BFH

BFHIII R 296/8420.11.1987

Amtlicher Leitsatz:

Aufwendungen für den Unterhalt einer in Davos/ Schweiz gelegenen Zweitwohnung sind keine als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Krankheitskosten.

Normen

§ 33 EStG

FG München

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Erbe des am ... verstorbenen Steuerpflichtigen. Mit seinen Einsprüchen gegen die auf eine Betriebsprüfung hin ergangenen Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 und den Einkommensteuerbescheid 1980 machte er u. a. Mietaufwendungen für eine große Dachwohnung in Davos/Schweiz als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Aufwendungen beliefen sich auf Jahresbeträge von 19 753 DM bis 25 461 DM.

Zur Begründung trug der Kläger vor, der Steuerpflichtige habe die Wohnung auf ärztliches Anraten hin angemietet, um unter den klimatischen Verhältnissen in Davos Linderung seines schweren Asthmaleidens zu finden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah diese Aufwendungen nicht als Krankheitskosten an und lehnte einen Abzug als außergewöhnliche Belastung ab.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Nachweis sei nicht erbracht worden, daß die Aufwendungen ausschließlich krankheitsbedingt angefallen seien.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 und 1980 unter Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. a) Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann die Einkommensteuer ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des Senats ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, daß er ihnen nicht auszuweichen vermag (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432, und vom 13. März 1987 III R 301/84, BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlaßten Aufwendungen stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen (Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, und vom 2. März 1984 VI R 158/80, BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484). Abziehbar sind derartige Aufwendungen jedoch nur, soweit es sich um unmittelbare Krankheitskosten handelt (BFH-Urteile vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23). Dagegen sind Aufwendungen, die nur gelegentlich oder als Folge einer Krankheit entstehen, in der Regel nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen (z. B. Urteil vom 1. Dezember 1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78), weil sie entweder nicht außergewöhnlich i. S. des § 33 Abs. 1 EStG sind oder die nach § 33 Abs. 2 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen fehlt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33 EStG Anm. 96), der Steuerpflichtige diesen Aufwendungen also ausweichen kann. Ausgehend von dieser Unterscheidung hat der BFH den durch einen krankheitsbedingten Wohnungswechsel veranlaßten Baukostenzuschuß einer Steuerpflichtigen nicht als außergewöhnliche Aufwendung angesehen (Urteil vom 20. Mai 1960 VI 200/59 S, BFHE 71, 164, BStBl III 1960, 310) und Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung aus gesundheitlichen Gründen als bloße Folgekosten einer Krankheit nicht zum Abzug zugelassen (Urteil vom 2. Dezember 1981 VI R 167/79, BFHE 135, 37, BStBl II 1982, 297, zu III).

2. Der erkennende Senat folgt diesen Grundsätzen auch im Streitfall. Danach sind die geltend gemachten Mietaufwendungen nicht schon deshalb aus tatsächlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen, weil der Steuerpflichtige in den Streitjahren an schwerem Asthma litt und der Aufenthalt in Davos wenn nicht der Heilung, so doch der Linderung dieses Leidens förderlich war. Insoweit ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß die Anmietung einer Zweitwohnung in Davos nicht als gezielte therapeutische Maßnahme im Sinne der Rechtsprechung des Senats anzusehen ist (vgl. Urteil vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596). Dafür spricht - worauf das FG zutreffend hingewiesen hat - auch die ganzjährige Anmietung der Wohnung, unkündbar zunächst für drei Jahre, sowie ihre Ausstattung und Einrichtung.

Demgegenüber kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, krankheitsbedingte Aufwendungen seien nicht auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen. Wenn schon nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG nur notwendige Aufwendungen, die einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, zu berücksichtigen sind, war es dem FG nicht verwehrt, die Dauer des Mietverhältnisses, aber auch die Lage und Größe der Wohnung sowie ihre Ausstattung als Beweisanzeichen für Aufwendungen anzusehen, die der allgemeinen Lebensführung dienen, nicht jedoch durch eine medizinisch indizierte Heilbehandlung veranlaßt sind. Dem widerspricht auch nicht das Urteil in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, auf das sich der Kläger berufen hat. Dort hat der BFH zwar u. a. ausgeführt, daß Krankheitskosten deshalb nicht auf ihre Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach untersucht werden, weil der Umfang und die Zweckmäßigkeit einer Heilbehandlung zu den höchstpersönlichen Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen gehörten. Wie der Senat jedoch in seinem Urteil vom 13. Februar 1987 III R 208/81 (BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427) entschieden hat, ist der für Heilbehandlungskosten gerechtfertigte Schutz der Privatsphäre des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen bei bloßen Fahrtkosten im allgemeinen nicht geboten; nichts anderes kann für den im Streitfall aufgewendeten, nicht unmittelbar einer Heilbehandlung dienenden Mietzins gelten.

Stichworte