Normen
§ 38 HGB (a.F.)
§ 39 HGB (a.F.)
§ 242 HGB (n.F.)
§ 252 HGB (n.F.)
§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO
§ 57 FGO
§ 179 AO 1977
§ 360 AO 1977
§ 365 AO 1977
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Bilanzierung von Einlösungsverpflichtungen aus der Hingabe sog. Gutmünzen im Streit.
Die S-KG (KG) betrieb seit 1. Januar 1958 in Form einer KG und ab 1974 in Form einer GmbH & Co. KG den Einzelhandel mit Schuhen.
An der KG waren in den Streitjahren 1969 bis 1973 A. S., der Kläger und Revisionskläger -- Kläger --, als Komplementär und B. S., die Klägerin und Revisionsklägerin -- Klägerin --, als Kommanditistin beteiligt. Im Streitjahr 1974 waren die A. S. Verwaltungs GmbH als Komplementärin ohne Kapitaleinlage, aber gegen Haftungsvergütung und Ersatz der Unkosten und A. S. sowie B. S. als Kommanditisten beteiligt.
In den Jahren 1960 bis 1974 verkaufte die KG sog. Gutmünzen aus Metall zu 1 DM und 5 DM. Die Münzen, die kein Ausgabedatum trugen, konnten bei sämtlichen Filialen der KG in beliebiger Zahl und ohne zeitliche Beschränkung in Höhe des aufgedruckten Werts zum Empfang von Waren, zur Anrechnung auf den Kaufpreis von Waren oder zur Rückzahlung von Bargeld eingelöst werden.
Die KG erfaßte nur die Ausgabe der Gutmünzen an die Filialen sowie die Bestände an den jeweiligen Bilanzstichtagen. Über Umsätze, die von ihren Filialen durch die mehrfache Ausgabe derselben Münzen getätigt wurden, liegen keine Aufzeichnungen vor. Nach einer die Streitjahre betreffenden Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) in den geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden 1969 bis 1974 vom 3. Januar 1977 den Ausweis der Verbindlichkeiten nur teilweise an.
Das Finanzgericht (FG) hat der von den Prozeßbevollmächtigten namens der KG erhobenen Klage nur teilweise stattgegeben.
Nach Erhebung der Klage wurden sämtliche Kommanditanteile auf die Komplementär-GmbH übertragen; diese führte das Geschäft unter Übernahme aller Aktiva und Passiva und unter Ausschluß der Liquidation ab 1978 fort.
Im Verlauf des Klageverfahrens wurden die Gewinnfeststellungsbescheide vom 3. Januar 1977 der Klägerin bekanntgegeben. Da diese hiergegen keinen Rechtsbehelf erhob, wurde sie -- ebenso wie der Kläger -- im Jahr 1984 vom FG zum Klageverfahren beigeladen.
Nach Auffassung des FG waren die Verpflichtungen der KG zur Einlösung der Gutmünzen als Rückstellungen zu bilanzieren, da die Verbindlichkeiten zwar dem Grunde nach gewiß, der Höhe nach jedoch ungewiß gewesen seien. Angesichts des ständig steigenden Betrags nicht eingelöster Gutmünzen sei davon auszugehen, daß ein Teil der Verbindlichkeiten nicht geltend gemacht werde. Für die demnach zur Bewertung der Verbindlichkeiten erforderliche Schätzung holte das FG ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W., dem Leiter des Seminars für Spezialgebiete der Statistik an der Universität X, ein. Dieser ermittelte anhand eines Wahrscheinlichkeitsmodells und auf der Grundlage der Einlösungen von Gutmünzen sowohl die wahrscheinlichsten Einlösungsbeträge (5, 17 v. H. der jeweiligen Jahresausgabe; Gleichverteilung des Fehlerrisikos zwischen FA und KG) als auch diejenigen Einlösungsbeträge, die -- ein gleichbleibendes Verhalten der Münzinhaber unterstellt -- mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 v. H. nicht überschritten werden. Ausgehend von letzteren Werten setzte das FG die festgestellten Gewinne niedriger fest. Im übrigen wies es die Klage ab.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, daß die Einlösungsverpflichtungen am jeweiligen Bilanzstichtag mit dem Nennwert zu bilanzieren seien. Für die Passivierung von Verbindlichkeiten, die dem Grunde und der Höhe nach gewiß seien, komme es nicht darauf an, ob mit ihrer Geltendmachung gerechnet werden müsse. Eine Schätzung sei demnach nicht vorzunehmen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und die Gewinnfeststellungsbescheide unter Berücksichtigung der Nennwerte der Einlösungsverpflichtungen zu ändern.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht begründet.
Entscheidungsgründe
1.
Da die KG durch die Übertragung sämtlicher Kommanditanteile während des Klageverfahrens voll beendet wurde, ist das Rubrum des finanzgerichtlichen Urteils dahin gehend zu berichtigen, daß das Urteil nicht gegen die KG, sondern gegen die Kläger ergangen ist (zur Berichtigung durch das Revisionsgericht vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820, m. w. N.).
Wie der erkennende Senat in seinemUrteil vom 22. November 1988 VIII R 90/84 (BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326) im einzelnen dargelegt hat, führte die Vollbeendigung der KG dazu, daß ihre Beteiligtenfähigkeit und damit auch ihre Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erloschen ist. Gleichwohl ist der anhängige Rechtsstreit nicht unterbrochen worden (§ 239 der Zivilprozeßordnung -- ZPO -- i. V. m. § 155 FGO), da die KG bereits im finanzgerichtlichen Verfahren durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246 ZPO i. V. m. § 155 FGO) und A. S. sowie B. S. als Feststellungsbeteiligte i. S. von § 239 ZPO Rechtsnachfolger der zunächst klagebefugten Personenhandelsgesellschaft wurden. Der Beschluß des FG, B. S. und A. S. zu dem finanzgerichtlichen Verfahren beizuladen, war somit -- da auf eine verfahrensrechtlich unmögliche Rechtsfolge gerichtet -- nichtig (analog § 125 der Abgabenordnung -- AO 1977 --, § 44 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes -- VwVfG --).
2.
Einer sachlichen Entscheidung des erkennenden Senats steht nicht entgegen, daß die Klägerin -- obgleich sie zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide bereits aus der KG ausgeschieden war -- zum Einspruchsverfahren nicht hinzugezogen wurde (§ 360 Abs. 3 i. V. m. §§ 365, 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).
Denn nach der Rechtsprechung des BFH wird eine unterbliebene notwendige Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren durch die Beteiligung am finanzgerichtlichen Verfahren, sei es als Beigeladener (§ 57 Nr. 3 FGO) oder sei es als Kläger (§ 57 Nr. 1 FGO), geheilt(Urteile vom 19. August 1982 IV R 185/80, BFHE 136, 445, BStBl II 1983, 21;vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503;vom 6. Mai 1977 III R 19/75, BFHE 122, 398, BStBl II 1977, 783;vom 16. März 1984 III R 107/83, nicht veröffentlicht -- n. v. --;vom 19. August 1982 IV R 184/81, Deutsche Steuer-Zeitung -- DStZ -- 1983, 106;vom 7. Juli 1983 IV R 220/80, n. v.).
Der Senat sieht in dieser Auffassung jedenfalls dann eine zutreffende Auslegung des Gesetzes, wenn -- wie im Streitfall -- der Einspruch zurückgewiesen wurde und somit der Regelungsgehalt des allen Beteiligten bekanntgegebenen Gewinnfeststellungsbescheids durch die Rechtsbehelfsentscheidung der Finanzbehörde keine Änderung erfahren hat.
Der II. Senat des BFH hat auf Anfrage des erkennenden Senats mitgeteilt, daß er an seiner Auffassung, nach der die Heilung der im Einspruchsverfahren unterbliebenen notwendigen Hinzuziehung durch die Beiladung zum finanzgerichtlichen Verfahren nur dann einträte, wenn den Beigeladenen auch die Einspruchsentscheidung zugestellt werde(Urteile vom 3. Dezember 1986 II R 59/86, BFHE 148, 420, BStBl II 1987, 302;vom 17. Juli 1985 II R 228/82, BFHE 144, 155, BStBl II 1985, 675), unter der Voraussetzung nicht mehr festhalte, daß kein nachträglich geheilter Verfahrens- oder Formmangel i. S. von § 126 AO 1977 vorgelegen habe und die materielle Rechtslage unverändert geblieben sei. Diese Einschränkungen sind im anhängigen Verfahren nicht berührt.
II.
Die Auffassung des FG, daß die Verpflichtungen der KG zur Einlösung der Gutmünzen in Höhe des Teilbetrages, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geleistet werden muß, nicht passiviert werden durften, ist im Ergebnis zutreffend.
1.
Nach den für die KG geltenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung sind die Verpflichtungen zur Einlösung der ausgegebenen Gutmünzen als "Verbindlichkeiten" in den Bilanzen der KG auszuweisen (§ 38 des Handelsgesetzbuches -- HGB -- a. F., § 151 Abs. 1 des Aktiengesetzes -- AktG -- a. F.; jetzt §§ 247, 266 HGB n. F.; § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., 1987, § 5 Anm. 36; Clemm/Nonnenmacher in Beck'scher Bilanzkommentar, 1986, § 247 Rdnr. 352). Denn Grund und Höhe der rechtlich entstandenen Verpflichtungen stehen an den jeweiligen Bilanzstichtagen fest.
a)
Da sich die KG nach den Feststellungen der Vorinstanz durch die Ausstellung und Ausgabe der Gutmünzen gegenüber jedem Inhaber verpflichtete, die Marken unter Anrechnung auf den Kaufpreis (Leistung an Erfüllungs Statt, § 364 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) zurückzunehmen oder die aufgeprägten Geldbeträge bar auszuzahlen, sind die Gutmünzen als sog. kleine Inhaberpapiere i. S. von § 807 BGB zu qualifizieren (vgl. Zöllner, Wertpapierrecht, 14. Aufl., 1987, S. 177f.). Ungeachtet dessen, für welche Einlösungsform sich der einzelne Inhaber einer Marke entscheidet, entstand jedenfalls aufgrund der Verpflichtung zur Barauszahlung eine nach den Ausgabebedingungen der KG unbedingte und in ihrer Höhe feststehende Verbindlichkeit.
Hierin unterscheiden sich die Verbindlichkeiten der KG zur Einlösung der ausgegebenen Gutmünzen von den dem Grund und der Höhe nach ungewissen Verpflichtungen eines Gewerbetreibenden, der seinen Kunden einen Barzahlungsnachlaß durch Ausgabe von Rabattmarken unter der Bedingung gewährt, daß diese durch die Zahl der zurückgegebenen Marken das Erreichen eines Mindesteinkaufswerts belegen (vgl. hierzu eingehend BFH-Urteil vom 4. Dezember 1959 III 317/59 S, BFHE 70, 212, BStBl III 1960, 80, sowie Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl., 1988, § 4 des Rabattgesetzes Anm. 4; zur Rückstellung in der Steuerbilanz vgl. Urteile des BFH vom 15. November 1960 I 189/60 U, BFHE 72, 126, BStBl III 1961, 48; vom 7. Februar 1968 I 267/64, BFHE 91, 526, BStBl II 1968, 445).
b)
Der Beurteilung der Einlösungsverpflichtungen als Verbindlichkeiten steht nicht entgegen, daß nach den §§ 807 i. V. m. 797 Satz 1 BGB die KG nur gegen Aushändigung der Gutmünzen zur Leistung verpflichtet war. Denn die Vorschrift des § 797 Satz 1 BGB enthält keine Bedingung für das Entstehen der Verbindlichkeit, sondern gewährt dem Aussteller ein Zurückbehaltungsrecht i. S. der §§ 273, 274 BGB mit der Folge, daß er seine Leistungspflicht nur Zug um Zug gegen Aushändigung der Inhabermarke zu erfüllen hat (Hüffer, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., 1986, § 797 Anm. 2).
c)
Gegen die Passivierung der Verpflichtungen der KG als Verbindlichkeiten läßt sich weiterhin nicht einwenden, daß nach einer im handelsrechtlichen Schrifttum vertretenen Auffassung Verpflichtungen, die dem Grunde und der Höhe nach feststehen, bereits dann als Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen sind, wenn erhebliche Zweifel darüber bestehen, ob der Schuldner tatsächlich in Anspruch genommen wird (Clemm/Nonnenmacher, a. a. O., § 247 Anm. 361; anderer Ansicht Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., 1968, § 149 Anm. 38).
Der Senat kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Denn sie hätte, sofern hiermit auch eine Bewertung der Verbindlichkeiten nach den für Rückstellungen geltenden Grundsätzen zum Ausdruck gebracht werden soll (dazu Schmidt, a. a. O., § 5 Anm. 43, m. w. N.), zur Folge, daß die strengen Voraussetzungen, die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung an den Nichtausweis bestehender Verbindlichkeiten in der Bilanz des Kaufmanns zu stellen sind, unterlaufen würden (vgl. Abschn. 2).
2.
Trotz des rechtlichen Bestehens der Einlösungsverpflichtungen war die KG zu den jeweiligen Bilanzstichtagen nicht berechtigt, sämtliche Verbindlichkeiten zu passivieren.
a)
Wie der BFH mehrfach ausgesprochen hat, ist die für die Bewertung von Verbindlichkeiten in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG angeordnete sinngemäße Anwendung des Anschaffungswertprinzips (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) dahin zu verstehen, daß ihre Bilanzierung -- nach den im Steuerrecht zu beachtenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung -- grundsätzlich zum Nennwert oder zum höheren Teilwert zu erfolgen hat (vgl. § 156 Abs. 2 AktG a. F.; jetzt § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB n. F.; Urteile des BFH vom 4. Mai 1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802; vom 31. Januar 1980 IV R 126/76, BFHE 130, 372, BStBl II 1980, 491, m. w. N.).
b)
Nach dem handelsrechtlichen Schrifttum widerspricht es jedoch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, wenn ein Kaufmann Verbindlichkeiten in seiner Bilanz ausweist, obwohl mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist, so daß die -- bestehende -- rechtliche Verpflichtung für ihn keinerlei wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (Hüttemann in Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abt. III/8 "Die Verbindlichkeiten", Anm. 41, und in Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung für Verbindlichkeiten, 2. Aufl., 1976, S. 9 ff.). Dieser Auffassung hat sich der BFH in seinen NV-Urteilenvom 10. Mai 1984 IV R 219/81 und vom 24. April 1968 I 160/65 angeschlossen (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 1500 "Nichtgeltendmachung einer Forderung").
Der erkennende Senat stimmt dieser Ansicht zu. Er tritt hiermit nicht in Widerspruch zu seinemUrteil vom 17. November 1987 VIII R 348/82 (BFHE 152, 226, BStBl II 1988, 430). Nach dieser Entscheidung darf ein Kaufmann, der mit dem anderen Vertragsteil über die Änderung oder Aufhebung eines geschlossenen Vertrages verhandelt, nach den Grundsätzen der vorsichtigen Bilanzierung von dem Ansatz einer Rückstellung oder Verbindlichkeit, die sich aus dem bestehenden Vertrag ergibt, erst dann absehen, wenn der Vertrag geändert oder aufgehoben wird. Denn bei einer dem Grunde nach gewissen Verbindlichkeit ist davon auszugehen, daß der Gläubiger von seinen Rechten Gebrauch machen wird, die Gefahr der Inanspruchnahme damit gegeben ist. Wie der sich daran anschließende Hinweis auf das Urteil des BFH vom 27. November 1968 I 162/64 (BFHE 94, 383, BStBl II 1969, 247) zeigt, hat sich der Senat damit nicht auf die Gültigkeit eines allgemeinen Erfahrungssatzes berufen, sondern lediglich ausgesprochen, daß im Regelfall das Bestehen einer Verbindlichkeit darauf schließen lasse, daß der Gläubiger sein Forderungsrecht geltend machen werde. Steht jedoch aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls fest, daß einzelne Verbindlichkeiten nicht erfüllt werden müssen, so führt dies -- wie dargelegt -- nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung zu einem Bilanzierungsverbot.
c)
Die Geltung dieser Grundsätze wird im Streitfall nicht dadurch in Frage gestellt, daß die nicht passivierbaren Verbindlichkeiten Teil eines Gesamtbestandes gleichartiger Verpflichtungen und angesichts ihres geringen Einzelwerts und der Umstände ihrer Begründung einer individuellen Bestimmung nicht zugänglich sind. Denn eine Bilanzierung zum Nennwert würde den Bestand an Schulden, die den Kaufmann wirtschaftlich belasten, unrichtig wiedergeben (§ 39 HGB a. F.; jetzt § 242 HGB n. F.). Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung bedarf es in einem solchen Fall deshalb der Schätzung der Verbindlichkeiten, die -- unter Beachtung des Vorsichtsprinzips -- mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen (s. Abschn. 2e).
d)
Der Anwendung einer solchen Schätzungsmethode steht nicht entgegen, daß Schulden des Kaufmanns nach den §§ 39 Abs. 1 und 2, 40 Abs. 2 HGB a. F. (jetzt §§ 240 Abs. 1, 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB n. F.) einzeln zu bewerten sind. Der Grundsatz der Einzelbewertung, der nach § 6 Abs. 1 EStG auch in der Steuerbilanz zu beachten ist, fordert, daß die Bewertung nach den Risiken und individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Vermögensgegenstandes oder der jeweiligen Schuld auszurichten ist (Adler/Düring/Schmaltz, a. a. O., § 252 HGB Anm. 43).
Wie der BFH bereits mehrfach entschieden hat, gilt der Grundsatz der Einzelbewertung nicht ausnahmslos. So entspricht es -- über die im Gesetz getroffenen Ausnahmeregelungen hinaus (vgl. §§ 240 Abs. 3 und 4, 256 HGB n. F.) -- den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, bei einem größeren Forderungsbestand eine pauschale Wertberichtigung vorzunehmen (§ 40 HGB a. F.; Urteile des BFH vom 1. April 1958 I 60/57 U, BFHE 67, 47, BStBl III 1958, 291;vom 16. Juli 1981 IV R 89/80, BFHE 134, 27, BStBl II 1981, 766; zur Zulässigkeit dieses Bewertungsverfahrens nach § 252 Abs. 2 i. V. m. § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB n. F. vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl., § 252 HGB Anm. 59, § 253 HGB Anm. 487 ff.). Der Einzelbewertungsgrundsatz wird ferner auch auf der Passivseite der Bilanz durchbrochen, nämlich beispielsweise dann, wenn der Kaufmann wegen vertraglicher oder gesetzlicher Gewährleistungsansprüche eine pauschale Rückstellung zu bilden hat. Eine solche Garantierückstellung dient zwar der Berücksichtigung einer Summe von Einzelrisiken, sie ist jedoch pauschal, nämlich nach der Höhe der ausgeführten garantiebelasteten Umsätze und nach Maßgabe der Erfahrungen in der Vergangenheit zu bewerten (vgl. Urteile des BFH vom 13. Dezember 1972 I R 7-8/70, BFHE 107, 521, BStBl II 1973, 217; vom 7. Oktober 1982 IV R 39/80, BFHE 137, 25, BStBl II 1983, 104; vom 23. Oktober 1985 I R 230/82, BFH/NV 1986, 490, jeweils m. w. N.).
Rechtsgrund des pauschalen Bewertungsverfahrens ist in Fällen der vorbezeichneten Art, daß die individuelle Ermittlung des Wertes und der Risiken eines einzelnen Bewertungsobjekts unmöglich, schwierig oder unzumutbar erscheint (Urteil in BFHE 134, 27, BStBl II 1981, 766). Erst die zusammengefaßte Bewertung mehrerer Vermögensgegenstände oder Schulden gibt hier ein zutreffendes Bild der Vermögensverhältnisse des Kaufmanns und des Standes seiner Schulden (§ 39 HGB a. F.; jetzt § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB n. F.; vgl. Groh, Zur Bilanzierung von Fremdgewährungsgeschäften, Der Betrieb 1986, 869 ff., 873).
Sind bei einem Gesamtbestand gleichartiger Verbindlichkeiten mit jeweils geringem Nennwert diejenigen Verbindlichkeiten, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen, individuell nicht bestimmbar, weil beispielsweise die Person des Forderungsinhabers oder der Zeitpunkt der Forderungsbegründung unbekannt ist, so bedarf es -- wie die Regelung des § 252 Abs. 2 HGB n. F. (dazu Adler/Düring/Schmaltz, a. a. O., § 252 Anm. 59f.) zeigt -- nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auch in diesem Fall der Anwendung eines pauschalen Bewertungsverfahrens. Denn der Umstand, daß eine Einzelbewertung nicht durchgeführt werden kann, darf auch bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung nicht dazu führen, daß in der Bilanz des Kaufmanns ein den Vermögensverhältnissen widersprechender Gesamtbestand von Verbindlichkeiten ausgewiesen wird.
e)
Für die demnach erforderliche schätzweise Ermittlung derjenigen Verbindlichkeiten, die von der KG mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen, ist jedoch der Grundsatz der vorsichtigen Bewertung zu beachten (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB n. F.; Urteile des BFH vom 27. Mai 1964 IV 352/62 U, BFHE 80, 8, BStBl III 1964, 478; in BFHE 137, 25, BStBl II 1983, 104;vom 16. November 1982 VIII R 95/81, BFHE 137, 427, BStBl II 1983, 361).
Da nach diesem Grundsatz, dem insbesondere für die Bilanzierung von Verbindlichkeiten besondere Bedeutung zukommt (Adler/Düring/Schmaltz, a. a. O., § 253 Anm. 62), der Kaufmann bei der Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden alle am Bilanzstichtag erkennbaren Risiken zu berücksichtigen hat, kommt der Nichtausweis einer bestehenden Verbindlichkeit erst dann in Betracht, wenn nach den Erfahrungen in der Vergangenheit darauf geschlossen werden kann, daß aus dem Gesamtbestand der Verpflichtungen ein bestimmter Teil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geltend gemacht wird. Der Senat hält hierfür einen Erfahrungszeitraum von mindestens fünf Jahren für erforderlich.
Dem Vorsichtsprinzip würde weiterhin eine schätzweise Ermittlung der nicht passivierbaren Verbindlichkeiten getrennt nach den Jahren ihrer tatsächlichen rechtlichen Entstehung am ehesten gerecht. Da die Klägerin jedoch keine Aufzeichnungen über die jährliche Gesamtausgabe und -einlösung der Gutmünzen führte und diese selbst auch kein Ausgabedatum trugen, hat der Senat keine Bedenken, wenn die Verbindlichkeiten, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen, anhand des Inventurbestands und dem Wert der ausgegebenen Gutmünzen zum jeweiligen Bilanzstichtag, den hiernach als wahrscheinlich anzusehenden Jahresumsatzbeträgen und auf der Grundlage der Erfahrungen in den Vorjahren geschätzt werden. Sofern sich an einem Bilanzstichtag mit hinreichender Bestimmtheit zeigen sollte, daß die Inhaber von Gutmünzen von ihren Forderungsrechten in größerem Umfang als in den Vorjahren Gebrauch machen, wäre auch dieser Umstand nach dem Grundsatz der vorsichtigen Bilanzierung zu berücksichtigen.
3.
Die Schätzung des FG entspricht diesen Anforderungen.
Da im Streitjahr 1969 die fünfjährige Mindestfrist seit der erstmaligen Ausgabe der Gutmünzen deutlich überschritten wurde, bestehen -- angesichts der Erfahrungswerte aus den Vorjahren -- gegenüber der Schätzung der nicht passivierbaren Verbindlichkeiten dem Grunde nach keine Bedenken. Weiterhin nicht zu beanstanden ist -- wie bereits dargelegt (s. oben 2.e) -- die Methode (statistisches Wahrscheinlichkeitsmodell) des der gerichtlichen Schätzung zugrunde liegenden Sachverständigengutachtens. Im Ergebnis zutreffend hat die Vorinstanz schließlich als Maßstab seiner Schätzung nicht den wahrscheinlichen Betrag der nicht zu erfüllenden Verpflichtungen, sondern den Nennbetrag der Verpflichtungen angesehen, für die mit "hoher Wahrscheinlichkeit" (99 v. H.) eine Inanspruchnahme nicht zu erwarten ist.