Normen
§ 19 Nr. 1 Abs. 1 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, führte im September 1978 einen Betriebsausflug durch, an dem acht Arbeitnehmer teilnahmen. Sie übernahm die Aufwendungen für Speisen und Getränke und für die Benutzung einer Kegelbahn, die insgesamt je Arbeitnehmer knapp 60 DM betrugen. Da die Freigrenze von 50 DM des Abschn. 20 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) überschritten war, erhob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 20. September 1979 u. a. die auf die Zuwendungen anläßlich des Betriebsausflugs entfallende Lohn- und Kirchenlohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 v. H. (§ 40 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
Auf den Einspruch setzte das FA die Lohnsteuer herab, weil es davon ausging, daß die Kosten für die Benutzung der Kegelbahn außer Betracht zu bleiben hätten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 622 wiedergegebenen Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA rechtsfehlerhafte Auslegung des § 19 Abs. 1 EStG. Es führt aus: Der die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zusammenfassende Begriff des Arbeitslohns ergebe sich aus § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV). Dort sei definiert, was der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 i. V. m. § 8 EStG unter Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit verstehe. Danach seien Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zuflössen. Es genüge die Veranlassung durch das Dienstverhältnis, ein Leistungsaustausch hinsichtlich jedes einzelnen Zuflusses sei nicht erforderlich. Auch der den Einnahmen korrespondierende Werbungskostenbegriff gehe vom Veranlassungsprinzip aus (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368). Deshalb könne man die Besteuerung der bei Betriebsveranstaltungen gewährten Sachbezüge nicht mit der Begründung verneinen, die Zuwendungen seien kein Entgelt für geleistete Arbeit. Dem entspreche die ständige Rechtsprechung des BFH (zuletzt Urteil vom 17. Juli 1981 VI R 204/78, BFHE 133, 556, BStBl II 1981, 724), die auch eine objektive Bereicherung der Arbeitnehmer annehme (Urteil vom 21. März 1975 VI R 94/72, BFHE 115, 268, BStBl II 1975, 486). Darauf, ob der Arbeitnehmer bei derartigen "sonstigen Sachbezügen" eigene Aufwendungen erspare, komme es nicht an. Es müsse aber hinsichtlich der einzelnen Aufwendungen differenziert werden, ob sie dem einzelnen Arbeitnehmer zugeordnet werden könnten oder nicht (Abschn. 20 LStR).
Der Hinweis des FG auf die Essensgeldzuschüsse gehe fehl, da der BFH die Regelung trotz rechtlicher Zweifel lediglich als Vereinfachungsmaßnahme auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage sanktioniert habe. Im übrigen werde bei Zuwendungen aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen durch die Freigrenze von 50 DM sowohl dem sozialen Charakter, der derartigen Leistungen innewohne, als auch der Verwaltungsvereinfachung hinreichend Rechnung getragen.
Die Freigrenze sei 1978 durch die Preisentwicklung auch nicht überholt gewesen, was schon die Tatsache zeige, daß die Klägerin im Streitjahr weitere Betriebsausflüge unternommen habe, ohne die 50-DM-Grenze zu überschreiten. Davon abgesehen handle es sich bei Abschn. 20 Abs. 1 LStR um eine Vereinfachungsregelung zugunsten der Steuerpflichtigen, die die Verwaltung nur zu einer gleichmäßigen Anwendung, nicht aber zu einer Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse verpflichte.
Die Sachbezugswerte der Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung für das Kalenderjahr 1978 (SachbezV 1978) vom 28. Dezember 1977 (BStBl I 1978, 43) seien auf die gewährten Mahlzeiten nicht anzuwenden, da sie nach der Begründung zur Neufassung des § 8 Abs. 2 EStG nur bei Eingliederung in die Haus- und Verpflegungsgemeinschaft des Arbeitgebers zum Zuge kämen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision ohne förmlichen Antrag entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 LStDV).
a) Nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung werden Vorteile "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sind (BFH-Urteile vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, und vom 20. Mai 1983 VI R 39/81, BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712). Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642) und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d. h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteile vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707; vom 22. April 1982 III R 135/79, BFHE 135, 512, BStBl II 1982, 496; in BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712). Nicht erforderlich ist, daß der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers zugeordnet werden kann (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164).
Danach liegt Arbeitslohn nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Gleiches gilt, wenn zwar nur Arbeitnehmer Zuwendungsempfänger sind, die den Vorteil bewirkenden Aufwendungen aber im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden (BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712, und BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164).
b) Der Senat hat bei Zuwendungen aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen bislang ein überwiegendes Eigeninteresse des Arbeitgebers verneint (Urteile vom 7. Juli 1961 VI 176/60 S. BFHE 73, 485, BStBl III 1961, 443; vom 9. Juni 1978 VI R 197/75, BFHE 125, 260, BStBl II 1978, 532; vom 23. Februar 1979 VI R 74/76, BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390; in BFHE 133, 556, BStBl II 1981, 724). Hieran hält er angesichts der veränderten Verhältnisse hinsichtlich der Bewertung üblicher Sachzuwendungen bei Betriebsveranstaltungen nicht mehr fest.
aa) Die Beantwortung der Frage, ob eine Zuwendung für den Arbeitnehmer Ertrag seiner Arbeitskraft ist und damit Arbeitslohncharakter hat, hängt ab von dem mit der Zuwendung verfolgten Zweck. Dabei sind äußere Umstände wie Anlaß, Zuwendungsgegenstand und Begleitumstände eingehend zu würdigen.
Werden einzelnen Arbeitnehmern Sonderzuwendungen gewährt, so sind diese Vorteile in aller Regel Arbeitslohn, auch wenn soziale Zwecke mitverfolgt werden, oder wenn persönliche Ereignisse im Leben des betreffenden Arbeitnehmers zum Anlaß genommen werden, ihn zusätzlich zu entlohnen. Denn ausschlaggebend für derartige Zuwendungen sind die individuellen Leistungsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber Aufwendungen tätigt, um den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern. Diese eigenbetriebliche Zielsetzung ist, sofern sie sich im üblichen Rahmen hält, von der Entlohnung individueller Dienste so weit entfernt, daß die damit verbundenen geldwerten Vorteile beim einzelnen Arbeitnehmer nicht mehr als Frucht seiner Dienstleistungen angesehen werden können.
Daß nicht der einzelne Arbeitnehmer zusätzlich entlohnt werden soll, kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, daß die Zuwendungen der Belegschaft als ganzer angeboten werden, daß dies nicht von der Stellung im Betrieb, von der Lohngruppe, von besonderen Leistungen oder von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt und daß Arbeitnehmer, die an der Betriebsveranstaltung nicht teilnehmen, auch nicht in den Genuß der dort gewährten Vorteile gelangen. Viele Arbeitnehmer werden die Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung in erster Linie als Aufgabe empfinden und nicht so sehr als Gelegenheit, sich auf Kosten des Betriebs zu unterhalten. Die vom Arbeitgeber übernommenen Aufwendungen in dem auf Betriebsveranstaltungen üblichen Umfang stellen sich als für das Gelingen der Gemeinschaftsveranstaltung dienende Anreize dar und nicht als individuelle Belohnung, wie sie bei gleichen Vorteilen ohne den Gemeinschaftsrahmen anzunehmen wären.
Dem steht nicht entgegen, daß der Senat im Urteil in BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39 (vgl. aber Urteil vom 24. Januar 1975 VI R 242/71, BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340) den beschränkten Kreis der Personen, für die Aufwendungen entstanden sind, als Indiz für das ganz überwiegend eigenbetriebliche Interesse an den Zahlungen angesehen hat. Während im dort entschiedenen Fall das betriebliche Interesse darin bestand, den Gesundheitszustand gerade einer kleinen Gruppe von Arbeitnehmern festzustellen, die für den Erfolg des Unternehmens von besonderer Bedeutung waren, gebietet das mit Zuwendungen anläßlich einer Betriebsveranstaltung verfolgte Interesse der Klimaförderung, gleichmäßige Anreize dafür zu geben, daß die Belegschaft des Betriebs möglichst vollständig an der Veranstaltung teilnimmt.
bb) Geldwerte Vorteile, die Arbeitnehmern bei einer Betriebsveranstaltung zufließen, können allerdings dann als Ertrag individueller Dienstleistungen angesehen werden, wenn eine Betriebsveranstaltung lediglich zum Anlaß genommen wird, die Arbeitnehmer zusätzlich zu entlohnen. Wird nämlich der übliche Rahmen von Aufwendungen bei einer Betriebsveranstaltung durch Häufigkeit, Dauer oder besondere Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung überschritten, so ist der Schluß gerechtfertigt, daß die den Arbeitnehmern dabei zukommenden Vorteile nicht allein dem im eigenbetrieblichen Interesse liegenden Gelingen einer Gemeinschaftsveranstaltung dienen, sondern daß die Dienste der Arbeitnehmer auf diesem Wege im besonderen Maße entgolten werden sollen. Auch bei Gelegenheit einer Betriebsveranstaltung gewährte Geschenke von bleibendem Wert, die mit der Kontaktförderung durch die Betriebsveranstaltung nichts zu tun haben, sind wie andere Sonderzuwendungen als Arbeitslohn zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Mai 1976 VI R 207/74, BFHE 119, 70, BStBl II 1976, 548).
Von einer Entlohnungsabsicht ist bei einem mehrtägigen Betriebsausflug auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 1954 IV 197/53 U, BFHE 59, 45, BStBl III 1954, 225). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber beispielsweise durch Bewirtung in einem besonders kostspieligen Lokal oder durch andere vergleichbare Aufwendungen zu erkennen gibt, daß mit der Veranstaltung nicht lediglich die zwischenmenschlichen Beziehungen der Belegschaft zum Wohle eines guten Betriebsklimas gefördert werden sollen, sondern daß darüber hinaus jedem teilnehmenden Arbeitnehmer in dieser Form ein zusätzliches Entgelt für seine Dienstleistungen zukommen soll.
Dagegen läßt sich für übliche Zuwendungen auf Betriebsveranstaltungen eine bezifferbare Obergrenze je Arbeitnehmer nicht festlegen. Eine solche kann entgegen der bisherigen Rechtsprechung (zuletzt im Urteil in BFHE 133, 556, BStBl II 1981, 724) insbesondere nicht aus einer behördlichen Schätzungsbefugnis hergeleitet werden (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 19 EStG Anm. 132). Im Verwaltungsermessen liegende Regelungen zur Verwaltungsvereinfachung, die auf Erfahrungswerten der Verwaltung beruhende Schätzungen zum Inhalt haben, können die genaue Sachverhaltsermittlung im Einzelfall entbehrlich machen (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 9 a Anm. 7 a, m. w. N.). Sie sind jedoch nicht geeignet, bei im wesentlichen feststehenden Sachverhalten deren rechtliche Würdigung durch Einführung einer griffweise geschätzten Obergrenze zu ersetzen.
2. Der Streitfall kann anhand der dargelegten Grundsätze nicht abschließend entschieden werden.
Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin für die Bewirtung von acht Arbeitnehmern auf einem Kegelausflug knapp 60 DM pro Person aufgewendet, wobei die Kosten für die Kegelbahn selbst nicht mehr im Streit sind, da sie im angefochtenen Bescheid nicht mehr erfaßt sind.
Der Beurteilung des Ausflugs als übliche Betriebsveranstaltung steht allerdings der Besuch einer Gaststätte mit Kegelbahnbenutzung nicht entgegen, denn das Zurverfügungstellen einer Kegelbahn hält sich im Rahmen des auf Betriebsveranstaltungen Üblichen. Jedoch mußte die Teilnahme an dem Ausflug grundsätzlich allen Arbeitnehmern offenstehen (wegen der Beschränkung auf einen bestimmten Kreis vgl. z. B. BFH-Urteil vom 5. März 1976 VI R 76/73, BFHE 118, 434, BStBl II 1976, 392); dies mußte der Belegschaft auch bekannt gewesen sein. Andernfalls hat nur ein vom Arbeitgeber finanzierter Gaststättenbesuch einzelner Arbeitnehmer stattgefunden, der nicht als im weit überwiegenden Eigeninteresse des Arbeitgebers angesehen werden kann (BFH-Urteil vom 19. Januar 1976 VI R 227/72, BFHE 117, 470, BStBl II 1976, 231).
Die Tatsache, daß der durchschnittlich auf jeden Arbeitnehmer entfallende Bewirtungsbetrag 50 DM übersteigt, rechtfertigt für sich allein noch nicht, ihn bei jedem Arbeitnehmer als Ertrag seiner Arbeitsleistung anzusehen. Dies könnte sich jedoch aus anderen Umständen ergeben, wie beispielsweise dem Charakter des ausgewählten Lokals, der Häufigkeit der Betriebsveranstaltungen oder dem Anlaß der Bewirtung, wenn nämlich nicht lediglich ein turnusmäßiger Betriebsausflug anstand, sondern die Belegschaft etwa für einen außerordentlichen Arbeitseinsatz in der zurückliegenden Zeit zusätzlich entlohnt werden sollte. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, haben im Jahr 1978 mehrere Betriebsveranstaltungen stattgefunden. Der Senat hält jährlich zwei Betriebsveranstaltungen als noch im Rahmen des Üblichen liegend. Bei Überschreiten dieser Anzahl kann aber der Schluß gerechtfertigt sein, daß mit den Zuwendungen anläßlich weiterer Betriebsveranstaltungen eine Grenze erreicht ist, die diese zusätzlichen Zuwendungen als individuelle Belohnung der einzelnen Arbeitnehmer erscheinen läßt. Dazu bedarf es im Streitfall weiterer Feststellungen über die Gestaltung der einzelnen Betriebsveranstaltungen und die Art und Höhe der einzelnen Zuwendungen.
Das FG wird die entsprechenden Feststellungen und Würdigungen nachzuholen haben.