BFH IV R 27/82

BFHIV R 27/8223.5.1985

 

Tatbestand

Im Streitjahr 1973 bestand zwischen den Brüdern K und H eine Rechtsgemeinschaft, deren Umfang und genauere Rechtsnatur (Bruchteilsgemeinschaft oder Erbengemeinschaft) sich aus den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht ergibt. Das FG hat die Gemeinschaft selbst als Klägerin bezeichnet. Der Senat geht davon aus, daß damit nur die Gesamtheit der Mitglieder gemeint ist, die entsprechend dem Zivilrecht allein Kläger und Revisionskläger (Kläger) sein kann. Kläger waren also ursprünglich K und H (K ist während des Klageverfahrens im Jahre 1979 verstorben.).

Im Rahmen der Gemeinschaft waren die Brüder seit 1970 gemeinschaftliche Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, aus deren Verpachtung ihnen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zuflossen, die gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Im Streitjahr beliefen sich diese Einkünfte auf . . . DM. Daneben waren die Brüder neben B als Kommanditisten an der Kiesbaggerei GmbH & Co.KG (im folgenden: KG) beteiligt, die die Auskiesung von Grundstücken gewerblich betreibt.

Nach den Feststellungen des FG erzielte die Gemeinschaft im Streitjahr außerdem Einkünfte in Höhe von . . . DM. Diese Einkünfte stammten nach Meinung des FG aus dem Betrieb einer Mülldeponie auf dem Gelände einer von der KG vollständig ausgekiesten Kiesgrube (Kiesgrube 1). Auch in den folgenden Jahren wurden derartige Einkünfte erzielt. Sie bestanden im wesentlichen aus sog. Kippgebühren, die von Dritten dafür bezahlt wurden, daß ihnen die Ablagerung von Bodenaushub - nach FG von Müll - auf dem Gelände der Kiesgrube 1 gestattet wurde. Nach den Feststellungen einer im Jahre 1977 bei der KG durchgeführten Betriebsprüfung gehörte dieses Grundstück im Streitjahr der KG, während es nach dem Vortrag der Kläger in ihrem Eigentum stand.

Die Gemeinschaft behandelte auch diese Einkünfte als solche aus Land- und Forstwirtschaft und nahm sie infolgedessen in die Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft auf.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah demgegenüber die Einkünfte aus den Kippgebühren als gewerbliche an und erließ einen entsprechenden gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1973 und einen Gewerbesteuermeßbescheid für 1973. Gegen diese Bescheide wandten sich die Kläger nach erfolglosen Einsprüchen mit getrennten Klagen, die das FG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

Die Kläger vertraten die Auffassung, bei den Einkünften handle es sich um solche aus Land- und Forstwirtschaft, da die Kiesgrube 1 zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehöre und das Gelände nur zeitweise dem landwirtschaftlichen Betrieb entzogen worden sei. Die Zweckbestimmung des Grundstücks sei durch die Auskiesung nicht geändert worden. In der Verfüllungsgenehmigung der zuständigen Behörde sei ausdrücklich bestimmt, daß das Gelände nach erfolgter Auffüllung wiederum landwirtschaftlich zu nutzen sei.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, das FA habe mit Recht die von der Gemeinschaft betriebene Müllkippe als gewerbliches Unternehmen angesehen und die Einkünfte daraus als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer unterworfen. Entgegen der Ansicht der Gemeinschaft sei ihre Tätigkeit nicht als Ausübung einer Landwirtschaft anzusehen. Das gelte unabhängig davon, ob das Gelände der KG oder der Gemeinschaft gehört habe. Auch wenn die Eigentümer verpflichtet seien, das Gelände nach seiner vollständigen Auffüllung wieder landwirtschaftlich zu nutzen, handle es sich bei der über mehrere Jahre hinweg betriebenen Mülldeponie nicht um eine Landwirtschaft, sondern um einen Gewerbebetrieb.

Mit der Revision rügen die Kläger ungenügende Aufklärung des Sachverhalts. Das FG habe zu Unrecht die Eigentumsverhältnisse an dem betreffenden Gelände offengelassen und sei deshalb zu einem nicht zutreffenden rechtlichen Ergebnis gekommen. Eigentümer des Geländes seien nicht die KG, sondern die Brüder gewesen. Das Gelände sei früher immer landwirtschaftlich genutzt worden; Mitte der 60er Jahre sei es dann ausgekiest worden. Danach sei die Verfüllung erfolgt, und zwar mit Bodenaushub, nicht mit Müll. Heute seien die Grundstücke zu etwa 2/3 aufgefüllt und würden insoweit wieder landwirtschaftlich genutzt. Die Restauffüllung erfolge bis 1983. Die Verfüllung des Geländes sei der Grundstücksgemeinschaft von der Stadtverwaltung zur Pflicht gemacht worden. Es werde auch überprüft, mit welchem Material die Auffüllung erfolge. Daraus ergebe sich, daß die Grundstücksgemeinschaft keine Müllkippe betrieben habe, sondern die Auffüllung der ausgekiesten Grube 1, um das Grundstück wieder landwirtschaftlich nutzen zu können.

Das FG-Urteil sei auch deshalb aufzuheben, weil das FG bei der von ihm vertretenen Ansicht die KG zum Verfahren hätte beiladen müssen. Denn nach Meinung des FG könne auch die KG von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid, den Gewerbesteuermeßbescheid für 1973 sowie die dazugehörigen Einspruchsentscheidungen ersatzlos aufzuheben; hilfsweise, unter Aufhebung des FG-Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA meint, im Streitfall sei zu entscheiden, ob die Tätigkeit der Gemeinschaft, nämlich die Verfüllung der Grundstücke, eine solche aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb sei. Bei dieser Beurteilung sei es ohne Bedeutung, ob die Gemeinschaft eigene oder fremde Grundstücke verfülle. Unerheblich sei auch, ob die Grundstücke mit Müll - wie das FG angenommen habe - oder mit Bodenaushub aufgefüllt würden. An der gewerblichen Tätigkeit ändere dies nichts.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1.

Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist begründet. Das FG konnte es bei seiner Entscheidung nicht dahingestellt sein lassen, ob das Gelände der ehemaligen Kiesgrube, für dessen Auffüllung die Kippgebühren bezahlt wurden, gemeinschaftliches Eigentum der Mitglieder der Klägerin oder Eigentum der KG war; denn davon kann der Ausgang des Rechtsstreits abhängen.

Die Rekultivierung eines Geländes, dessen unter dem Mutterboden lagernder Kies ausgebeutet wurde, bedeutet seine Rückführung zur ursprünglichen, meist land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Sie obliegt nach dem Gesetz in erster Linie dem Unternehmen, das die Kiesausbeute betreibt oder betrieben hat (vgl. Abgrabungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1972, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1972, S. 372). Die Rekultivierung kann aber auch der Eigentümer des Geländes übernehmen, der die Kiesausbeute einem anderen übertragen hat. Dementsprechend können die Kippgebühren, die von den Firmen zu zahlen sind, die in der Kiesgrube ihren Bodenaushub abladen und sie damit auffüllen, entweder dem Grundstückseigentümer oder dem Unternehmen zustehen, das die Kiesausbeute betreibt.

Bei dem gewerblichen Kiesausbeuteunternehmen wären die Gebühren zweifelsfrei gewerbliche Einnahmen. Beim Grundstückseigentümer hingegen, der die Kiesausbeute nicht selbst betreibt, können es auch Einnahmen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sein, wenn er selbst Land- und Forstwirt ist, das Gelände zu seinem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört und er die Auffüllung mit dem Zweck betreibt, das Gelände sobald wie möglich wieder land- und forstwirtschaftlich nutzbar zu machen.

Für den Streitfall ergeben sich daraus folgende rechtliche Möglichkeiten:

  1. a) Stand das Gelände der ehemaligen Kiesgrube 1 im gemeinschaftlichen Eigentum der Brüder K u. H und war es nicht mehr Sonderbetriebsvermögen der KG, weil es nach Beendigung der Auskiesung nicht mehr dazu bestimmt war, dem Betrieb der KG zu dienen, und haben außerdem die Brüder als Land- und Forstwirte die Kippgebühren vereinnahmt, um mit dem abgelagerten Aushub die Kiesgrube möglichst schnell rekultivieren und wieder land- und forstwirtschaftlich nutzen zu können, so können die entsprechenden Einkünfte zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören. In diesem Fall wären die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben. Gehörte das Gelände als Eigentum der Brüder hingegen noch zum Sonderbetriebsvermögen der KG, weil es von ihr noch in irgendeiner Weise genutzt wurde, sind die Kippgebühren als Sondervergütungen der Brüder im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung der KG und des Gewerbesteuermeßbescheides der KG zu erfassen. Auch in diesem Falle wären die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben.

    Nur wenn es sich ergeben sollte, daß bei den Mitgliedern der Gemeinschaft, falls sie Eigentümer des Geländes waren, getrennt von der KG die langjährige gewerbliche Nutzung als genehmigte echte Mülldeponie im Vordergrund stand, wie das FG angenommen hat, gehören die Kippgebühren zu den gewerblichen Einkünften der Gemeinschaft (siehe dazu die Ausführungen unter 2.).

  2. b) War das Gelände der ehemaligen Kiesgrube 1 Eigentum der KG, so waren die Brüder in Gemeinschaft weder als Eigentümer noch als Abbauberechtigte zur Rekultivierung verpflichtet. Die Verpflichtung oblag dann allein der KG. Als der alleinigen Eigentümerin, Abbauberechtigten und Rekultivierungsverpflichteten hätten ihr auch die Kippgebühren als gewerbliche Einnahmen zustehen müssen. Wenn sie diese Gebühren den Mitgliedern der Gemeinschaft überlassen hat, die zugleich ihre Kommanditisten waren, so kann das nur damit erklärt werden, daß sie diesen beiden Kommanditisten im Innenverhältnis die Rekultivierung übertragen hat. Dann sind aber die Kippgebühren wiederum Sondervergütungen der beiden Kommanditisten der KG und dementsprechend gemäß § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971 bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der KG als gewerbliche Einkünfte zu erfassen. Auch in diesem Falle wären die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben.

    Falls die KG Eigentümerin des Geländes war, wäre sie also in jedem Falle notwendig beizuladen gewesen (vgl. § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - und Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672).

  3. c) Da danach die Klärung der Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des Geländes der ehemaligen Kiesgrube zu einem vom FG-Urteil abweichenden Ergebnis führen kann, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zur Klärung der Eigentumsverhältnisse zurückverwiesen werden.

2.

Im übrigen unterläge die Vorentscheidung auch aus einem weiteren Grunde der Aufhebung. Das FG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die Gemeinschaft die strittigen Einkünfte aus dem Betrieb einer Mülldeponie erzielt habe, obwohl die Beteiligten bisher übereinstimmend nur vom Auffüllen der Kiesgrube zum Zwecke der Rekultivierung gesprochen haben. Das FG hat dabei verkannt, daß in neuerer Zeit das Auffüllen einer ausgekiesten Kiesgrube zum Zwecke der Rekultivierung etwas grundsätzlich anderes ist als der von vielen Voraussetzungen abhängige behördlich genehmigungsbedürftige gewerbliche Betrieb einer Mülldeponie. Die Klägerin rügt diese unrichtige Würdigung des Sachverhalts entgegen dem Vorbringen der Beteiligten mit Recht, weil sie offenbar das FG dazu geführt hat, ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse gewerbliche Einkünfte zu bejahen. Auch diesen Gesichtspunkt wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben.

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