Normen
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische GmbH, die die Herstellung von ... betreibt. Sie schloß am 22. Februar 1967 mit der A-Ltd, einer japanischen Kapitalgesellschaft, einen Partnerschaftsvertrag. In diesem wurde u. a. die Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft mit Sitz in Japan vereinbart, die ebenfalls ... herstellen sollte. Die Klägerin sollte der zu gründenden Tochtergesellschaft Lizenzen gewähren.
Die japanische Tochtergesellschaft (TG) wurde noch im Jahre 1967 gegründet. Die Klägerin übernahm 25 v. H. der Geschäftsanteile. Die übrigen Geschäftsanteile wurden von zwei japanischen Kapitalgesellschaften, der A-Ltd und der B-Ltd, übernommen. Das Stammkapital betrug zunächst 100 Mio. Yen. Am 22. September 1970 wurde es auf 200 Mio. Yen erhöht. Die Klägerin übernahm 25 v. H. der neuen Anteile, während die restlichen Anteile ausschließlich von der A-Ltd übernommen wurden. Zum Ende ihres Wirtschaftsjahres 1969/70 (Bilanzstichtag: 30. September) wies die Klägerin die Beteiligung an der TG mit 507 750 DM in der Bilanz aus. In der Bilanz zum 30. September 1971 schrieb die Klägerin die Beteiligung wegen dauernder Verluste der TG auf 1 DM ab. Im Wirtschaftsjahr 1969/70 erzielte sie allerdings Lizenzeinnahmen von der TG in Höhe von rund 5 Mio. Yen und im Wirtschaftsjahr 1970/71 Lizenzeinnahmen in Höhe von 18 Mio. Yen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte im Körperschaftsteuerbescheid 1971 vom 26. Juni 1975 der Teilwertabschreibung die steuerrechtliche Anerkennung. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 11. Mai 1984 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 8. August 1977 aufzuheben und unter Änderung des Bescheids vom 26. Juni 1975 die auf die Beteiligung an der TG vorgenommene Teilwertabschreibung in Höhe von 507 749 DM anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 6 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1968) i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Ist der Teilwert der Beteiligung niedriger, so kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Teilwert der Beteiligung ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für die Beteiligung ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt. Die Abschreibung einer Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert setzt deshalb voraus, daß der innere Wert der Beteiligung gesunken ist.
2. Für die Bestimmung des Teilwertes einer Beteiligung ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich davon auszugehen, daß die Aufwendungen, die ein Kaufmann für den Erwerb einer Beteiligung macht, im Zeitpunkt der Anschaffung dem Teilwert entsprechen. Diese Vermutung beruht auf der Erfahrung des Wirtschaftslebens, daß ein Kaufmann für den Erwerb einer Beteiligung keinen höheren Preis zu zahlen bereit ist, als diese ihm wert ist. Die Vermutung kann nur durch den Nachweis entkräftet werden, daß die Anschaffung von vornherein eine Fehlmaßnahme war (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Februar 1956 I 239/54 U, BFHE 62, 274, BStBl III 1956, 102; vom 26. August 1958 I 80/57 U, BFHE 67, 382, BStBl III 1958, 420; vom 22. April 1964 I 386/61 U, BFHE 79, 358, BStBl III 1964, 362; vom 20. Mai 1965 IV 49/65 U, BFHE 83, 5, BStBl III 1965, 503; vom 27. März 1968 I 133/65, BFHE 92, 214, BStBl II 1968, 521; vom 23. September 1969 I R 71/67, BFHE 97, 169, BStBl II 1970, 87; vom 9. März 1977 I R 203/74, BFHE 122, 68, BStBl II 1977, 515; vom 31. Oktober 1978 VIII R 124/74, BFHE 126, 288, BStBl II 1979, 108). Bei einer Beteiligung an einem neu gegründeten Unternehmen kommt eine Teilwertabschreibung wegen Anlaufverlusten regelmäßig nicht in Betracht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. Mai 1939 III 140/38, RStBl 1939, 805). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesellschafter zur Beseitigung von Verlusten und zur Erreichung der Rentabilität erhebliche neue Mittel zuführt (vgl. Urteil in BFHE 83, 5, BStBl III 1965, 503). Andererseits kann eine Teilwertabschreibung dann geboten sein, wenn die Beteiligung - z. B. infolge nachhaltig hoher Verluste - eine nachträgliche Wertminderung erfahren hat. Allerdings genügt in einem solchen Fall nicht allein die Feststellung, daß hohe Verluste eingetreten sind. Für den Wert einer Beteiligung im Rahmen des Gesamtunternehmens sind nicht nur die Ertragslage und die Ertragsaussichten, sondern auch der Vermögenswert und die funktionale Bedeutung des Beteiligungs-Unternehmens für die Wertzumessung entscheidend. Die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung sind deshalb in einem solchen Fall nur dann gegeben, wenn zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem Bilanzstichtag Umstände eingetreten sind, die die Annahme rechtfertigen, daß die Wiederbeschaffungskosten unter den derzeitigen Anschaffungskosten liegen (vgl. Urteil in BFHE 97, 169, BStBl II 1970, 87).
3. Das FG hat die begehrte Teilwertabschreibung mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung für den Betrieb der Klägerin nicht anerkannt. Dieser Auffassung des FG ist insoweit zuzustimmen, als der Teilwert einer Beteiligung auch durch ihre wirtschaftliche Bedeutung, d. h. durch die Vorteile beeinflußt wird, die die Beteiligung im konkreten Einzelfall für den Betrieb des Steuerpflichtigen hat. Jedoch lassen die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht die Schlußfolgerung zu, daß der Beteiligung der Klägerin an der TG ein gegenüber dem Substanzwert höherer Teilwert zukam.
a) Das FG ist einmal zu der Überzeugung gekommen, daß die Klägerin auf die Geschäfte der TG Einfluß nehmen konnte und daß sie darüber hinaus einen Einblick in die Verhältnisse auf dem japanischen Markt erhielt, "der ihr selbst zugute kommen konnte". Diese Feststellungen sind indes so allgemein gehalten, daß sie nichts darüber aussagen, ob ein Dritter, der das Unternehmen der Klägerin als Ganzes gekauft hätte, deshalb einen über den Substanzwert der Beteiligung hinausgehenden höheren Wert als Kaufpreis bezahlt hätte. Die vom FG festgestellten Einflußnahmemöglichkeiten der Klägerin auf die TG sind in erster Linie formeller Natur. Sie besagen nichts darüber, ob die Klägerin daraus zusätzliche Vorteile für den eigenen Betrieb erzielte oder zumindest konkret erwarten durfte. Ebenso kann ein Einblick in die Verhältnisse auf dem japanischen Markt nur dann die Annahme eines höheren Teilwertes rechtfertigen, wenn sich daraus die Erwartung konkreter betrieblicher Vorteile ergibt. Dazu fehlen jedoch die erforderlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO).
b) Das FG ist zwar auch zu der Überzeugung gekommen, daß der Wert der Beteiligung durch die Lizenzeinnahmen bestimmt worden sei, die die Klägerin von der TG bezog. Das FG hat jedoch nicht festgestellt, daß die Klägerin aus der Sicht des maßgebenden Bilanzstichtages mit unverändert hohen Lizenzeinnahmen rechnen konnte. Außerdem steht der vorgenommenen Beurteilung die weitere Feststellung des FG entgegen, daß die Lizenzeinnahmen der Höhe nach angemessen waren. Dies spricht dafür, daß ein fremder Dritter gleich hohe Lizenzgebühren gezahlt haben würde. Dann aber kann die Höhe der Lizenzeinnahmen den Wert der Beteiligung nur beeinflussen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß die Klägerin keinem anderen japanischen Unternehmen eine Lizenz zu vergleichbaren Bedingungen hätte einräumen können. Eine solche Feststellung hat das FG jedoch nicht getroffen. Deshalb reicht der Hinweis auf die Höhe der Lizenzeinnahmen für die Annahme eines höheren Teilwertes der Beteiligung nicht aus.
4. Das FG hat es andererseits abgelehnt, die begehrte Teilwertabschreibung schon unter dem Gesichtspunkt von "Anlaufverlusten" auszuschließen, weil nicht jeder in der Anlaufphase eintretende Verlust ein "Anlaufverlust" sei und weil die TG tatsächlich keine nachhaltigen Gewinne erzielt habe. Diese Auffassung des FG ist jedoch nicht frei von Rechtsirrtum. Ein in der Anlaufphase einer Kapitalgesellschaft eintretender Verlust ist nur dann kein "Anlaufverlust", wenn er auf einer Fehlmaßnahme beruht (vgl. Urteil in BFHE 126, 288, BStBl II 1979, 108). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligung im nachhinein als Fehlmaßnahme von Anfang an zu beurteilen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob zum Bilanzstichtag entsprechend dem Erkenntnisstand eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen eine Erfolgsaussicht bestand oder ob die Fehlmaßnahme als solche schon zu erkennen war. Dazu fehlen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des FG. Die Frage kann nicht nur nach den in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Verlusten beurteilt werden. Zu berücksichtigen ist u. a. auch, daß der Mehrheitsgesellschafter in allen Jahren seit der Gründung erhebliche Zuschüsse geleistet hatte, was dafür spricht, daß jedenfalls er die Chance für eine grundlegende Änderung der Ertragsaussichten sah (vgl. Urteil in BFHE 83, 5, BStBl III 1965, 503). Außerdem erhöhten die Gesellschafter noch am 22. September 1970 das Kapital um 100 v. H. Die Klägerin erwarb damals neue Anteile an der TG gegen Zahlung von 25 Mio. Yen. Dies löste die Vermutung aus, daß jedenfalls die neuen Anteile am 22. September 1970 25 Mio. Yen wert waren. Angesichts der Kapitalerhöhung um 100 v. H. kann dies sich auch auf die Bewertung der seit 1967 gehaltenen Anteile auswirken.
Der erkennende Senat kann zwar nicht ausschließen, daß die Anlaufphase der TG am 30. September 1971 bereits beendet war. Im Regelfall können jedoch als Anlaufphase für eine im Inland gegründete Kapitalgesellschaft drei Jahre und für eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft fünf Jahre angenommen werden. Der Regelsatz von fünf Jahren ergibt sich dabei aus dem Rechtsgedanken der § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG). Im Streitfall war am 30. September 1971 die Fünfjahresfrist noch nicht abgelaufen. Deshalb besteht ein Anhaltspunkt dafür, Anlaufverluste zu vermuten. Bei dieser Sachlage hätte das FG der Frage nachgehen müssen, weshalb im Streitfall die Anlaufphase ausnahmsweise bereits beendet war. Dabei mußte es nicht nur die bereits vorhandene Absatzorganisation und das von der Klägerin zur Verfügung gestellte Know-how, sondern auch die besonderen auf dem japanischen Markt auftretenden Schwierigkeiten berücksichtigen, die offensichtlich erst nach und nach offenkundig wurden.
5. Das FG hat außerdem die Auffassung vertreten, daß die am 22. September 1970 beschlossene Kapitalerhöhung kein Umstand sei, der die Annahme rechtfertige, daß die Wiederbeschaffungskosten am Bilanzstichtag nicht unter die seinerzeitigen Anschaffungskosten gesunken seien. Auch diese Auffassung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Durch die Kapitalerhöhung wurden neue Anteile geschaffen. Die neuen Anteile sind selbständige Wirtschaftsgüter unbeschadet der Tatsache, daß sie in anderer Hinsicht (z. B. Schachteldividende, Anlagevermögen) mit den seit 1967 gehaltenen Anteilen eine Einheit bilden (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1973 I R 76/71, BFHE 108, 532, BStBl II 1973, 397; vom 5. Dezember 1984 I R 62/80, BFHE 143, 43, BStBl II 1985, 311). Die Anteile sind deshalb entsprechend dem Grundsatz der Einzelbewertung für sich zu bewerten. Dabei gilt die allgemeine Vermutung, daß am 22. September 1970 die Anschaffungskosten von 25 Mio. Yen dem Teilwert der neuen Anteile entsprachen. Deshalb hätte das FG, wollte es sich nicht auf die oben genannte und von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung stützen, in tatsächlicher Hinsicht Umstände feststellen müssen, die in der Zeit vom 22. September 1970 bis zum 30. September 1971 eintraten und die Annahme rechtfertigten, daß in dieser Zeit die Wiederbeschaffungskosten unter die Anschaffungskosten sanken. An solchen Feststellungen fehlt es.
6. Das FG ist in entscheidungserheblicher Weise von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Zwar spricht die allgemeine Vermutung dafür, daß die von der TG bis zum 30. September 1971 erzielten Verluste sog. Anlaufverluste waren. Auch ist nicht zu erkennen, weshalb die Wiederbeschaffungskosten für die am 22. September 1979 erworbenen neuen Anteile bis zum 30. September 1971 unter die Anschaffungskosten gefallen sein sollten. Das FG hat jedoch seinerseits - was rechtlich möglich ist - einen Anlaufverlust verneint und ein Absinken der Wiederbeschaffungskosten für die neuen Anteile unter die Anschaffungskosten bejaht. Es hat außerdem - wenn auch mit unzureichenden tatsächlichen Feststellungen - eine wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung für den Betrieb der Klägerin angenommen, die in ihrem Wert den ursprünglichen Anschaffungskosten entspricht. Bei dieser Sachlage ist es die Aufgabe des FG, die den Teilwert der Beteiligung bildenden Faktoren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats in tatsächlicher Hinsicht abschließend festzustellen, um anschließend zu beurteilen, ob im Streitfall eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung der Klägerin an der TG zum 30. September 1971 in Betracht kommt. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.