Normen
§ 8 Abs. 2 EStG 1971
§ 11 Abs. 1 EStG 1971
§ 19 Abs. 1 EStG 1971
Tatbestand:
Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1971 Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft (AG). Die Hauptversammlung der AG hatte zum Zwecke der Ausgabe von Belegschaftsaktien ein sog. genehmigtes Kapital beschlossen. Die AG bot daraufhin ihren Arbeitnehmern Aktien zum Nennwert von 50 DM zur Zeichnung an. Die Zeichnungsfrist endete mit Ablauf des 11. Januar 1971. Die Aktien durften innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach ihrer Ausgabe nicht veräußert werden. Ihr "amtlicher Kurswert" betrug nach Ansicht des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) im Zeitpunkt der Zeichnung durch den Kläger am 11. Januar 1971 63,75 DM je Aktie. Der Kläger erwarb 106 Aktien. Ihr Kurswert lag bei Ablauf der zweijährigen Sperrfrist im Januar 1973 bei 1,50 bis 2,50 DM je Aktie, da die AG zwischenzeitlich in Konkurs gefallen war. Das FA sah in der Überlassung der Aktien in Höhe des Unterschiedsbetrags von 13,75 DM zwischen dem "amtlichen Kurswert" von 63,75 DM und dem Nennwert von 50 DM je Aktie einen dem Kläger in 1971 zugeflossenen geldwerten Vorteil, den es bei der Einkommensteuerveranlagung 1971 seinem steuerpflichtigen Arbeitslohn hinzurechnete. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab mit Urteil vom 15. November 1979 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 182) der Klage statt. Es verneinte einen geldwerten Vorteil, weil dem Kläger ein Wert erst mit Ablauf der Sperrfrist in 1973 zugeflossen sei, die Aktien zu diesem Zeitpunkt aber fast wertlos gewesen seien.
Gegen diese Entscheidung legte das FA Revision ein. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) trat dem Revisionsverfahren bei und vertrat die Ansicht, der Vorteil der Aktiengewährung sei dem Kläger bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs zugeflossen und die obligatorische Veräußerungssperre rechtfertige keinen Wertabschlag.
Der erkennende Senat hob durch das teilweise in BFHE 142, 475, BStBl II 1985, 136 veröffentlichte Urteil vom 16. November 1984 VI R 39/80 die Entscheidung des FG auf. Er hob in dieser Entscheidung hervor:
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971 gehörten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt würden. Ein solcher Vorteil könne in der verbilligten Überlassung von Belegschaftsaktien liegen. Er wäre im Streitfall "für eine Beschäftigung" im privaten Dienst gewährt worden, also durch das Dienstverhältnis veranlaßt gewesen. Ein Vorteil in der Form der Überlassung von Aktien zu einem Vorzugskurs wäre dem Kläger bereits im Jahr 1971 zugeflossen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG 1971). Ein Zufluß sei mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Wirtschaftsgut anzunehmen. Bei einem Aktienerwerb fließe dem Arbeitnehmer der Vorteil seiner verbilligten Überlassung auch dann im Zeitpunkt des Erwerbs zu, wenn er sich verpflichtet habe, die Aktien innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht weiterzuveräußern.
Da das FG von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen sei, müsse die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden. Es habe nunmehr den Wert der Belegschaftsaktien zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger festzustellen. Bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils sei nach § 8 Abs. 2 EStG von den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts auszugehen. Dieser bestimme sich nach dem Verkehrswert. Dies sei der Börsenkurs und bei nichtnotierten Aktien der gemeine Wert im Zeitpunkt des Erwerbs. Da es sich hier offenbar um vinkulierte Namensaktien handele, für die weder ein Börsenkurs noch ein "amtlicher Kurswert" vorhanden sein dürfte, müsse das FG den tatsächlichen Wert der Aktien des Klägers zum Zuflußzeitpunkt feststellen. Der Senat wies das FG darauf hin, daß der Wert der Aktien der AG infolge der Ausgabe neuer Aktien möglicherweise gesunken sein könne.
Das FG gab im zweiten Rechtsgang der Klage erneut statt, weil es - mit anderer Begründung - einen geldwerten Vorteil und damit weitere Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit wiederum verneinte. Es führte u. a. aus:
Bei dem von der Lohnsteuerstelle des FA seinerzeit ermittelten "amtlichen Kurswert" in Höhe von 63,75 DM je Aktie könne es sich nur um den Wert der Alt-Aktien gehandelt haben. Dieser sei als Ausgangswert der Ermittlung des gemeinen Werts der Belegschaftsaktien (Jung-Aktien) zugrunde zu legen. Die Belegschaftsaktien seien dem Kläger erst nach dem 11. Januar 1971 überlassen worden. Da der Kurs der Alt-Aktien nach der vom Kläger eingereichten Stellungnahme des Börsenhändlers K am 11. Januar 1971 einen Kurs von "knapp unter 60 DM" gehabt habe, in den zwei Wochen danach jedoch stark angestiegen sei, könne der vom Kläger mit 55 DM angenommene Kurs je Alt-Aktie nicht zutreffen.
Im Hinblick darauf, daß sich der Kurs der Alt-Aktie zum Zeitpunkt der Überlassung der Jung-Aktien an den Kläger nicht mehr im einzelnen ermitteln lasse, sei er im Wege der freien Beweiswürdigung entsprechend den Angaben der Beteiligten und der von ihnen vorgelegten Unterlagen zu schätzen. Anhand der Angaben des Börsenhändlers müsse der Wert der Alt-Aktie zumindest mit dem vom FA angegebenen Betrag von 63,75 DM angesetzt werden. Sollte er höher gelegen haben, so müsse das FA den möglichen Nachteil der Unaufgeklärtheit dieses Punktes tragen, da ihm die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Berechnung des geldwerten Vorteils obliege.
Von dem Ausgangswert von 63,75 DM für die Alt-Aktien seien wegen der Ausgabe junger Aktien und wegen der zweijährigen Verfügungsbeschränkung dieser Aktien Abschläge zu machen. Im Streitfall handle es sich um eine echte Verfügungsbeschränkung; denn die als vinkulierte Namensaktien ausgegebenen Belegschaftsaktien hätten nicht ohne Zustimmung des Vorstandes der AG veräußert werden dürfen. Wegen dieser Verfügungsbeschränkung und wegen der Ausgabe der jungen Aktien halte das Gericht einen Gesamtabschlag mindestens in Höhe der Differenz zwischen dem Nennwert der Jung-Aktien und dem Wert der Alt-Aktien (Ausgangswert) für vertretbar. Im Ergebnis sei daher ein geldwerter Vorteil beim Kläger zu verneinen.
Gegen diese Entscheidung legte das FA Revision ein. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Nach der Entscheidung des Senats im ersten Rechtsgang kann die verbilligte Überlassung von Belegschaftsaktien ein geldwerter Vorteil nach § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 EStG sein, der als zusätzliche Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen ist. Streitig ist noch, welchen Wert die Belegschaftsaktien im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger gehabt haben und ob bei seiner Ermittlung auf der Grundlage des Werts der Alt-Aktien ein Abschlag wegen einer Veräußerungssperre von zwei Jahren und infolge der Ausgabe von neuen Aktien gerechtfertigt ist.
I. Wert der Alt-Aktien im Zeitpunkt des Erwerbs der Jung-Aktien
1. Das FG hat im Urteil im zweiten Rechtsgang für die Bemessung des Werts der jungen Aktien nicht gemäß der Ansicht des Klägers auf den Tag des Ablaufs der Zeichnungsfrist (11. Januar 1971), sondern auf den Wert des Tages abgestellt, an dem die Aktien dem Kläger übertragen wurden. Das entspricht den Ausführungen des erkennenden Senats im Urteil im ersten Rechtsgang. Da der Kläger zur Bestimmung dieses Zeitpunkts keine Angaben gemacht hat, hat das FG angenommen, daß der Kläger die Belegschaftsaktien in den auf den 11. Januar 1971 folgenden zwei Wochen erworben hat. Der Senat ist an diese vom FG getroffenen Feststellungen gebunden, da der Kläger hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG konnte bei der Bestimmung des Zeitpunkts des Erwerbs von den vom Kläger im zweiten Rechtsgang eingereichten Unterlagen ausgehen. Aus dem Protokoll über die Vorstandssitzung der AG vom 11. Januar 1971 ergibt sich, daß den Mitarbeitern bis zum 15. Januar 1971 mitgeteilt werden sollte, welchen Betrag sie für den Erwerb der Belegschaftsaktien zu entrichten hatten. Nach dem Rundschreiben der AG aus dem Jahr 1971 - ohne nähere Datumsangabe - hat die AG - offensichtlich nach Entrichtung der Beträge - allen Mitarbeitern einheitlich die Aktienurkunde mit Dividendenscheinen und Abtretungserklärungen ausgehändigt. Der Tag dieser Übergabe dürfte nach diesem Sachverhalt wohl am Ende des vom FG angenommenen Zeitraums von zwei Wochen nach Ablauf der Zeichnungsfrist gelegen haben.
2. Das FG hat im Urteil im zweiten Rechtsgang dargelegt, daß im Zeitpunkt des Erwerbs der Belegschaftsaktien kein Börsenkurs für die Alt-Aktien bestanden hat, da es sich um nichtnotierte Aktien gehandelt hat. Der Senat ist auch an diese Feststellung gebunden. Sie wird von den Beteiligten im Revisionsverfahren nicht in Zweifel gezogen.
3. Das FG hat entsprechend den Ausführungen des erkennenden Senats den gemeinen Wert der Alt-Aktien zum Zeitpunkt des Erwerbs der Jung-Aktien ermittelt. Da sich dieser nach Lage der Dinge nicht mehr im einzelnen feststellen ließ, hat es im Wege der freien Beweiswürdigung entsprechend der Angaben der Beteiligten und der von ihnen vorgelegten Unterlagen den gemeinen Wert der Alt-Aktien zu diesem Zeitpunkt auf 63,75 DM geschätzt. Dies ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG konnte ohne Rechtsverstoß von der vom Kläger eingereichten Stellungnahme des Börsenhändlers K ausgehen. Dieser führte aus, er habe eine Aktienanalyse aus dem Jahre 1971 mit einer Kursgrafik gefunden. Aus ihr ergebe sich, daß der Wert der Alt-Aktien seit November 1970 stets gefallen sei und am 11. Januar 1971 mit knapp unter 60 DM seinen Tiefpunkt erreicht habe. In den zwei Wochen danach sei der Wert der Alt-Aktien allerdings rapide angestiegen. Dies sei geschehen, weil am Markt als vertrauensbildender Umstand bekanntgeworden sei, daß die AG die gesamten Belegschaftsaktien bei ihren Arbeitnehmern bis zum Ablauf der Zeichnungsfrist am 11. Januar 1971 untergebracht habe. Das FG zog aus dieser Stellungnahme zu Recht die Folgerung, daß der vom Kläger mit etwa 55 DM angenommene Kurs der Alt-Aktie zum Zeitpunkt des Erwerbs der neuen Aktien nicht zutreffen könne, sondern daß zumindest der vom FA angegebene Wert von 63,75 DM beim Erwerb der neuen Aktien durch den Kläger zutreffen müsse. Daher sei vom letztgenannten Wert auszugehen. Auch diese Ausführungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
II. Keine Abschläge vom Wert der Alt-Aktien bei Wertermittlung der Jung-Aktien
Das FG ist ohne Rechtsverstoß von dem Grundsatz ausgegangen, daß der gemeine Wert der vom Kläger erworbenen Neu-Aktien dem Wert der Alt-Aktien der AG zum Zeitpunkt des Erwerbs entspricht, wenn nicht wegen besonderer Umstände Abschläge zu machen sind.
Solche Abschläge hat das FG vorgenommen. Denn es ist im zweiten Rechtsgang davon ausgegangen, daß wegen des zweijährigen Veräußerungsverbots der in Rede stehenden vinkulierten Namensaktien und wegen der Ausgabe der jungen Aktien ein Abschlag zumindest in Höhe der Differenz zwischen dem Wert der Alt-Aktie im Zeitpunkt des Erwerbs der Neu-Aktie von 63,75 DM zu dem vom Kläger gezahlten Preis von 50 DM je Aktie (Nennwert der Aktie) zu machen sei, so daß im Ergebnis ein geldwerter Vorteil im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 EStG zu verneinen sei. Diesen Ausführungen tritt der Senat nicht bei.
1. Kein Abschlag wegen Sperrfrist
In der Literatur ist die Frage umstritten, ob bei der Ausgabe von Belegschaftsaktien unter der Bedingung, daß diese innerhalb einer bestimmten Sperrfrist nicht veräußert werden dürfen, vom Kurs- bzw. gemeinen Wert ein entsprechender Abschlag zu machen ist (die Möglichkeit eines solchen Abschlags wird bejaht u. a. von Luther, Der Betrieb - DB - 1980, 2256; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 11 Anm. 5, Stichwort: Belegschaftsaktien; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 8 EStG Rdnr. 64; für einen solchen Abschlag nur bei einem absoluten Veräußerungsverbot: Knepper in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 19a Rdnr. D 35, Stichwort: Bewertungsabschlag; einen solchen Abschlag verneinen hingegen u. a. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 19 Anm. 8, Stichwort: Aktien; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 19 EStG Anm. 107; Altehoefer in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19 Anm. 138, Stichwort: Aktien). Die Finanzverwaltung hat hierzu in der Vergangenheit unterschiedliche Ansichten vertreten. Sie hielt zunächst einen Abschlag für zulässig (Schreiben des BMF vom 4. März 1961, DB 1961, 1210), gab diese Auffassung später jedoch ohne Angabe von Gründen auf (vgl. Erlaß des Finanzministers des Landes Niedersachsen vom 29. Dezember 1966, DB 1967, 19; Rundverfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Düsseldorf vom 19. Februar 1968, DB 1968, 594). Der BMF, der im ersten Rechtsgang diesem Verfahren beigetreten war, hat in seiner Stellungnahme näher dargelegt, warum er einen Abschlag wegen der Veräußerungssperre nicht für gerechtfertigt hält.
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Er läßt sich von folgenden Erwägungen leiten:
Wie bereits ausgeführt, sind nicht in Geld bestehende steuerpflichtige Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 8 Abs. 2 EStG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Dieser Mittelpreis bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Urteil vom 27. März 1981 VI R 132/78, BFHE 133, 206, BStBl II 1981, 577) nach dem Betrag, den ein Fremder für Güter gleicher Art im allgemeinen Verkehr unter gewöhnlichen Umständen hätte aufwenden müssen.
Verfügungsbeschränkungen, mit denen Aktien belastet sind, sollen nach den erkennbaren Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Ermittlung des "üblichen Mittelpreises" des Verbrauchsorts nicht zu Wertabschlägen führen.
a) Die Vorstellungen des Gesetzgebers ergeben sich einmal aus den Vorschriften über die einkommensteuerliche Begünstigung von Vermögensbeteiligungen in Arbeitnehmerhand.
aa) Eine solche Begünstigung bestand auch im Streitjahr 1971 nach dem im Streitfall allerdings nicht anwendbaren § 8 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei der Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer i. d. F. vom 10. Oktober 1967 - KapErhStG - (BGBl I 1967, 977, BStBl I 1967, 367). Überläßt hiernach eine AG oder Kommanditgesellschaft a. A. ihren Arbeitnehmern eigene Aktien zu einem unter dem Börsenkurs liegenden Kurs (Vorzugskurs) und wird hierbei vereinbart, daß die Aktien innerhalb von fünf Jahren nicht veräußert werden dürfen (Sperrfrist), so gehört der Vorteil, der sich aus dem Unterschied zwischen dem am Tag der Beschlußfassung maßgebenden Börsenkurs und dem Vorzugskurs (Kursunterschied) errechnet, aufgrund dieser steuerlichen Begünstigungsvorschrift nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Soweit jedoch der Unterschied höher ist als die Hälfte des Börsenkurses, zählt der Vorteil aus dem Kursunterschied "in voller Höhe" zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Das gleiche gilt, soweit der Vorteil aus den Kursunterschieden für den einzelnen Arbeitnehmer 500 DM im Kalenderjahr übersteigt. Bei Aktien, die nicht zum Handel an der Börse oder im geregelten Freiverkehr zugelassen sind, tritt an die Stelle des Börsenkurses der gemeine Wert.
Der Gesetzgeber ist hier offensichtlich von dem Vorverständnis ausgegangen, daß selbst eine fünfjährige Sperrfrist nicht zur Verneinung eines geldwerten Vorteils in Höhe des vorgenannten Unterschiedsbetrags führen kann. Denn sonst hätte es einer steuerrechtlichen Begünstigungsvorschrift nicht bedurft, die einen Vorteil in Höhe der vorgenannten Wertunterschiede ausdrücklich von der Einkommensteuerpflicht befreit hat. Die beiden vorgenannten Ausnahmetatbestände erfassen trotz der fünfjährigen Sperrfrist den Vorteil dieser Wertunterschiede "in voller Höhe". Von dieser Vorstellung des Gesetzgebers, daß mehrjährige Verfügungsbeschränkungen keinen Wertabschlag bei Belegschaftsaktien rechtfertigen, ist auch im Rahmen des § 8 Abs. 2 EStG im vorliegenden Streitfall auszugehen, auf den § 8 KapErhStG nur deshalb nicht anwendbar ist, weil die Sperrfrist nicht fünf, sondern nur zwei Jahre betragen hat.
bb) Die gleiche Konzeption liegt auch dem - allerdings erst zum 1. Januar 1984 in Kraft getretenen - § 19a EStG u. a. beim unentgeltlichen oder verbilligten Erwerb von Aktien eines Arbeitgebers zugrunde, die dieser mit Sitz und Geschäftsleitung im Geltungsbereich des EStG ausgegeben hat oder die an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel oder zum geregelten Markt zugelassen sind oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen sind. Der Vorteil der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung ist nach dieser Vorschrift z. B. i. d. F. des EStG 1986 ebenfalls einkommensteuerfrei, soweit er nicht höher als der halbe Wert der Vermögensbeteiligung ist und insgesamt 300 DM im Kalenderjahr nicht übersteigt. Voraussetzung ist jedoch nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift, daß eine solche Vermögensbeteiligung unverzüglich nach ihrer Überlassung bis zum Ablauf einer Frist von sechs Jahren (Sperrfrist) festgelegt wird. Trotz der auf sechs Jahre angehobenen Sperrfrist geht der Gesetzgeber also auch hier davon aus, daß dem Arbeitnehmer durch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Aktien ein dementsprechender geldwerter Vorteil zugeflossen ist, den er gerade durch § 19a EStG ganz oder teilweise von der Einkommensteuer hat freistellen wollen.
b) Von den gleichen Erwägungen hat sich der Gesetzgeber auch bei der Ermittlung des gemeinen Werts von Wirtschaftsgütern in § 9 des Bewertungsgesetzes (BewG) leiten lassen, eines Werts, der - wie ausgeführt - auch im Streitfall anzusetzen ist. Nach dieser, hilfsweise auch im Einkommensteuerrecht maßgeblichen Vorschrift (vgl. § 1 BewG sowie Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Januar 1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327, BStBl II 1978, 295, und vom 24. Juni 1982 IV R 151/79, BFHE 136, 375, BStBl II 1982, 751) wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Nach Abs. 2 Satz 3 dieser Vorschrift müssen jedoch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bei der Wertermittlung außer Betracht bleiben. Zu diesen persönlichen Verhältnissen zählen nach § 9 Abs. 3 BewG auch Verfügungsbeschränkungen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Solche Verfügungsbeschränkungen können nach der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung zum BewG (vgl. insbesondere Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 9 BewG Anm. 25 f.; Steinhardt, Bewertungsgesetz-Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 9 BewG Bem. 7) auf Gesetz, vertraglicher Vereinbarung (vertragliche Veräußerungsverbote, Verkaufsbeschränkungen und Nutzungsbeschränkungen) oder letztwilliger Anordnung beruhen und auch absoluter Art sein, wie z. B. bei Geschäftsunfähigkeit (§ 104 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), Beschränkung infolge Konkurses (§ 6 Abs. 1 der Konkursordnung - KO -) oder infolge der Anordnung der Zwangsversteigerung bei einem Grundstück (§ 20, § 23 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG -). Der Grund für das Außerachtlassen solcher Verfügungsbeschränkungen dürfte auch hier in der fehlenden Möglichkeit liegen, objektive Anhaltspunkte für die Schätzung von Abschlägen zu finden. Um eine Verfügungsbeschränkung i. S. des § 9 Abs. 3 BewG würde es sich auch im Streitfall handeln, weil das zweijährige Veräußerungsverbot nicht für alle Aktionäre besteht, sondern nur "in der Person" einzelner Aktionäre, hier der Arbeitnehmer, "begründet" ist.
c) Ein Abschlag vom Wert der Alt-Aktien ist im Streitfall auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei den Belegschaftsaktien um sog. vinkulierte Namensaktien gehandelt hat, also um Aktien, die auf den Namen des jeweiligen Inhabers lauteten und nur mit Zustimmung des Vorstandes der AG veräußert werden konnten. Ein solcher Abschlag scheidet im Streitfall jedenfalls deshalb aus, weil es sich insoweit nicht um eine Besonderheit handelt, die nur die vom Kläger erworbenen Belegschaftsaktien betraf. Denn nach der vom Kläger im zweiten Rechtsgang beim FG eingereichten Satzung der AG bestand das Grundkapital dieser Gesellschaft ausschließlich aus Aktien, die auf den jeweiligen Namen des Inhabers lauteten und nur mit schriftlicher Zustimmung des Vorstandes veräußert werden konnten. Die Ausgabe von vinkulierten Namensaktien war mithin ein Faktor, der sowohl die Altaktionäre wie auch die Belegschaftsmitglieder als Neuaktionäre betraf. Geht man mit dem FG aber davon aus, daß der gemeine Wert der Alt-Aktie im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger zumindest 63,75 DM betrug, so hat der Umstand der vinkulierten Namensaktie bereits in diesem gemeinen Wert der Alt-Aktien seinen Niederschlag gefunden. Er kann daher nicht in Form eines Abschlags bei den vom Kläger erworbenen Neu-Aktien zusätzlich berücksichtigt werden.
2. Kein Abschlag wegen Ausgabe junger Aktien
Der Senat tritt dem FG auch nicht darin bei, daß ein Abschlag vom Wert der Alt-Aktie von 63,75 DM wegen der Ausgabe junger Aktien zu machen ist. Ein solcher Abschlag wäre nach der Entscheidung des Senats im ersten Rechtsgang gerechtfertigt, wenn der Wert der Alt-Aktien infolge der Ausgabe der neuen Aktien gesunken wäre. Das war hier jedoch nicht der Fall. Das FG hat sich bei der vorgenannten Schätzung des gemeinen Werts der Alt-Aktien von 63,75 DM ohne Rechtsverstoß von der Stellungnahme des Börsenmaklers K leiten lassen. Hiernach ist der Wert der Alt-Aktien wegen des Erwerbs der Neu-Aktien durch die Belegschaftsmitglieder gerade nicht gefallen, sondern in den nachfolgenden zwei Wochen rapide gestiegen.
III. Entscheidung des Streitfalls
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG teilweise von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das FA die Differenz zwischen dem Wert der Alt-Aktien von 63,75 DM je Aktie und dem Ausgabepreis der Belegschaftsaktien zum Nennwert von 50 DM als geldwerten Vorteil den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu Recht zugerechnet und der Einkommensteuer des Jahres 1971 unterworfen hat, ist die Klage des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.