Normen
§ 82a EStDV
§ 9 Abs. 1 EStG
Tatbestand:
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - Immobilienkaufleute - sind je zur Hälfte Miteigentümer eines mit einem vermieteten Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks, das sie im Jahre 1978 zum Kaufpreis von 570 000 DM erworben haben; dessen Verkehrswert betrug nach ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für 1979 insgesamt rd. 1,6 Mio DM. Die von den Klägern im Jahre 1979 aufgewandten Instandsetzungskosten in Höhe von 50 022 DM behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) antragsgemäß als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Im Streitjahr 1980 ließen die Kläger für zusammen 169 797 DM u. a. die bisher einfach verglasten Fenster durch Isolierverglasung ersetzen und Gasetagenheizungen anstelle von Einzelöfen einbauen. In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr machten sie auch diese Kosten als Erhaltungsaufwand geltend, der gemäß § 82 b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auf drei Jahre verteilt werden sollte. Das FA sah hierin jedoch anschaffungsnahen Herstellungsaufwand und gewährte lediglich erhöhte Absetzungen für Modernisierungsaufwand gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 82 a EStDV.
Während der Einspruch erfolglos blieb, gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 279 veröffentlichten Urteil statt. Das FG führte im wesentlichen aus: Die strittigen Aufwendungen seien nach den allgemeinen Unterscheidungsmerkmalen kein Herstellungsaufwand, sondern Erhaltungskosten. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) darüber hinaus bei anschaffungsnahen Aufwendungen Herstellungskosten annehme, sei dem nicht mehr zu folgen. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, daß rückständige Instandhaltungsaufwendungen eine entsprechende Minderung des Kaufpreises zur Folge hätten. Die BFH-Rechtsprechung führe zu einer gewichtigen Ungleichbehandlung vergleichbarer Aufwendungen, für die insbesondere bei wirtschaftlicher Betrachtung eine überzeugende Begründung fehle (Hinweis auf Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, § 6 Anm. 20).
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts, insbesondere Abweichung von dem Urteil des Senats vom 12. Februar 1985 IX R 114/83 (BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690).
Es beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie machen geltend: Die im Urteil in BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690 vertretene Wertung anschaffungsnahen Aufwands als Anschaffungskosten sei zwar folgerichtig und decke sich mit der der Betriebswirtschaftslehre; sie sei jedoch im Streitfall nicht zutreffend. Denn hier sei kein aufgestauter Reparaturbedarf vorhanden gewesen. Der Kaufpreis sei nach dem Ertragswert des Grundstücks ermittelt worden, wobei der Verkäufer von den vereinnahmten Mieten ausgegangen sei, die erheblich unter dem erzielbaren Betrag gelegen hätten.
Entscheidungsgründe
Im Urteil in BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690 hat sich der Senat bereits mit der in der Vorentscheidung übernommenen Kritik des Schrifttums an der bisherigen Rechtsprechung des BFH auseinandergesetzt und im wesentlichen ausgeführt, daß hohe Instandsetzungsaufwendungen, die nach dem Erwerb eines zur Selbstnutzung bestimmten Wohngebäudes vorgenommen werden, entweder als Anschaffungsnebenkosten, wozu der Senat neige, oder - mit der bisherigen Rechtsprechung (vgl. insbesondere den Beschluß des Großen Senats vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) - als nachträgliche Herstellungskosten zu beurteilen sind, wenn das Gebäude durch solche Aufwendungen über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wird. Hieran hält der erkennende Senat fest.
Soweit der Senat in diesem Urteil Reparaturaufwendungen, die das erworbene Grundstück wieder in einen bewohnbaren Zustand versetzen, als Anschaffungsnebenkosten gewertet hat, bedürfen die hiergegen im Schrifttum (vgl. insbesondere Söffing, Der Betrieb - DB - 1986, 662, und Steuerliche Vierteljahresschrift 1989, 163) erhobenen Einwände keiner erneuten Prüfung. Denn ein - wie im vorliegenden Fall - beim Erwerb vollständig vermietetes Grundstück ist regelmäßig bewohnbar, so daß es nicht mehr erstmals in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden (betriebsbereiten) Zustand versetzt werden kann. Die vom FA gerügte Abweichung des FG-Urteils liegt insoweit nicht vor, worauf auch die Kläger zutreffend hinweisen. Daher kommt hier allein das Vorliegen anschaffungsnahen Herstellungsaufwands in Betracht. Dessen Vorliegen hat das FG rechtsirrig verneint.
Mit der zu dieser Frage nach wie vor maßgebenden Entscheidung des Großen Senats in BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672 ist anschaffungsnaher Herstellungsaufwand insbesondere dann gegeben, wenn nach dem Erwerb des Grundstücks im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Aufwendungen auf das Gebäude gemacht werden, durch die dessen Wesen verändert, der Nutzungswert erheblich erhöht oder seine Nutzungsdauer erheblich verlängert wird. Dies Verständnis anschaffungsnahen Aufwands ist durch die mit dem Bilanzrichtlinien-Gesetz in Kraft getretene Begriffsbestimmung des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) nicht überholt. Nach der dortigen Legaldefinition sind Herstellungskosten bei Aufwendungen gegeben, die durch die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Die letztgenannte Alternative kommt schon nach ihrem Wortlaut auch in Betracht, wenn ein Vermögensgegenstand in erheblich instandsetzungsbedürftigem Zustand gekauft und sodann vom Erwerber repariert oder modernisiert wird. Denn eine wesentliche Verbesserung kann auch durch grundlegende Instandsetzungsmaßnahmen erreicht werden (ebenso Knop/Küting in Küting/Weber: Handbuch der Rechnungslegung, Stuttgart 1986, § 255 Anm. 211 im Anschluß an Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., § 153 Anm. 17; anderer Ansicht Pankow/Schmidt-Wendt in Beck, Bil.-Komm., 1986, § 255 Anm. 25, und Adler/Düring/Schmaltz, a. a. O., 5. Aufl., § 255 Anm. 24). Soweit nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB die wesentliche Verbesserung gegenüber dem "ursprünglichen" Zustand des Vermögensgegenstands eingetreten sein muß, kommt es in Fällen des Kaufs auf die Beschaffenheit im Erwerbszeitpunkt an; das hat bereits der Große Senat in BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672 klargestellt. Daß die gesetzliche Bestimmung des Begriffs der Herstellungskosten in dieser Vorschrift für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung keine Neuerungen enthält, wird auch durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Insoweit ist unstreitig, daß sich der Gesetzgeber weitgehend an die im Einkommensteuerrecht gewonnenen Erkenntnisse (vgl. Abschn. 33 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -) angelehnt hat.
Die Versagung des sofortigen Werbungskostenabzugs für anschaffungsnahe Instandsetzungsaufwendungen stellt entgegen dem FG keine gewichtige Ungleichbehandlung im Vergleich zu der Fallgestaltung dar, daß noch der Veräußerer den Aufwand getragen hätte. Mit diesem Vergleich wird, worauf der Senat bereits in BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690 hingewiesen hat, ein nicht gegebener Sachverhalt unterstellt sowie der enge Zusammenhang einer aufwendigen Modernisierung mit dem verbilligten Erwerb des Anwesens außer acht gelassen. Im übrigen steht die vom FG angenommene einkommensteuerrechtliche Besserstellung des Veräußerers, falls er das Gebäude noch vor dem Verkauf hätte instandsetzen oder modernisieren lassen, nicht fest. Vielmehr bedarf noch höchstrichterlicher Klärung, ob im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mietwohngrundstücks noch vom Verkäufer vorgenommener Erhaltungsaufwand bei dessen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar ist oder ob es sich um Kosten handelt, die dem im Rahmen des Privatvermögens grundsätzlich nicht einkommensteuerbaren Veräußerungsvorgang zuzuordnen sind (vgl. auch das Senatsurteil vom 23. Februar 1988 IX R 151/86, BFH/NV 1989, 485).
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Aufwand behandelt den Erwerber einkommensteuerrechtlich lediglich wie einen Steuerpflichtigen, der ein bereits instandgesetztes oder modernisiertes Gebäude kauft und dabei dem Veräußerer in der Regel im Rahmen des Kaufpreises auch dessen Instandsetzungs- oder Modernisierungsaufwand bezahlen muß. Im Vergleich zu einem solchen Erwerber, der anschließend allein von den Anschaffungskosten des Gebäudes AfA vornehmen kann, würde der Käufer eines in hohem Maße instandsetzungsbedürftigen Gebäudes einkommensteuerrechtlich ohne hinreichenden Grund bevorzugt, wenn ihm neben den Gebäude-AfA der sofortige Werbungskostenabzug für seine Instandsetzungsaufwendungen ermöglicht würde. Diese Gleichstellung beider Fallgestaltungen durch die ständige Rechtsprechung bildet keine unzulässige Sachverhaltsfiktion, sondern beruht auf einer Wertung des Sachverhalts anhand der das Einkommensteuerrecht prägenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Bei wirtschaftlicher Betrachtung des Erwerbs eines Gebäudes, an dem erhebliche Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten ausstehen, kann es keinen Unterschied machen, ob dieser Beschaffenheit des Gebäudes im vertraglich vereinbarten Kaufpreis ausdrücklich oder nur stillschweigend Rechnung getragen ist.
Wenn demgegenüber das FG abweichend von der ständigen BFH-Rechtsprechung (insbesondere dem Urteil vom 22. Februar 1973 VIII R 72/68, BFHE 109, 36, BStBl II 1973, 483) der Beschaffenheit des Gebäudes beim Erwerb keine erhebliche Bedeutung beimißt, läßt es zu Unrecht einen wichtigen wertbildenden Faktor unberücksichtigt. Es setzt sich damit in Widerspruch zur ständigen Praxis bei der Schätzung des Werts bebauter Grundstücke, die gemäß §§ 13 Satz 2, 17 Abs. 3 der Wertermittlungsverordnung i. d. F. vom 15. August 1972 (BGBl I 1972, 1417) rückständigen Reparaturen durchweg Rechnung zu tragen pflegt (vgl. Rössler/Langner/Simon, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 5. Aufl., 309 f., und Troll/Simon, Wertermittlung bei Geschäfts- und Fabrikgrundstücken, Handbuch, 2. Aufl., 508 f.).
Die Vorentscheidung läßt sich ferner nicht mit der Lebenserfahrung vereinbaren, nach welcher der Käufer eines instandsetzungsbedürftigen Wirtschaftsguts regelmäßig auf Berücksichtigung dieses Umstands bei der Bemessung des Kaufpreises dringen wird. Im vorliegenden Fall steht zudem der ganz ungewöhnlich verbilligte Grundstückserwerb aufgrund des eigenen Vorbringens der in der Immobilienbranche berufstätigen Kläger außer Frage.
Hinsichtlich der Zeitspanne, während der der anschaffungsnahe Aufwand in Betracht kommt, liegt mit der bisherigen Rechtsprechung ein enger Zusammenhang mit dem Erwerb jedenfalls dann vor, wenn die Aufwendungen - wie hier - im ersten und zweiten Jahr nach dem Kauf erbracht worden sind (vgl. auch Senatsbeschluß vom 23. Juni 1988 IX B 178/87, BFH/NV 1989, 165).
Nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen kann die FG-Entscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist spruchreif. Das FA hat rechtsfehlerfrei anschaffungsnahen Herstellungsaufwand angenommen. Denn die Kläger haben das, wie ausgeführt, erheblich verbilligt erworbene Gebäude durch die strittigen hohen Aufwendungen innerhalb von zwei Jahren seit dem Erwerb in wesentlichen Teilen erheblich modernisiert. Hinsichtlich der Heizungsumstellung hat dies der BFH bereits im Urteil vom 8. Juli 1980 VIII R 189/78 (BFHE 131, 312, BStBl II 1980, 744) ausgesprochen. Dasselbe gilt für die Ausstattung des Gebäudes mit isolierverglasten Fenstern, die vor allem der Einsparung von Heizenergie sowie dem Lärmschutz dienen. Dafür, daß durch solche Maßnahmen der Mietwert eines Gebäudes erheblich erhöht wird, ist auch auf die zivilrechtliche Regelung in § 3 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe vom 18. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3603, 3604) hinzuweisen (vgl. im einzelnen statt aller Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., S. 965, 967).
Daher war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.