Normen
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974
§ 25 ErbStG 1974
§ 158 Abs. 1 BGB
Tatbestand:
Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 1. September 1980 übertrug die Mutter der Klägerin dieser mehrere Grundstücke. Am übertragenen Grundbesitz behielt sie sich den lebenslänglichen Nießbrauch vor. Die Klägerin verpflichtete sich, nach Wegfall des Nießbrauchs an ihre Schwester eine lebenslängliche (Unterhalts-)Rente in Höhe von 2 000 DM monatlich zu zahlen. Weitere Leistungen hatte die Klägerin nicht zu erbringen. Die Mutter der Klägerin ist im Dezember 1916 und die Schwester der Klägerin im Juli 1944 geboren.
Mit Schenkungsteuerbescheid vom 4. November 1981 hat das Finanzamt (FA) gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 131 373 DM festgesetzt, wovon es einen Teilbetrag in Höhe von 96 378 DM bis zum Erlöschen des Nießbrauchs gemäß § 25 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537, BStBl I 1980, 581) stundete. Die Rente zugunsten der Schwester der Klägerin berücksichtigte das FA als aufschiebend bedingt nicht. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, den schenkungsteuerlichen Erwerb um den kapitalisierten Wert sowohl des Nießbrauchs als auch der Rente zu mindern. Das FA hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beantragt, den Wert des kapitalisierten Nießbrauchs zu berücksichtigen, im übrigen aber die Klage abzuweisen. Das FG hat die Steuer unter gleichzeitigem Wegfall der Stundung auf 23 275 DM herabgesetzt. In seiner Entscheidung hat es ausgeführt, unter den Beteiligten sei nicht mehr streitig, daß der Kapitalwert der Nießbrauchsbelastung (727 725 DM) vom schenkungsteuerlichen Erwerb abzuziehen sei, und dabei auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Oktober 1981 II R 176/78 (BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83) verwiesen. Der kapitalisierte Wert der Rente sei ebenfalls abzugsfähig, weil der Erlebensfall der Berechtigten nicht als aufschiebende Bedingung, sondern als Befristung anzusehen ist.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, streitig könne nur noch die Abzugsfähigkeit der Rentenlast sein.
Entscheidungsgründe
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision des FA bestehen nicht etwa deshalb, weil das FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG möglicherweise den Abzug der Nießbrauchslast für rechtlich zulässig gehalten hat. Denn bezüglich der Zulässigkeit der Revision kommt es hinsichtlich der Beschwer nur auf die materielle Beschwer an (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, 368, BStBl II 1983, 566, m. w. N.).
2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG hinsichtlich der Nießbrauchslast unzutreffend von einer gemischten Schenkung ausgegangen ist und weiter unzutreffend angenommen hat, die Rentenverpflichtung sei nicht aufschiebend bedingt.
a) Die einer Schenkung beigefügte Nebenabrede, wonach der Bedachte zwar um das Eigentum am Zuwendungsgegenstand bzw. um ein zugewendetes Recht bereichert ist, ihm aber die Nutzungen der Sache oder des Rechts (§ 100 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) nicht sofort gebühren sollen, ist zivilrechtlich Schenkung unter Auflage. Eine derartige Nebenabrede bewirkt lediglich ein Hinausschieben auf Zeit des mit dem Eigentumsübergang bzw. der Rechtsübertragung grundsätzlich verbundenen vollen Nutzungsrechts. Sie verursacht dem Bedachten keine Aufwendungen, die in schenkungsrechtlicher und schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht bewirken könnten, daß in Höhe der Aufwendungen keine Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 eingetreten wäre.
Die derart vorübergehende Einschränkung der Bereicherung, die unmittelbar mit dem Zuwendungsgegenstand verknüpft ist und die lediglich durch die Zuwendung infolge der Nebenabrede herbeigeführt wird, kann nur durch den Abzug der Last berücksichtigt werden, soweit nicht § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 n. F. (zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 15. Mai 1984 1 BvR 464, 605/81, 427, 440/82, BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608) entgegensteht.
Insoweit erwächst dem Bedachten kein Aufwand i. S. einer Leistungspflicht, sondern es obliegt ihm nur eine zeitlich beschränkte Duldung. Diese zeitlich befristete Duldungspflicht kann nicht der Leistungspflicht aufgrund austauschvertraglicher Elemente der Vereinbarung bzw. der Pflicht zu Aufwendungen aufgrund Auflage gleichgestellt werden (a. A. offenbar die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. Februar 1983, BStBl I 1983, 238, unter 5.).
b) Der Senat hat mit der Entscheidung vom 12. April 1989 II R 37/87 (BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524) seine im Urteil in BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83 gemachte Aussage zur Auflagenschenkung modifiziert und ausgesprochen, daß bei einer Schenkung unter Auflage schenkungsteuerrechtlich die dem Bedachten auferlegten Aufwendungen von den ihm obliegenden Duldungspflichten zu unterscheiden sind; dies hat zur Folge, daß der Bedachte, soweit ihm Aufwendungen auferlegt sind, die ihn zu Leistungen verpflichten, insoweit - wie bei einer gemischten Schenkung - nicht i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist.
Die der Klägerin auferlegte Rentenleistungspflicht ist entgegen der Annahme des FG nicht lediglich befristet durch den Wegfall des Nießbrauchs, sondern aufschiebend bedingt in der Weise, daß die Schwester der Klägerin diesen Zeitpunkt erleben muß. Denn die Unterhaltsrente steht nur der Schwester der Klägerin zu.
Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt nach § 158 Abs. 1 BGB die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein. Die Wirkung eines bedingten Rechtsgeschäfts besteht darin, daß bis zum Bedingungseintritt die getroffene Regelung ohne die ihr beigefügte Modalität gilt, danach die von den Parteien vorgesehene Änderung eintritt und bei endgültigem Feststehen des Nichteintretens der Bedingung die zunächst als vorläufig anzusehende Rechtslage festliegt (so H. P. Westermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., Rdnr. 38 zu § 158). Bei der aufschiebend bedingten Verpflichtung entsteht folglich (zunächst) keine Forderung und dementsprechend keine Schuld des Verpflichteten. Die Verpflichtung ist schwebend unwirksam.
Diese Rechtslage ist auch in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Daraus folgt, daß die aufschiebend bedingte Verpflichtung zur Leistung der Rente vor Eintritt der Bedingung die Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 nicht schmälern kann.
Ist die Rentenleistungsverpflichtung unbedingt geworden und steht damit fest, daß die Klägerin deshalb insoweit nicht auf Kosten der Schenkerin bereichert ist, ist dieser Umstand durch Änderung des Steuerbescheids in Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu berücksichtigen.
3. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet in der Sache selbst.
Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erweist sich im Ergebnis als nicht rechtswidrig. Zutreffend hat das FA die Rentenverpflichtung bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt und den Nießbrauchsvorbehalt zugunsten der Schenkerin nur nach Maßgabe des § 25 ErbStG 1974 n. F. durch zinslose Stundung der auf den Kapitalwert dieser Belastung entfallenden Steuer bis zum Erlöschen des Nießbrauchsrechts berücksichtigt.