Normen
§ 5 EStG
§ 6 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1971 gegründete GmbH & Co. KG. Sie stellte Industrieunternehmen Facharbeiter zur Verfügung und führt Montagen für Industrieunternehmen durch.
Gesellschafter der Klägerin waren bei Gründung die X-GmbH (im folgenden GmbH) als Komplementärin und die Kaufleute R und H, der Beigeladene zu 1, als Kommanditisten.
Mit Vertrag vom 12. April 1972 erwarb H den Kommanditanteil des R (einschließlich des Anteils an der Komplementär-GmbH) mit einem Aufgeld von 102 000 DM (Kaufpreis 152 231,92 DM; Buchwert 50 231,92 DM). H war danach alleiniger Kommanditist der Klägerin.
Mit Vereinbarung vom 17. Mai/28. Dezember 1972 veräußerte H an C, den Beigeladenen zu 2, die Hälfte seiner Kommanditbeteiligung an der Klägerin (einschließlich eines entsprechenden Anteils an der Komplementär-GmbH) zum Preise von 200 000 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, die Aufgelder, die H an R und C an H gezahlt haben, seien als Anschaffungskosten für einen Anteil am Firmenwert der Klägerin in Ergänzungsbilanzen zu aktivieren. Auf dieser Grundlage erließ das FA Gewinnfeststellungsbescheide für 1972 bis 1974. Darin waren für 1972 neben einem laufenden Gewinn von 132 733 DM ein Veräußerungsgewinn des R von 102 000 DM und ein Veräußerungsgewinn des H von ursprünglich 124 500 DM, später ermäßigt auf 99 000 DM, und für 1973 und 1974 laufende Gewinne von 200 901 DM bzw. 161 364 DM festgestellt.
Mit der Sprungklage wandte sich die Klägerin gegen den Ansatz eines Firmenwerts. Sie machte geltend, ein Teilbetrag der Aufgelder entfalle auf geringwertige Wirtschaftsgüter, der Rest auf abnutzbare immaterielle Einzelwirtschaftsgüter, nämlich die schwebenden Leihverträge mit Industriefirmen und die Einzelarbeitsverträge mit den zu verleihenden Arbeitnehmern.
Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) entsprechend dem geänderten Sachvortrag des FA davon ausging, daß von den Aufgeldern des C und des H jeweils 14 000 DM auf geringwertige Wirtschaftsgüter entfielen; demgemäß ermäßigte das FG für 1972 den insgesamt festgestellten Gewinn auf 315 379 DM unter Berücksichtigung eines Verlustes des H aus der Ergänzungsbilanz von 6 120 DM und des C aus der Ergänzungsbilanz von 12 240 DM. Die Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1973 und 1974 wies das FG ab. Das FG entschied, daß weder die schwebenden Verleihverträge noch die Arbeitsverträge mit dem Verleihpersonal selbständig bewertbar und damit aus dem Geschäftswert auszusondernde immaterielle Einzelwirtschaftsgüter seien, und daß demgemäß die Aufgelder insgesamt Anschaffungskosten für einen Firmenwert seien, soweit sie nicht auf geringwertige Wirtschaftsgüter entfielen.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Gewinne für 1972 auf 240 333 DM, für 1973 auf 184 401 DM und für 1974 auf 144 864 DM festzusetzen. Die Klägerin rügt Verletzung der §§ 5 bis 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Wird ein Personengesellschaftsanteil (Mitunternehmeranteil) oder ein Bruchteil eines solchen Anteils an einen neu eintretenden Gesellschafter oder einen von mehreren der bisherigen Gesellschafter gegen Entgelt veräußert, so hat der Erwerber seine Aufwendungen für den Gesellschaftsanteil, soweit diese höher sind als der in der Steuerbilanz der Gesellschaft fortgeführte Buchwert des Gesellschaftsanteils (Kapitalkonto), unter bestimmten Voraussetzungen in einer Ergänzungsbilanz zur Steuerbilanz der Gesellschaft als Anschaffungskosten zu aktivieren.
a) Gegenstand der Anschaffung sind einkommensteuerrechtlich nicht der Gesellschaftsanteil (als einheitliches nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut), sondern entsprechende Anteile an den einzelnen materiellen und immateriellen, bilanzierten und nicht bilanzierten Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Februar 1981 IV R 41/78, BFHE 133, 510, 511, BStBl II 1981, 730). Demgemäß sind die Aufwendungen des Erwerbers für den Gesellschaftsanteil, soweit diese höher sind als der Buchwert des Gesellschaftsanteils, in einer Ergänzungsbilanz als Anschaffungskosten für einen entsprechenden Anteil an den stillen Reserven der materiellen und bilanzierten immateriellen Wirtschaftsgüter oder an den nicht bilanzierten immateriellen Einzelwirtschaftsgütern oder am Geschäftswert der Personengesellschaft zu aktivieren.
b) Geschäftswert ist der Mehrwert, der einem gewerblichen Unternehmen über den Wert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens hinaus innewohnt. Er ist "Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in den einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind" (z. B. BFH-Urteil vom 12. August 1982 IV R 43/79, BFHE 136, 274, 277, BStBl II 1982, 652). Eine Aktivierung als Anschaffungskosten für einen Anteil am Geschäftswert ist demnach (nur) geboten, soweit die Aufwendungen nicht nachweisbar als Entgelt für bestimmte materielle oder immaterielle Einzelwirtschaftsgüter bzw. die stillen Reserven in solchen Einzelwirtschaftsgütern bezahlt worden sind (z. B. BFH-Urteil vom 25. November 1981 I R 54/77, BFHE 134, 434, 436, BStBl II 1982, 189, mit weiteren Nachweisen).
Ob Aufwendungen Anschaffungskosten für bestimmte immaterielle Einzelwirtschaftsgüter bzw. Anteile an solchen Einzelwirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens (und damit nicht Anschaffungskosten für einen - anteiligen - Geschäftswert) sind, bestimmt sich in erster Linie nach der Zweckrichtung der Aufwendungen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 1984 IV R 79/82, BFHE 141, 148, 152, BStBl II 1984, 584) und damit nach dem erklärten Willen der Vertragsparteien. Die Erklärungen der Vertragsparteien, insbesondere die im Einzelfall gewählte Bezeichnung für den Gegenstand des entgeltlichen Erwerbs, können bilanzsteuerrechtlich allerdings nur insoweit maßgeblich sein, als sie den objektiven Gegebenheiten entsprechen (BFHE 134, 434, 436, BStBl II 1982, 189). Demgemäß kommt ein Ansatz von Anschaffungskosten für immaterielle Einzelwirtschaftsgüter oder Anteile an solchen nicht in Betracht, wenn zwar nach den Erklärungen der Vertragsparteien bei der Bemessung des gesamten Entgelts bestimmte tatsächliche und rechtliche Verhältnisse des Unternehmens ausdrücklich berücksichtigt wurden, diese Verhältnisse aber bei Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht als immaterielle Einzelwirtschaftsgüter, d. h. wirtschaftliche Werte, für die eine selbständige Bewertung möglich ist (z. B. BFH-Urteil vom 28. Mai 1979 I R 1/76, BFHE 128, 367, 372, BStBl II 1979, 734, 737), sondern lediglich als unselbständige geschäftswertbildende Faktoren zu beurteilen sind. Dabei kann für die Unterscheidung zwischen immateriellen Einzelwirtschaftsgütern und geschäftswertbildenden Faktoren in Zweifelsfällen auch bedeutsam sein, ob die Vertragsparteien bei oder vor Vertragsabschluß im Rahmen der Preisfindung erkennbar eine rational nachvollziehbare Einzelbewertung bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse des Unternehmens vorgenommen und damit deren selbständige Bewertbarkeit indiziert haben.
2. Der Senat pflichtet der Vorentscheidung darin bei, daß im Streitfall der Nachweis nicht erbracht ist, die Aufwendungen des Beigeladenen zu 1 (H) beim Erwerb des Gesellschaftsanteils des R und die Aufwendungen des Beigeladenen zu 2 (C) beim Erwerb der Hälfte des Kommanditanteils des Beigeladenen zu 1 seien, soweit sie den Buchwert des Gesellschaftsanteils übersteigen und nicht auf den unstreitigen Anteil an den stillen Reserven der materiellen Wirtschaftsgüter entfallen, nicht als Anschaffungskosten für einen Anteil am Geschäftswert der Klägerin, sondern als Anschaffungskosten für einen Anteil an abnutzbaren immateriellen Einzelwirtschaftsgütern zu aktivieren.
Als abnutzbare immaterielle Einzelwirtschaftsgüter will die Klägerin die Gewinnchancen aus den mit bestimmten Industriefirmen abgeschlossenen Verleihverträgen und die Einzelarbeitsverträge mit den zu verleihenden Arbeitnehmern gewertet wissen. Dem kann der Senat nicht folgen.
a) Gewinnchancen aus mit bestimmten Industriefirmen abgeschlossenen Verträgen
Der Senat läßt offen, ob Gewinnchancen aus schwebenden Geschäften (vgl. auch § 740 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und demgemäß der sog. Auftragsbestand abnutzbare immaterielle Einzelwirtschaftsgüter sein können und Aufwendungen hierfür demgemäß nicht als Teil der Anschaffungskosten für einen Geschäftswert, sondern als Anschaffungskosten für abnutzbare immaterielle Einzelwirtschaftsgüter zu aktivieren sind. Selbst wenn man zugunsten der Revision unterstellt, daß diese Frage zu bejahen ist, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn Voraussetzung wäre mindestens, daß im Einzelfall tatsächlich bereits feste Aufträge erteilt sind, die eine selbständig bewertbare Gewinnchance beinhalten. Hieran fehlt es im Streitfall.
Das FA hat vor dem FG in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen, die Klägerin habe im Rahmen der Betriebsprüfung konkrete Aufträge, die am 31. März bzw. Anfang Mai 1972 noch nicht erfüllt gewesen seien, nicht nachgewiesen. Sie habe lediglich Rahmenverträge aus 1971 mit ihren Hauptauftraggebern, z. B. A, vorgelegt, die offensichtlich nur dazu dienten, bei konkreten Aufträgen die immer wiederkehrenden Bedingungen, wie z. B. Stundenlohn und Werkzeuggestellung, nicht jeweils neu festlegen zu müssen. Die Rahmenverträge verpflichteten die Vertragsparteien nicht zu bestimmten Leistungen.
Diesen Sachvortrag konnte die Klägerin nicht widerlegen. Die vom FA vorgelegte Kopie eines "Werkvertrags" zwischen "der Firma H", offenbar der Rechtsvorgängerin der Klägerin, und der Firma A vom 11. März 1971 weist in der Tat aus, daß die Firma A mit diesem Vertrag noch keinen nach Umfang der zu erbringenden Leistungen und dem dafür zu erlangenden Entgelt festen Auftrag erteilt hatte, der eine bewertbare Gewinnchance beinhaltete.
Demgegenüber trägt die Klägerin im Revisionsverfahren vor, es sei unzutreffend, daß die Rahmenverträge die Parteien zu keinerlei Leistungen verpflichteten; dem Grunde nach seien die Parteien durch die Rahmenverträge zu Leistung und Gegenleistung verpflichtet gewesen; branchenüblich sei lediglich der "jeweilige Leistungsumfang in einem gewissen Rahmen variabel gestaltet" worden. Dieses Vorbringen kann der Revision schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es bestätigt, daß mindestens offen war, in welchem Umfang die Klägerin Leistungen erbringen und dafür ein Entgelt erhalten werde. Damit entfällt aber auch die Möglichkeit, den Rahmenverträgen eine selbständig bewertbare Gewinnchance beizumessen. Diese Verträge sind demnach nicht mehr als einer der geschäftswertbildenden Faktoren, ebenso wie dies im Regelfall der Kundenstamm eines Unternehmens ist (z. B. BFH-Urteil vom 16. September 1970 I R 196/67, BFHE 101, 76, 78, BStBl II 1971, 175).
b) Arbeitsverträge
Zutreffend geht die Revision davon aus, daß schwebende Arbeitsverträge, oder genauer die Arbeitsleistung der im Unternehmen tätigen Arbeitnehmer, jedenfalls im Regelfall nicht als abnutzbare immaterielle Einzelwirtschaftsgüter, sondern als typische geschäftswertbildende Faktoren zu beurteilen sind. Das Vorhandensein eines "eingespielten Teams erfahrener Fachleute" entzieht sich ebenso wie etwa der Standort, die Organisation oder der gute Ruf eines Unternehmens regelmäßig einer selbständigen Bewertung und bestimmt lediglich den Wert des Unternehmens als Ganzes (vgl. auch Rohling, Der Betrieb 1985, 1609, 1612).
Entgegen der Ansicht der Revision ist dies auch bei einem "Personalverleihunternehmen" nicht anders, so daß auf sich beruhen kann, in welchem Ausmaß die Klägerin zu den fraglichen Zeitpunkten noch "Personalverleihunternehmen" und nicht bereits Montageunternehmen war.
Arbeitsverträge sind, soweit sie zu üblichen Bedingungen abgeschlossen werden, auch bei einem "Personalverleihunternehmen" Verträge, bei denen sich der Wert der Verpflichtung zur Leistung und der Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung ausgeglichen gegenüberstehen. Sie beinhalten anders als etwa bestimmte Kundenaufträge keine bewertbaren Gewinnchancen des Arbeitgebers, um so mehr, als sie jedenfalls seitens des Arbeitnehmers regelmäßig kurzfristig kündbar sind. Demgemäß vermochte auch die Klägerin im Streitfall nicht substantiiert darzutun, in welcher Weise, insbesondere mit welchen Beträgen, die Beigeladenen zu 1 und 2 bei der Preisfindung für den jeweils erworbenen Gesellschaftsanteil die einzelnen Arbeitsverträge in Ansatz gebracht haben wollen.