BFH V R 112/87

BFHV R 112/8713.2.1992

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ sich am . . . Dezember 1985 bei der Bank ein "Geschäftskonto" mit einem Kreditrahmen von 20000 DM einrichten. Sie kaufte zu Lasten dieses Kontos am . . . Dezember 1985 . . . Gramm Gold zu . . . DM, . . . Gramm Gold zu . . . DM und . . . Gramm Platin zu . . . DM (insgesamt rund 20000 DM); in diesen Preisen war die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer enthalten. Am . . . Januar 1986 bzw. . . . April 1986 verkaufte sie . . . Gramm Gold bzw. . . . Gramm Platin an die . . . G zu . . . DM bzw. . . . DM und am . . . November 1986 . . . Gramm Gold an A zu . . . DM, jeweils einschließlich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. Am . . . März 1986 meldete sie bei der Stadt X einen Handel mit Edelmetallen mit Beginn 1. Januar 1986 an.

Die Klägerin machte mit der am 2. Januar 1986 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) eingegangenen Umsatzsteuervoranmeldung für das IV. Kalendervierteljahr 1985 und später mit der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 1985 die ihr gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt . . . DM als Vorsteuerbeträge geltend. Das FA versagte den Vorsteuerabzug durch den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das IV. Quartal 1985 vom 20. März 1986 und durch den Umsatzsteuerbescheid für 1985 vom 12. März 1987 und setzte die Umsatzsteuer jeweils auf 0 DM fest.

Die gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1985 gerichtete Sprungklage, der das FA zugestimmt hat, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte: Die Klägerin sei nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig geworden. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr deute auf eine unternehmerische und nicht nur vermögensverwaltende Betätigung hin. Die Klägerin habe ihre Absicht, geschäftsmäßig Edelmetalle zu kaufen und zu verkaufen, dadurch nach außen dokumentiert, daß sie sich einen Geschäftskredit habe einräumen lassen und daß sie einen Gewerbebetrieb bei der Stadt X - wenn auch erst zum 1. Januar 1986 - angemeldet habe. Der Klägerin sei darin zu folgen, daß ihr eine weitere unternehmerische Betätigung dadurch unmöglich gemacht worden sei, daß das FA ihre Unternehmereigenschaft nicht anerkannt habe. Bei Versagung des Vorsteuerabzugs und gleichzeitiger Inanspruchnahme nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 habe die Klägerin nicht mehr damit rechnen können, Gewinne zu erzielen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 15 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG 1980. Die Klägerin habe sich - so führt das FA aus - nicht wie eine Händlerin am Markt beteiligt, sondern sich wie ein Privatanleger verhalten. Auf die Motive der Klägerin beim Erwerb der Edelmetalle komme es nicht an. Das FG verletze Denkgesetze, indem es der Klägerin darin folge, daß ihr eine weitere unternehmerische Betätigung dadurch unmöglich gemacht worden sei, daß das FA ihre Unternehmereigenschaft nicht anerkannt habe. Die Klägerin hätte sich als Kleinunternehmerin behandeln lassen können. Ein Nachteil wäre ihr daraus nicht entstanden, abgesehen davon, daß sie dann den Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs. 3 UStG 1980 in der bis einschließlich 1989 geltenden Fassung nicht hätte in Anspruch nehmen können.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen.

a)

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980).

Für die Frage, ob jemand nachhaltig tätig war, ist nach dem Senatsurteil vom 18. Juli 1991 V R 86/87 (BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776) das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Die Nachhaltigkeit kann sich aus einer Reihe verschiedener Kriterien ergeben, die je nach Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit sprechen. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt insoweit eine besondere Bedeutung zu. Die Gewichtung der jeweiligen Sachverhaltselemente (Abgrenzungskriterien) ist als Teil der tatsächlichen Würdigung eine tatrichterliche Aufgabe des FG. Der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsinstanz hat nur zu prüfen, ob dem FG hierbei Rechtsverstöße unterlaufen sind (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 a.E.).

b)

Das FG ist im Streitfall in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin nachhaltig tätig war. Die Würdigung des FG war möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Das FG hat keinen wesentlichen Umstand vernachlässigt. Es hat die ermittelten Tatsachen vertretbar gewürdigt und ihre Bedeutung für die Erkenntnis einer nachhaltigen Betätigung nachvollziehbar und schlüssig gewertet.

Das FG hat die Anschaffung von mehreren Edelmetallmengen mit Bankkredit in nicht ganz unerheblicher Höhe, die Veräußerung durch mehrere Lieferungen an mehrere Abnehmer in verhältnismäßig kurzer Zeit als eine geschäftsmäßige Tätigkeit und nicht als eine nur private Vermögensverwaltung beurteilt. Es hat daraus und aus der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung am 2. Januar 1986 sowie einer Gewerbeanmeldung am 20. März 1986 den Schluß auf eine nachhaltige Tätigkeit gezogen. Daß die Klägerin kein Geschäftslokal eingerichtet hatte, das für ihre Tätigkeit nicht notwendig war, und daß sie weitere Geschäfte wegen der ungeklärten Berechtigung zum Vorsteuerabzug zunächst nicht ausgeführt hatte, brauchte das FG nicht zu einer anderen Gewichtung zu veranlassen. Für die geschäftliche Tätigkeit der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Gesamtbildes der Verhältnisse ist weiter bedeutsam, daß leicht kontrollierbar ist, ob und wieviel Edelmetall die Klägerin geliefert oder entnommen hat.

Der Streitfall weicht in entscheidungserheblicher Weise von Fällen ab, in denen jemand eine Sammlung aus privaten Neigungen aufbaut und diese oder Teile davon später veräußert (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 1987 X R 23/82, BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744 - Briefmarkensammlung -; vom 16. Juli 1987 X R 48/82, BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752 - Münzsammlung -). Ein Ankauf der Edelmetalle durch die Klägerin aufgrund persönlicher Neigung ist nicht festgestellt und liegt bei Barren, die keinen Liebhaberwert haben, fern. Die Tätigkeit der Klägerin war auf Warenumschlag (Lieferungen), nicht auf Sammeln angelegt.

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