstand am Arbeitsort des Klägers in B. Die Klägerin war im Streitjahr 1983 als Realschullehrerin in S tätig. Sie unterhielt dort einen zweiten Hausstand, den sie am 31. August 1983 auflöste. Sie machte in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung die Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung sowie die Kosten für die Auflösung des zweiten Hausstandes als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte im Einspruchsverfahren die Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung an, lehnte aber die Berücksichtigung der Kosten für die Auflösung des zweiten Hausstandes am Arbeitsort ab. Zur Begründung führte er aus, berufliche Gründe seien für die Auflösung nicht erkennbar, da die Klägerin weder ihren Arbeitsplatz gewechselt habe noch die Fahrtzeit zur Arbeitsstätte verkürzt worden sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage statt. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 173 veröffentlicht.

Das FA begehrt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Klageabweisung, rügt eine Verletzung der § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG und macht geltend: Umzugskosten seien nur dann Werbungskosten, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Umzug darstelle und die Umstände der allgemeinen Lebensführung lediglich eine ganz untergeordnete Rolle spielten. Die Aufgabe der Zweitwohnung der Klägerin habe ausschließlich auf privaten Gründen beruht, da die Klägerin weder den Arbeitsplatz gewechselt noch sich ihre Fahrtzeit verkürzt habe. Der Hinweis auf den Werbungskostencharakter der Aufwendungen für die Rückfahrt von der Arbeitsstätte trage die Entscheidung des FG nicht, weil diese Aufwendungen kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) pauschaliert abziehbar seien und die Rückfahrt zwangsläufiges Durchgangsstadium für die Hinfahrt am nächsten Morgen und damit beruflich veranlaßt sei. Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, daß Kosten, die auf die Rückabwicklung beruflich veranlaßter Kosten gerichtet seien, als Werbungskosten abziehbar seien. Dies werde deutlich am Beispielsfall der Räumung einer Dienstwohnung nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Hier seien die Aufwendungen für den Wegzug, unbeschadet der beruflichen Veranlassung bei Bezug der Dienstwohnung, nur dann Werbungskosten, wenn die Räumung der Wohnung auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolge. Schließlich habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21. Juli 1989 VI R 129/86 (BFHE 158, 26, BStBl II 1989, 917) die Umzugskosten anläßlich der Beendigung der doppelten Haushaltsführung nur unter der Voraussetzung zum Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zugelassen, daß der Umzug selbst beruflich veranlaßt sei.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Im Falle einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung sind die Aufwendungen für die Aufgabe der Zweitwohnung und den Umzug in die Familienwohnung ebenso beruflich veranlaßt wie die Aufwendungen für den vorangegangenen Bezug der Zweitwohnung am Arbeitsort. Denn der Anlaß für die Rückkehr in die Familienwohnung und die dafür erforderlichen Aufwendungen liegt bereits in der Begründung des zweiten Hausstands am Arbeitsort. Deshalb erfaßt - wie die Vorinstanz zutreffend entschieden hat - der kausale Zusammenhang der beruflichen Veranlassung über die Begründung und Aufrechterhaltung der Zweitwohnung hinaus auch deren Auflösung.

Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG greift nicht ein. Vielmehr ist für die Anerkennung der Aufwendungen für den Umzug als Werbungskosten ohne Bedeutung, ob private Motive oder ein Arbeitsplatzwechsel den Steuerpflichtigen zur Rückabwicklung des doppelten Haushalts veranlaßt haben. Ebenso, wie es für die Anerkennung von Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG unerheblich ist, daß der Steuerpflichtige bei Begründung des Arbeitsverhältnisses an einem anderen Ort seine Familienwohnung aus privaten Gründen nicht an den Ort seiner Arbeitsstätte verlegt und statt dessen einen zweiten Hausstand begründet hat und aufrechterhält, ist es unerheblich, aus welchen Gründen er den zweiten Hausstand aufgeben will. Der Senat hat, zeitlich nach dem Eingang der Revisionsbegründung im Streitfall, für den Fall der Zwischenheimfahrt eines Arbeitnehmers aus Anlaß einer Dienstreise entschieden, die Motive für die Zwischenheimfahrt seien unerheblich; private Motive spielten grundsätzlich keine Rolle, wenn sie lediglich auf die Rückgängigmachung einer rein beruflich veranlaßten Beeinträchtigung der privaten Sphäre gerichtet seien (Urteil vom 15. November 1991 VI R 144/89, BFHE 166, 245, BStBl II 1992, 266, 267). Die im Streitfall vertretene Rechtsauffassung der Vorinstanz steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung, an der der Senat festhält.

Danach sind die Umzugskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar. Die Aufgabe der aus beruflichem Anlaß begründeten Zweitwohnung am Ort der Arbeitsstätte ist ebenso als Rückgängigmachung einer rein beruflich veranlaßten Beeinträchtigung der privaten Sphäre anzusehen wie eine Zwischenheimfahrt anläßlich einer Dienstreise.

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