BFH

BFHX R 148/884.10.1990

Amtlicher Leitsatz:

1. Die Zurechnungsregelung des § 39 II Nr. 2 AO 1977 erlaubt es nicht, Veräußerungsgeschäfte, die eine gesamthänderische (Unter-)Beteiligung zum Gegenstand haben, in Veräußerungsgeschäfte umzuqualifizieren, die Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte i. S. des § 23 I Nr. 1 lit. a EStG betreffen.

2. Der Erwerb und die Veräußerung von (Unter)-Beteiligungen an einer Personengesellschaft fallen auch dann nicht unter § 23 I Nr. 1 lit. a EStG, wenn das Gesamthandvermögen nur aus Grundstücken besteht.

Normen

§ 23 Abs. 1 Nr. 1a EStG
§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO

 

Tatbestand:

Aufgrund unwiderruflicher Kauferklärungen vom 5. September 1981, 28. März 1982 und 6. Mai 1982 erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) mit Wirkung vom 1. Januar 1981 bzw. 1. Januar 1982 von der X-GmbH (X) Beteiligungen im Nominalwert von insgesamt 200 000 DM an der Y-Grundstücks-Fonds KG (im folgenden: KG), einem geschlossenen Immobilienfonds, zum Preis von insgesamt 175 425 DM. Die KG - mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter - erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Alleinige Kommanditistin war die X. Sie hielt die Kommanditbeteiligung im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung treuhänderisch für die Gesamtheit aller Treugeber, die Unterkommanditisten, zu denen auch der Kläger gehörte. Nach dem zwischen dem Kläger und der X geschlossenen Treuhandvertrag war der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten nur nach Zustimmung einer Mehrheit von Treugebern (mindestens 75 v. H. des Kommanditkapitals) möglich. Der Kläger hielt die Beteiligung in seinem Privatvermögen.

Mit Schreiben vom 28. Februar 1983 bot die X ihren Treugebern an, deren Kommanditanteile zum Kurs von 125 v. H. mit Wirkung vom 1. Januar 1983 zu erwerben. Der Kläger nahm dieses Angebot an. Der Erlös von 250 000 DM wurde seinem Bankkonto am 4. März 1983 gutgeschrieben.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte einen Spekulationsgewinn in Höhe von 74 575 DM und setzte die Einkommensteuerschuld des Klägers für 1983 in dem Änderungsbescheid vom 26. November 1985 entsprechend höher fest. Der Einspruch führte zu einer Minderung des Spekulationsgewinns auf 69 121 DM, war aber im übrigen erfolglos. Das FA blieb bei seiner Meinung, die Veräußerung der Beteiligungen sei als Veräußerung eines Anteils an einem Grundstück anzusehen, so daß die Spekulationsfrist zwei Jahre betrage (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es hielt § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, auf den allein die Besteuerung des Veräußerungsgewinns gestützt werden könne, für unanwendbar, weil diese Vorschrift auf die bürgerlichrechtliche Qualifikation des veräußerten Wirtschaftsguts abstelle und ein Anwendungsfall des § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht vorliege.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es vertritt weiterhin den Standpunkt, der von ihm zuletzt errechnete Spekulationsgewinn unterliege gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG der Besteuerung, denn einkommensteuerrechtlich sei die Übertragung von Gesellschaftsanteilen als Übertragung der Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens anzusehen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, der einzigen Bestimmung, die - im Hinblick auf den zwischen Erwerb und Veräußerung liegenden Zeitraum - eine Besteuerung des Erlöses aus dem Verkauf der Unterbeteiligungen rechtfertigen könnte, liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Spekulationsgeschäfte, die zu sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Abs. 1 Nr. 2 EStG) führen, Veräußerungsgeschäfte, die Grundstücke und Rechte betreffen, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt.

1. Der hier zu beurteilende Veräußerungsvorgang betraf weder ein Grundstück noch ein grundstücksgleiches Recht i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG. Der mögliche Gegenstand eines unter diesen Besteuerungstatbestand fallenden Veräußerungsvorgangs ist zivilrechtlich bestimmt. Wie die beispielhafte Aufzählung des Erbbaurechts und des Mineralgewinnungsrechts im Klammersatz der Regelung bestätigen, kommt es insoweit allein auf die in den einschlägigen (bundesrechtlichen oder landesgesetzlichen) privatrechtlichen Vorschriften enthaltene Ausgestaltung des Rechts an, auf das sich der Veräußerungsvorgang bezieht: Dieses Recht muß unter die Vorschriften der §§ 873 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) fallen. Das aber ist bei der Übertragung einer gesamthänderischen Beteiligung grundsätzlich selbst dann nicht der Fall, wenn das Gesellschaftsvermögen nur aus einem Grundstück oder aus mehreren Grundstücken besteht. Gesamthandseigentum begründet - anders als Bruchteilseigentum - keinen sachenrechtlich faßbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens (vgl. u. a. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 15. Aufl., 1989, S. 15/16). Ein Vertrag, in dem sich jemand verpflichtet, in eine Personengesellschaft mit Grundbesitz einzutreten, aus ihr auszuscheiden, Anteile an ihr zu übertragen oder zu erwerben, enthält demgemäß keine (teilweise) Verpflichtung zur Veräußerung oder zum Erwerb von Grundstückseigentum. Dessen Verlust oder Erwerb ist vielmehr nur die gesetzliche Folge des Erwerbs oder Verlusts der gesamthänderischen Berechtigung. Die gesamthänderische Zurechnung des Gesellschaftsvermögens wird durch einen Gesellschafterwechsel nicht berührt (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 31. Januar 1983 II ZR 288/81, BGHZ 86, 367, Betriebs-Berater - BB - 1983, 660).

Diese Maßgeblichkeit zivilrechtlicher Wertung im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bedeutet, daß hier - anders als z. B. im Regelungsbereich der §§ 6 b und 16 EStG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1978 IV R 97/76, BFHE 124, 516, BStBl II 1978, 368; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., 1990, § 6 b Anm. 3 a, und Schmidt, ebenda, § 16 Anm. 81 - jeweils m. w. N. -) - ein Durchgriff durch die gesamthänderische Beteiligung auf die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens nicht stattfindet.

2. An diesem Auslegungsergebnis ändert auch § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nichts, auf den sich das FA (unter Berufung auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 23. Juni 1986 V B 4 - S 2256 - 8/86, Der Betrieb - DB - 1986, 1548; vgl. auch Schellenberger, Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 1983/1984, 121, 139) gestützt hat. Danach werden, abweichend von der allgemeinen steuerrechtlichen Zurechnung des § 39 Abs. 1 AO 1977, Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist.

a) Der Regelungsbereich des § 39 AO 1977 beschränkt sich nach Wortsinn, systematischem Zusammenhang und Gesetzeszweck auf die Zurechnung, d. h. auf die steuerrechtliche Zuordnung in persönlicher Hinsicht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., 1965/88, § 39 AO 1977 Tz. 1 und 5; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., 1951/89, § 39 AO 1977 Tz. 2 ff.).

Das gilt auch für § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977. Darin wird die allgemeine abgabenrechtliche Möglichkeit eröffnet, einzelne Besteuerungsgrundlagen oder das Ergebnis eines durch eine gesamthänderisch verbundene Mehrheit von Personen verwirklichten Steuertatbestands - soweit nach den Normen des besonderen Steuerrechts erforderlich (s. dazu unter b) - diesen Personen anteilig zuzurechnen. Die Vorschrift bietet dagegen keine gesetzliche Grundlage dafür, die objektive Seite steuerrechtlicher Tatbestandsverwirklichung umzugestalten.

b) Die in § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 angeordnete anteilige Zurechnung von Wirtschaftsgütern ist außerdem beschränkt auf Fälle, in denen eine getrennte Zurechnung von Wirtschaftsgütern für die Besteuerung erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer solchen Zurechnung muß sich aus den Einzelsteuergesetzen ergeben (Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Tz. 198 ff.; Tipke/Kruse, a. a. O., Tz. 37, jeweils m. w. N.). Im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG wird eine anteilige Zurechnung i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt (vgl. insoweit den BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762, unter Buchst. C III 3 a). Bei Veräußerungsvorgängen dagegen, die - wie hier - von einzelnen Gesellschaftern verwirklicht werden, ist die Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich.

1) Vgl. hierzu das BMF-Schreiben vom 27. Februar 1992 - IV B 3 - S 2256 - 3/92 - (BStBl I S. 125).

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