Normen
§ 12 S. 2 Nr. 8 AO 1977
§ 2 Nr. 1 KStG 1977
§ 8 Abs. 1 KStG 1977
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Company Limited englischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Richmond/Großbritannien. Sie übernahm Schweiß- und Montagearbeiten an Waggons der X-KG (KG), einer inländischen Waggonfabrik. Laut Werkvertrag vom 8. Januar 1982, auf den das Finanzgericht (FG) in der Vorentscheidung Bezug genommen hat, handelt es sich um die Fertigung von Schweiß- und Montagearbeiten an Waggons. Die Fertigung beinhaltete die Schweißung und Montage von Einzelteilen, Gleitträgern, Drehgestellen und Untergestellen. Die Arbeiten führte die Klägerin in eigener Regie und Verantwortung aus. Die dafür notwendigen Räume, Arbeitsgeräte, Einrichtungen und Materialien stellte die KG kostenfrei zur Verfügung. Die Klägerin haftete für Schäden, die von ihren Arbeitnehmern verursacht wurden. Sie war zum Abschluß einer entsprechenden Haftpflichtversicherung vertraglich verpflichtet. Sie führte die Arbeiten innerhalb einer geschlossenen Gruppe von 10 bis 12 Personen durch. Der Einsatzort beschränkte sich nicht auf eine bestimmte Werkhalle, sondern orientierte sich innerhalb der Arbeitsräume der KG an den Fertigungsabläufen. Den Arbeitnehmern der Klägerin standen die Umkleide-, Dusch- und Aufenthaltsräume der KG zur Mitbenutzung zur Verfügung. Jeder Arbeitnehmer hatte einen eigenen Spind. Jedoch waren der Klägerin keine Räume zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen.
Durch Verfügung vom 23. Dezember 1982 ordnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegenüber der KG an, daß von deren Zahlungen für die von der Klägerin erbrachten Leistungen 15 v. H. als Körperschaftsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen sei (§ 50a Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Diese Anordnung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 28. Dezember 1982 bekanntgegeben. Dagegen legte die Klägerin am 17. Januar 1983 Einspruch bzw. Beschwerde ein. Sie erhob außerdem am 12. Dezember 1983 Klage. Die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde am 12. Januar 1984 als unbegründet zurück.
Das FG hat die KG dem Rechtsstreit beigeladen und der Klage stattgegeben. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 568 veröffentlicht.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977).
Es beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 14. Juli 1987 5 K 459/83 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat die Klage der Klägerin zutreffend als zulässig angesehen.
Das in § 50 a Abs. 7 EStG vorgesehene Steuerabzugsverfahren entspricht in seiner rechtlichen Ausgestaltung dem Steuerabzug vom Arbeitslohn (§§ 38 ff. EStG), dem Steuerabzug vom Kapitalertrag (§§ 43 ff. EStG) und dem Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG. In allen genannten Verfahren bezeichnet das EStG den Vergütungsgläubiger als den Steuerschuldner (§ 38 Abs. 2, § 42 d Abs. 3, § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5, § 50 a Abs. 5 Sätze 4 und 6 EStG). Er ist damit Beteiligter des Steuerabzugsverfahrens i. S. des § 78 AO 1977. Als solcher ist er gemäß § 40 Abs. 2 FGO in eigenen Rechten verletzt, wenn er mit der Klage geltend macht, daß die Steuer dem Grunde oder der Höhe nach zu seinen Lasten unzutreffend einbehalten und abgeführt wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1988 I R 28/87, BFHE 155, 479, BStBl II 1989, 449). Entsprechendes muß für den Steuerabzug gemäß § 50 a Abs. 7 EStG gelten.
Im Streitfall hat die Klägerin vorgetragen, daß die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 50 a Abs. 7 EStG nicht erfüllt seien. Dies reicht als Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten aus.
2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen jedoch dessen Entscheidung nicht, die Klägerin sei nicht beschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, war die Klägerin eine Private Company limited by shares englischen Rechts, die im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung hatte. Die Klägerin war damit im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977). Sie war i. S. des § 2 Nr. 1 KStG 1977 Körperschaft und Personenvereinigung. Damit war sie beschränkt körperschaftsteuerpflichtig, soweit sie inländische Einkünfte i. S. des § 8 Abs. 1 KStG 1977 und des § 49 EStG erzielt haben sollte.
b) Das FG hat zutreffend die Frage, ob die Klägerin inländische Einkünfte erzielte, nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beurteilt. Danach sind die von der Klägerin erzielten Einkünfte als inländische zu beurteilen, wenn sie für die Schweiß- und Montagearbeiten im Inland eine Betriebsstätte unterhalten oder einen ständigen Vertreter bestellt haben sollte. Beides beurteilt sich nach § 12 AO 1977 bzw. nach § 13 AO 1977.
aa) Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 77/88, BFHE 158, 499, BStBl II 1990, 166, m. w. N.), daß eine Geschäftseinrichtung i. S. des § 12 Satz 1 AO 1977 nur dann Betriebsstätte des Steuerpflichtigen ist, wenn dieser über sie nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Der Nutzende muß eine Rechtsposition innehaben, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen werden oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann. Die bloße Berechtigung zur Nutzung eines Raumes oder einer Grundstücksfläche im Interesse eines anderen sowie die bloße tatsächliche Mitbenutzung eines Raumes bzw. einer Grundstücksfläche begründen für sich genommen noch keine Betriebsstätte. Davon ist auch für den Streitfall auszugehen. Dann aber unterhielt die Klägerin im Inland keine feste Geschäftseinrichtung. Das FG hat nämlich in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Klägerin keine Räume zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen waren. Sie hatte nur ein zweckgebundenes Mitbenutzungsrecht, das sich nicht auf bestimmte Räume bezog. Sie konnte deshalb auch gegen ihren Willen angewiesen werden, die Schweiß- und Montagearbeiten in jeweils anderen Räumen auszuüben. Dies belegt, daß sie nicht der Verfügungsberechtigte über eine feste Geschäftseinrichtung war. Entsprechendes gilt für die von den Arbeitnehmern der Klägerin mitbenutzten Umkleide-, Dusch- und Aufenthaltsräume.
bb) Das FG hat allerdings den Begriff "Montage" i. S. des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977 unzutreffend ausgelegt. Dem Montagebegriff kommt neben dem Begriff "Bauausführungen" selbständige Bedeutung zu. Dies ergibt bereits die wörtliche Auslegung des Wortes "oder". Aus ihm folgt, daß die Montage als selbständiger Begriff neben der Bauausführung steht. Die Montage ist kein Unterfall der Bauausführung. Zwar kann die Montage gleichzeitig Bauausführung sein, wenn es sich um eine sog. Baumontage handelt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1981 I R 21/78, BFHE 134, 562, BStBl II 1982, 241). Dann überschneiden sich jedoch die Begriffe nur. Darüber hinaus erfaßt der Montagebegriff aber auch Arbeiten, die keine Bauausführungen sind (so: Storck, Ausländische Betriebsstätte, S. 181; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, S. 38; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 12 AO 1977 Anm. 3 h). In diesem Sinne hat der erkennende Senat schon im Urteil vom 7. März 1979 I R 145/76 (BFHE 127, 517, BStBl II 1979, 527) die Montage von Maschinen, d. h. die Montage innerer Betriebseinrichtungen begrifflich für möglich gehalten. Solche Arbeiten fallen seit dem 1. Januar 1977 unter § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der späteren AO 1977 (vgl. BTDrucks VI/1982 S. 103) sollte § 11 des Entwurfs die Begriffsbestimmung der Betriebsstätte nach dem Vorbild des § 16 des Steueranpassungsgesetzes übernehmen, sie jedoch gleichzeitig neueren Rechtsentwicklungen anpassen. Letzteres sollte insbesondere für § 11 Satz 2 Nr. 8 des Entwurfs (heute: § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977) gelten. Daraus läßt sich nicht folgern, daß der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Benennung von "Montagen" neben den "Bauausführungen" keine Erweiterung des Betriebsstättenbegriffes verfolgte. Die Zufügung des Begriffes "Montage" spricht vielmehr dafür, daß die "neueren Rechtserkenntnisse" (vgl. BTDrucks VI/1982 S. 103 letzter Absatz) in der entsprechenden Unterscheidung in dem OECD-Musterabkommen - OECD-MustAbk - (vgl. Art. 5 Nr. 2 Buchst. g OECD-MustAbk 1963 und Art. 5 Abs. 3 OECD-MustAbk 1977) bestanden. Der Gesetzgeber wollte § 12 AO 1977 an die Handhabung in den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) anpassen, soweit diese nicht die in den DBA geltende Zwölfmonatsfrist betraf.
c) Hat das FG den Begriff "Montage" in § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977 unzutreffend ausgelegt, so kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben, weil sie auf der falschen Gesetzesauslegung beruht. Die Sache ist nicht entscheidungsreit. Unter den Begriff "Montage" fallen nur das Zusammenfügen oder der Umbau von vorgefertigten Einzelteilen, nicht dagegen bloße Reparaturund Instandsetzungsarbeiten (vgl. BFH-Beschluß vom 27. April 1954 I B 136/53 U, BFHE 58, 705, BStBl III 1954, 179; Kühn/Kutter/Hofmann, a. a. O.). Dabei erfüllen untergeordnete Einzelleistungen für sich allein noch nicht den Begriff der "Montage". Die Tätigkeit muß vielmehr zumindest die wesentlichen Arbeiten des Zusammenfügens von Einzelteilen zu einer Sache umfassen. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend festgestellt, welche Arbeiten die Klägerin im einzelnen erledigte. Zwar hat es beispielhaft auf den Werkvertrag vom 8. Januar 1982 Bezug genommen. Diesem ist jedoch nicht zu entnehmen, ob die Klägerin vorgefertigte Einzelteile zusammenschweißte oder lediglich Instandsetzungsarbeiten erledigte. Auch fehlen tatsächliche Feststellungen zu den zeitlichen Voraussetzungen des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977 und des Art. II Abs. 1 Buchst. I (ii) gg des Abkommens vom 26. November 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung i. d. F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 139).
Die fehlenden Feststellungen nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.