BFH

BFHIX R 70/867.8.1990

Amtlicher Leitsatz:

Anleger im Bauherrenmodell können einkommensteuerrechtlich auch dann als Erwerber des bebauten Grundstücks zu beurteilen sein, wenn sie sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließen, um das Bauvorhaben durchzuführen (Anschluß an das Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299).

Normen

§ 7 Abs. 1 S. 1 EStG
§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG
§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG
§ 21 EStG

FG Berlin

 

Tatbestand:

Die sechs Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) errichteten als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein Mehrfamilienhaus in Berlin mit sechs Wohnungen. Anfang Dezember 1980 erklärten sie den Beitritt zu der GbR und erteilten Rechtsanwalt R und dem Kläger zu 4 eine notarielle Vollmacht und den Treuhandauftrag, für sie alle Erklärungen im Zusammenhang mit dem Eintreten und Ausscheiden aus der GbR abzugeben, sowie das Grundstück zu belasten, die Finanzierungsdarlehen zu vereinbaren und im Fall der Auseinandersetzung der GbR sowie für den Fall des Ausscheidens von Gesellschaftern aus der GbR die Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) herbeizuführen. In der Beitrittserklärung ist der Geschäftsanteil jedes Klägers beziffert und bestimmt, daß dieser damit einen bestimmten Zehntausendstelanteil an dem Gesellschaftskapital erwirbt. Im Mai und Dezember 1980 schlossen die Treuhänder, die zugleich vertretungsberechtigte Geschäftsführer der GbR sind, für die Kläger den Gesellschaftsvertrag zur Errichtung der GbR. Nach dem Vertrag ist Zweck der Gesellschaft die Beplanung, die Bebauung und die Verwaltung des von der Gesellschaft erworbenen Grundstücks. Jeder Gesellschafter hält einen bestimmten Zehntausendstelanteil. Die Gesellschaftereinlagen betragen insgesamt rd. 1, 1 Mio DM. Neben den Gesellschaftereinlagen nimmt die Gesellschaft durch die Mitgesellschafter Fremdmittel auf, um die Investitionen dem Gesellschaftszweck entsprechend durchführen zu können. Dabei darf die Gesamtinvestition bis zur vollständigen schlüsselfertigen Herstellung des Gesamtbauvorhabens einschließlich der Grundstückskosten, der Baukosten, der Baunebenkosten und der Werbungskosten einschließlich Disagio rd. 3,1 Mio DM nicht überschreiten. Das Gesamtverpflichtungsvolumen jedes einzelnen Gesellschafters ergibt sich aus dem auf seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen entfallenden Anteil an der Investitionssumme im Verhältnis zur Gesamtinvestitionssumme. Die Gesellschaft besteht auf unbestimmte Zeit und endet mit Erreichung des Gesellschaftszwecks. Der Zweck ist erreicht, wenn das Bauvorhaben schlüsselfertig hergestellt ist und die gemeinschaftliche Verwaltung dieses Bauvorhabens oder von Teilen davon als Mehrfamilienhaus durch die BGB-Gesellschaft endet. Jeder Gesellschafter kann seine Beteiligung an Dritte übertragen. Die Gesellschaft hat bei Ausscheiden eines Gesellschafters nach Fertigstellung des Bauvorhabens das Recht, den ausscheidenden Gesellschafter in Sachleistung abzufinden. Die Sachleistung kann in dem zu verschaffenden Eigentum an einer bzw. mehreren Wohnungen im Gebäude bestehen, deren Quadratmeterzahl im Verhältnis zur Gesamtwohnfläche dem Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters entspricht. Die übrigen Gesellschafter sind in einem solchen Fall verpflichtet, auf ihre Miteigentumsrechte am zu übertragenden Miteigentumsanteil zu verzichten.

Am Tage des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages schlossen die Treuhänder für die GbR eine Reihe von vorformulierten Verträgen, die der Errichtung des Gebäudes dienten, nämlich

a) einen Beratungsvertrag mit dem Treuhänder R,

b) einen Vertrag über die steuerliche Beratung während der Bauzeit mit der X Treuhandgesellschaft mbH,

c) einen Wirtschaftsberatungsvertrag mit dem Kläger zu 4,

d) eine Vereinbarung über die Übernahme der Garantie für die vollständige Einzahlung der Gesellschaftereinlagen (Übernahme des Delkredere),

e) einen Vermietungsgarantievertrag,

f) einen Finanzierungsvertrag,

g) einen Baubetreuungsvertrag,

h) einen Baubewachungsvertrag und

i) einen Bauleistungsvertrag für einen Pauschalbruttopreis von rd. 1,6 Mio DM.

In dem Vertrag über die steuerliche Beratung, den die GbR mit der X Treuhandgesellschaft mbH schloß, übernahm diese Gesellschaft die steuerliche Beratung während der Bauzeit. Insbesondere verpflichtete sie sich, alle Vorbereitungen zu treffen, um die Voraussetzungen der gesetzlichen Vorschriften, der einschlägigen Erlasse und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zu erfüllen und bis zum Vermietungsbeginn die steuerliche Entwicklung, soweit sie die vorbezeichneten verfolgten wirtschaftlichen Ziele des Auftraggebers betreffen, zu beobachten, ferner, die Buchführung der Gesellschaft während der gesamten Bauphase bis zum Erstbezug zu übernehmen und die erforderlichen Abschlüsse einschließlich des Abschlusses für das Geschäftsjahr, in das die Bezugsfertigstellung des Bauvorhabens fällt, zu erstellen.

Aufgrund dieser Verträge hatte die GbR an die Vertragspartner Gebühren und Provisionen zu zahlen, u. a. für die steuerliche Beratung eine Gebühr von 78 500 DM, die am 31. Dezember 1980 fällig war.

Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr 1980 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen auf 367 538 DM fest und verteilte ihn auf die Kläger. Als ganz oder teilweise nicht sofort abziehbar behandelte das FA die Treuhandgebühren, die Steuerberatungsgebühren, die Wirtschaftsberatungsgebühren, die Gebühren für die Baubewachung und die Übernahme des Delkredere, die Vermietungsgarantie, die Baubetreuungsgebühr. Von den im Revisionsverfahren umstritten gebliebenen Steuerberatungsgebühren erkannte das FA nur 15 700 DM (20 v. H.) als sofort abziehbare Werbungskosten an und rechnete den Rest den Herstellungskosten zu, weil sich die beratende Tätigkeit ausschließlich auf die Bauphase erstreckt habe und deshalb überwiegend die steuerlichen Probleme des Herstellungsbereichs decke.

Die Anfechtungsklage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Zwischen den Beteiligten sei nicht umstritten, daß es sich bei der GbR um eine Bauherrengemeinschaft handle. Da der Gesellschaftsvertrag und die übrigen Verträge im Zeitpunkt der Beitrittserklärungen der Kläger zu der Gesellschaft noch nicht abgeschlossen gewesen seien, hätten die Kläger noch die Möglichkeit gehabt, unmittelbaren Einfluß auf die gesamte Vertragsgestaltung zu nehmen. Sie seien deshalb als Bauherren zu beurteilen. Die Steuerberatungskosten seien im Ergebnis den sofort abziehbaren Werbungskosten zuzurechnen. Die Kläger hätten glaubhaft versichert, daß die Empfängerin sich nicht mit der Konzeption des Bauherrenmodells befaßt habe. Dann verbleibe nur noch die Möglichkeit einer laufenden Steuerberatung, die zu den sofort abziehbaren Werbungskosten rechne. Das gelte auch für das Entgelt für die Übernahme der Buchführung während der Bauphase. Der Klägervertreter habe zwar in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, die Höhe der vereinbarten Steuerberatungskosten könne nicht als angemessen bezeichnet werden. Trotzdem sei der Werbungskostenabzug nicht teilweise zu versagen; denn Überlegungen zur Marktüblichkeit von vereinbarten Vertragshonoraren seien nur dann zulässig, wenn sie dazu dienten, im Schätzungswege aus einem Bündel von Leistungen das angemessene Entgelt für eine Teilleistung herauszurechnen. Dafür bestehe aber im Streitfall kein Anlaß, da die X Treuhandgesellschaft mbH den Klägern nur diese steuerberatenden Leistungen erbracht habe.

Dagegen wendet sich das FA mit seiner vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision. Es rügt die Verletzung der §§ 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. 14a Abs. 4 und 6 des Berlinförderungsgesetzes i. d. F. vom 20. April 1979 (BGBl I, 477, BStBl I, 218) - BerlinFG - sowie des § 11 Abs. 2 EStG. Die Entscheidung der Vorinstanz verletze § 11 Abs. 2 EStG, weil die vertraglich vorgesehene Leistung des Steuerberatungshonorars vor Erbringung der Leistung im höchsten Maße ungewöhnlich sei. Außerdem sei die gewählte rechtliche Gestaltung insoweit mißbräuchlich, als die Kläger für die Steuerberatungsleistungen ein höheres als das marktübliche Entgelt zu entrichten hätten. Nach der Steuerberatergebührenverordnung hätte das Steuerberaterhonorar für die Feststellungserklärungen 1980 bis 1982, für die Überschußrechnung für diese Jahre sowie für die Buchführungsarbeiten während der Bauzeit insgesamt rd. 11 600 DM betragen dürfen. Dieser Betrag liege noch unter dem bereits als Werbungskosten anerkannten Betrag von 15 700 DM.

Das FA beantragt, das Urteil des FG Berlin aufzuheben und den Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen für das Streitjahr 1980 auf 473 429 DM festzusetzen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen. Sie vertreten die Ansicht, es sei unerheblich, ob die vereinbarte Vergütung angemessen gewesen sei. Gebühren in der vereinbarten Höhe seien im Bauträgergeschäft üblich.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat im Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84 (BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299) entschieden, daß Anleger im Bauherrenmodell einkommensteuerrechtlich regelmäßig nicht als Bauherren, sondern als Erwerber des bebauten Grundstücks zu beurteilen sind, wenn sie sich aufgrund eines von den Projektanbietern vorformulierten Vertragswerks beteiligen und sich bei den damit zusammenhängenden Rechtsgeschäften durch die Projektanbieter vertreten lassen. Alle in diesem Zusammenhang an die Anbieterseite geleisteten Aufwendungen, die auf den Erwerb des Grundstücks mit dem bezugsfertigen Gebäude gerichtet sind, stellen deshalb Anschaffungskosten dar. Wegen der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil Bezug genommen. Diese Grundsätze gelten auch im Streitfall. Das hier zu beurteilende "Bauherrenmodell" unterscheidet sich von dem Modell, das der erkennende Senat im Urteil in BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299 zu beurteilen hatte, allerdings dadurch, daß die Anleger sich zu einer GbR zusammengeschlossen haben, daß ferner die Anleger nicht sofort je eine Eigentumswohnung erwerben, sondern erst bei Ausscheiden aus der Gesellschaft, und daß die Treuhänder vertretungsberechtigte Geschäftsführer der GbR sind. In den für die Grundsatzentscheidung des erkennenden Senats maßgebenden Punkten sind die beiden Modelle indes so weit angenähert, daß die Kläger auch im Streitfall nicht als Bauherren, sondern als Erwerber des Grundstücks mit dem bezugsfertigen Gebäude zu beurteilen sind: Sie haben zur Errichtung des Gebäudes in gesamthänderischer Verbundenheit ein Bündel von vorformulierten Verträgen abgeschlossen, die nur in ihrer Gesamtheit zu dem von ihnen erstrebten Ziel, dem Erwerb eines Grundstücks mit einem bezugsfertigen Gebäude, führen können. Ein Einflußder Kläger auf die Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung war praktisch ausgeschlossen. Die Tätigkeit der Kläger zur Übertragung des bezugsfertigen Gebäudes beschränkte sich auf die Unterzeichnung der Beitrittserklärung zur GbR und der Vollmacht mit Treuhandauftrag sowie in der Leistung des Eigenkapitals. Alle anderen Tätigkeiten wurden ihnen von den Treuhändern abgenommen. Der in den Beitrittserklärungen ausgewiesene Geschäftsanteil von rd. 500 000 DM, von dem sie jeweils einen bestimmten Teil als Eigenkapital zu leisten hatten, entspricht dem in der Grundsatzentscheidung erwähnten Gesamtpreis für den Erwerb der Eigentumswohnungen. Durch die Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag, daß die Gesamtkosten eine bestimmte Summe nicht überschreiten dürfen, waren sie gegen Nachforderungen gesichert; es konnte ihnen gleichgültig sein, wie die Projektanbieter innerhalb dieses Gesamtpreises die Aufwendungen auf die einzelnen in den Verträgen vereinbarten Gegenleistungen verteilten.

Entgegen der Rechtsansicht des FG sind die Kläger damit nicht als Bauherren, sondern als Erwerber des Grundstücks mit dem bezugsfertigen Gebäude zu beurteilen. Das hat zur Folge, daß sämtliche Aufwendungen, die sie geleistet haben, um das fertiggestellte Gebäude zu erhalten, zu ihren Anschaffungskosten gehören. Dazu rechnen insbesondere auch, wie der Senat in Abschn. V 1 des Grundsatzurteils entschieden hat, die Aufwendungen für die steuerliche Beratung, soweit sie - wie im Streitfall - den Zeitraum vor Bezugsfertigkeit des Gebäudes betreffen.

Die Vorentscheidung war danach aufzuheben, soweit das FG die Steuerberatungsgebühren den sofort abziehbaren Werbungskosten zugerechnet hat. Das Gericht darf allerdings über den Revisionsantrag nicht hinausgehen (§ 121 i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Es muß daher bei dem Werbungskostenabzug in Höhe von 15 700 DM, den das FA bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung vorgenommen hat, verbleiben. Die darüber hinausgehenden Aufwendungen für die steuerliche Beratung in Höhe von 62 800 DM gehören zu den Anschaffungskosten des Gebäudes.

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