Normen
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war die Ehefrau des verstorbenen A (Erblasser). Erbinnen waren die Klägerin und die Tochter des Erblassers aus erster Ehe. Die Miterbinnen setzten sich dahin auseinander, daß die Klägerin die Tochter hinsichtlich sämtlicher gegen den Nachlaß bestehenden Ansprüche abfand.
Der Erblasser hatte sich 1954 - nach den Darlegungen des Finanzgerichts (FG) "mitunternehmerisch" - mit einer Einlage von 40 000 DM an der Firma X beteiligt. Im Jahre 1956 kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Der Erblasser kündigte das Gesellschaftsverhältnis und verlangte sein Auseinandersetzungsguthaben.
Der Erblasser und die von ihm verklagte X und deren persönlich haftender Gesellschafter schlossen am 25. November 1968 vor dem Oberlandesgericht folgenden Vergleich: Die Beklagten verpflichteten sich, an den Erblasser "weitere 90 000,- DM ... nebst 6 % Zinsen p. a. seit dem 3.11.1957 zu zahlen"; ausgenommen blieb der Auseinandersetzungsanspruch des Erblassers wegen des good will. Der Erblasser erhielt noch 1968 die 90 000 DM zuzüglich 60 000 DM Zinsen ausgezahlt. Am 8. Februar 1973 wurde ein gerichtlicher Vergleich wegen des good will geschlossen, wonach sich die X und deren persönlich haftender Gesellschafter abschließend verpflichteten, bis zum 21. Februar 1973 ... DM an den Erblasser zu zahlen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Erblasser und die Klägerin zunächst vorläufig zur Einkommensteuer 1968, indem er erklärungsgemäß einen Veräußerungsgewinn von ... DM ansetzte und nach § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1967 (EStG) versteuerte (Bescheid vom 20. September 1971). Die Vorläufigkeit wurde hinsichtlich des Anteils des Erblassers am Gewinn der X ausgesprochen. Dem Veräußerungsgewinn lagen als Erlöse der Abgeltungsbetrag von 90 000 DM und die Zinsbeträge von 60 000 DM zugrunde; Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden nicht angesetzt. Ein berichtigter Bescheid vom 7. März 1972 ließ den Veräußerungsgewinn und den Vorläufigkeitsvermerk unberührt. In dem endgültigen Bescheid vom 25. Januar 1977, der an die Klägerin - zugleich als Erbin nach ihrem Ehemann - gerichtet war, ging das FA davon aus, daß der Veräußerungsgewinn bereits 1956 hätte erfaßt werden müssen; es seien jedoch die Zinsen von 60 000 DM abzüglich eines Werbungskostenpauschbetrags von 300 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen und mit dem vollen Steuersatz zu versteuern.
Die Klägerin machte mit dem Einspruch geltend, daß die angesetzten Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG versteuert werden müßten; die für einen Zeitraum von 12 Jahren zugeflossenen Zinsen seien eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab hingegen der Klage statt (Urteil vom 21. Dezember 1978 V 108/77, Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 282 - EFG 1979, 282 -). Es führte aus: Die Adressierung des angegriffenen Bescheids nur an die Klägerin sei nicht zu beanstanden; das FA habe im Rahmen zutreffender Ermessensausübung davon Abstand nehmen können, auch die abgefundene Tochter als weitere Gesamtschuldnerin in Anspruch zu nehmen. Das FA sei aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks befugt gewesen, den Lebenssachverhalt "Ausscheiden aus der X" neu zu beurteilen und in diesem Zusammenhang Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusetzen. Die Verzugszinsen seien zu Recht als Einnahmen aus Kapitalvermögen erfaßt worden. Sie seien nicht steuerfreier Schadensersatz. Unerheblich sei, daß der Zinssatz von 6 % über dem gesetzlichen Zinssatz liege. Die Zinseinkünfte seien jedoch antragsgemäß tarifbegünstigt zu versteuern. Der Erblasser habe die Zinsen als Ersatz für entgangene Einnahmen erhalten (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Ihm sei gegen seinen Willen ein Schaden dadurch entstanden, daß ihm sein Kapital verspätet ausgezahlt worden sei. Die Verzugszinsen träten an die Stelle derjenigen Zinsen, die der Erblasser durch Ausleihen des Kapitals hätte erzielen können. Bei der Auslegung des § 24 Nr. 1 EStG könnten auch Billigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden. Es sei billig, Verzugszinsen, die für einen Zeitraum von über 11 Jahren in einem Jahr anfielen, dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Auch die Außerordentlichkeit sei zu bejahen. Der Betrag von 60 000 DM sei absolut und relativ bedeutend. Das gelte um so mehr, als die Einkommensteuer bei jährlicher Zinszahlung - verteilt auf die Jahre 1957 bis 1968 - äußerst gering gewesen wäre.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung des § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1 EStG: Das FG sei mit widersprüchlicher Begründung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der herrschenden Meinung abgewichen. Wenn der Erblasser Zinsen (Einnahmen aus Kapitalvermögen) bezogen habe, könne er diese nicht zugleich als Ersatz für entgangene Zinsen bezogen haben. Billigkeitsentscheidungen seien nicht angebracht, zumal der Erblasser die hohe Kapitalforderung steuerfrei erhalten habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, daß das FA den angegriffenen Zusammenveranlagungsbescheid vom 25. Januar 1977 (§ 155 Abs. 2, seit dem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 - BGBl I 1980, 1545, BStBl I 1980, 589 - Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -, früher § 210 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) nur an die Klägerin richten durfte. Die Klägerin war einer der für 1968 zusammenzuveranlagenden Ehegatten. An die Stelle ihres verstorbenen Ehemannes, des Erblassers, traten dessen Erben (§ 45 Abs. 2 AO 1977, § 8 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Das FA durfte sich an eine der Miterbinnen, hier die Klägerin, halten (BFH-Urteil vom 28. März 1973 I R 100/71, BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544). Unerheblich ist, daß die weitere Miterbin nicht zusätzlich oder anstelle der Klägerin in Anspruch genommen worden ist. Hierin könnte ein Rechtsfehler allenfalls dann gefunden werden, wenn dem FA bei der Auswahl der Miterbin, an die es sich halten wollte, ein Ermessensfehler unterlaufen wäre. Das FG hat zutreffend herausgestellt, daß die Klägerin die weitere Miterbin abgefunden hatte und im Innenverhältnis allein verpflichtet blieb, die Erblasserschulden zu begleichen. Es war ermessensgerecht, lediglich die Klägerin in Anspruch zu nehmen, die sich in dem Auseinandersetzungsvertrag als alleinverantwortlich für die Nachlaßschulden bekannt hatte.
2. Das FA war nicht gehindert, in dem angegriffenen Bescheid den Zinsbetrag von 60 000 DM, den es bisher als (nachträgliche) gewerbliche Betriebseinnahmen behandelt hatte, als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die dem angegriffenen Bescheid vorangegangenen Bescheide für das gleiche Streitjahr waren vorläufig gemäß § 100 Abs. 1 AO hinsichtlich des Anteils des Erblassers "am Gewinn" der X. Nach Inkrafttreten der Abgabenordnung war auf diesen Bescheid § 165 Abs. 2 AO 1977 anzuwenden (Art. 97 § 9 Satz 3 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). § 165 Abs. 2 AO 1977 ermöglichte es dem FA, die vorläufig festgesetzte Steuer zu ändern. Dabei konnte es den Zinsbetrag im Rahmen einer anderen Einkunftsart erfassen und den ermäßigten Steuersatz versagen. Der im Vorläufigkeitsvermerk erwähnte "Gewinnanteil" bezog sich auch auf den Zinsbetrag, der bis dahin im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfaßt war. Es stand dem FA frei, diesen Betrag einer anderen Einkunftsart zuzurechnen und den ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 2 EStG zu versagen.
3. Das FA hat in dem angegriffenen Bescheid - anders als in den vorläufigen Bescheiden - den dem Erblasser 1968 zugeflossenen Betrag von 90 000 DM außer Ansatz gelassen, der den Auseinandersetzungsanspruch des Erblassers aus seiner Beteiligung an der X (mit Ausnahme des good will) abgalt. Diese Handhabung wäre zutreffend, wenn der Erblasser an der X - wie das FG ausführt - mitunternehmerisch beteiligt gewesen sein sollte. Die vergleichsweise nachträgliche Abgeltung von Gewinnanteilen an einer Mitunternehmerschaft ist nicht im Zuflußjahr zu versteuern; die Gewinnanteile sind vielmehr mit den Abgeltungsbeträgen in den Gewinnfeststellungsbescheiden der Mitunternehmerschaft in den Jahren ihrer Entstehung - hier 1954 bis 1956 - zu erfassen (BFH-Urteil vom 23. April 1975 I R 234/74, BFHE 115, 488, BStBl II 1975, 603). Hingegen wären die Verzugszinsen bereits nach Beendigung der Mitunternehmerschaft und dem Übergang des Auseinandersetzungsanspruchs in das Privatvermögen des Erblassers entstanden. Ihre Erfassung wäre nicht mehr von einer Gewinnfeststellung abhängig.
Das FG hat seine Annahme, der Erblasser sei an der X mitunternehmerisch beteiligt gewesen, nicht durch die Anführung von Tatsachen belegt. Der festgestellte Sachverhalt läßt offen, ob der Erblasser seine Einlage 1954 als Mitunternehmer oder als Kapitalgeber - beispielsweise als typischer stiller Gesellschafter - leistete. Die Beteiligung am Geschäftswert spricht allerdings für eine Mitunternehmerschaft, genügt jedoch, für sich genommen, noch nicht, eine Kapitalbeteiligung auszuschließen. Hierzu hätte es noch der Feststellung bedurft, daß der Erblasser eine Unternehmerinitiative entwickeln konnte und ein Unternehmerrisiko trug (BFH-Urteil vom 28. Januar 1971 IV 127/64, BFHE 102, 362, BStBl II 1971, 662). Im Falle einer typischen stillen Gesellschaft wäre der über die Einlage hinaus gezahlte Betrag im Zuflußjahr (Streitjahr) als Gewinnanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1967 zu erfassen (BFH-Urteile vom 4. August 1961 VI 208/60 U, BFHE 73, 558, BStBl III 1961, 468; vom 1. Juni 1978 IV R 139/73, BFHE 125, 386, BStBl II 1978, 570).
Es bedarf insoweit keiner weiteren Aufklärung. Die Vorentscheidung stellt sich im Ergebnis als zutreffend dar. Selbst wenn eine typische stille Beteiligung vorgelegen haben sollte und die 90 000 DM dem Erblasser 1968 als Gewinnanteil i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zugeflossen sein sollten, bliebe es bei der Festsetzung des FA. Eine Erhöhung der Einkommensteuerschuld kommt nach § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in Betracht. Da das FA den Zinsbetrag, wie noch auszuführen ist, zu Recht in voller Höhe und ohne Anwendung des ermäßigten Tarifsatzes besteuert hat, entfällt auch eine Saldierung mit einem möglichen Besteuerungsfehler des FA.
4. Der Zinsbetrag von 60 000 DM floß dem Erblasser 1968 als Einnahme aus Kapitalvermögen zu. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen die Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden und Renten aus Rentenschulden, ferner nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, z. B. aus Darlehen, Anleihen, Einlagen und Guthaben bei Sparkassen, Banken und anderen Kreditinstituten (s. auch § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1977). Sonstige Kapitalforderungen jeder Art gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind alle auf einen Geldbetrag gerichteten Forderungen, die nicht schon nach einem anderen Tatbestand des § 20 Abs. 1 EStG zu erfassen sind. Zinsen sind alle Entgelte, die für eine solche Kapitalüberlassung im weitesten Sinne aufzubringen sind.
Eine entgeltliche Kapitalüberlassung ist auch dann anzunehmen, wenn ein Schuldner mit der Begleichung einer Geldschuld in Verzug gerät und für die Zeit des Verzugs Zinsen zahlt (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 17. März 1927 VI A 576/26, RStBl 1927, 118; BFH-Urteil vom 22. April 1966 VI 142/65, BFHE 85, 453, BStBl III 1966, 462). Auch in diesem Fall überläßt der Gläubiger Kapital zur Nutzung. Die Nutzungsüberlassung beruht zwar nicht wie in den beispielhaft in § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG angeführten Fällen (Darlehen, Anleihen, Einlagen und Guthaben) auf einer vertraglichen Abmachung. Aber auch der vom Schuldner durch Nichtzahlung bewirkte Verzug ist Kapitalüberlassung. Der Gläubiger muß sich für die Zeit des Verzugs mit der Nichtzahlung abfinden. Der Senat hat demgemäß auch in anderen Fällen nichtvertraglicher Kapitalüberlassung Zinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfaßt (Urteile vom 18. Februar 1975 VIII R 104/70, BFHE 115, 216, BStBl II 1975, 568 betreffend Erstattungszinsen nach § 111 FGO; vom 22. April 1980 VIII R 120/76, BFHE 130, 451, BStBl II 1980, 570 betreffend Zinsen für eine Enteignungsentschädigung; vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BFHE 131, 297, BStBl II 1981, 6 betreffend Zinsen auf Wiedergutmachungsentschädigung).
Unerheblich ist, daß die Verzugszinsen im Streitfall 6 % des Auseinandersetzungsguthabens betrugen und damit die gesetzlichen Verzugszinsen von 4 % (§ 288 Abs. 1 BGB) oder von 5 % (falls ein beiderseitiges Handelsgeschäft anzunehmen sein sollte, § 352 Abs. 1 HGB) überstiegen. Der RFH hat allerdings in dem Urteil vom 23. März 1933 VI A 368/33 (RStBl 1933, 590) lediglich die gesetzlichen Verzugszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen behandelt; der darüber hinausgehende Betrag sei Schadensersatz. Ehlers möchte sogar die gesetzlichen Verzugszinsen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes von der. Einkommensteuer freistellen (Finanz-Rundschau 1967 S. 285 - FR 1967, 285 -). Littmann sieht - ähnlich wie der RFH - nur in den gesetzlichen Verzugszinsen - ggf. angehoben auf eine angemessene Zinssatzhöhe - Entgelt für eine Kapitalüberlassung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG; im übrigen könne ein Ersatz für entgangene Zinseinnahmen nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vorliegen (Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 20 Anm. 67, § 24 Anm. 30).
Diesen Auffassungen kann nicht gefolgt werden. Zwar sollen Verzugszinsen den Schaden ausgleichen, der dem Gläubiger durch den Verzug entstanden ist (§ 286 Abs. 1 BGB). Die gesetzlichen Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 BGB) sind, wie § 288 Abs. 2 BGB ergibt, der die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausschließt, lediglich ein Mindestverzugsschaden; diese Zinsen sind unabhängig von einem Schadensnachweis zu zahlen, aber auf einen höheren Verzugsschaden anzurechnen (Staudinger/Löwisch, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl, § 288 Rz. 4 und 11). Der Schadensersatzcharakter der Verzugszinsen hindert indessen nicht, sie steuerrechtlich in vollem Umfang als Entgelt für die vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung anzusehen. § 288 Abs. 1 BGB trägt gesetzlich typisierend der Tatsache Rechnung, daß die mit dem Besitz von Geld verbundenen Nutzungsmöglichkeiten in aller Regel geldwerte wirtschaftliche Vorteile bieten, deren Vorenthaltung rechtlich als Schaden anzusehen ist (Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26. April 1979 VII ZR 188/78, BGHZ 74, 231; vom 27. März 1980 VII ZR 214/79, Neue Juristische Wochenschrift 1980 S. 1955 - NJW 1980, 1955 -). Auch ein den gesetzlichen Satz übersteigender Verzugszinsenanspruch wird damit begründet, daß nach der allgemeinen Lebenserfahrung "ein größerer Geldbetrag nicht nutzlos verwahrt, sondern zumindest verzinslich angelegt wird, so daß die Vorenthaltung von Geld und damit der Entzug der Nutzungsmöglichkeit eines Kapitals zu Zinsverlusten in mehr oder minder großer Höhe führt" (BGH-Urteil vom 8. November 1973 III ZR 161/71, Wertpapier-Mitteilungen 1974 S. 128 - WM 1974, 128 -). Sonach entsprechen sowohl die gesetzlichen als auch die darüber hinausgehenden Verzugszinsen den Zinsen, die bei einer Anlage des vorenthaltenen Geldes zu erzielen wären. Zivilrechtlich mag es sich daher der Sache nach um einen Schadensersatzanspruch handeln, der lediglich in der Form von Zinsen berechnet wird (Staudinger/Löwisch, a. a. O., Rz 24). Wirtschaftlich und steuerrechtlich ist der in Zinsform zu leistende Schadensersatz ohne weiteres als Zinsentgelt für die erzwungene Kapitalüberlassung an den Schuldner anzusehen. Der Gläubiger ist in Stand gesetzt, seinen Zinsschaden durch eine entsprechende Zinszahlung auszugleichen. Der Streitfall gibt keinen Anlaß zu entscheiden, ob und inwieweit auch ein Verzugsschaden, der nicht in Zinsform beglichen wird, Entgelt für die Kapitalüberlassung ist.
5. Das FG hat auf die Verzugszinsen zu Unrecht den ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 und 2 EStG angewandt. Das FG widerspricht sich, wenn es die Verzugszinsen als Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und gleichzeitig als Entschädigung für entgangene Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG angesehen hat. Sind die Verzugszinsen, wie dargelegt, Entgelt für das dem Gläubiger vorenthaltene Kapital i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, kann nicht mehr entsprechend der zivilrechtlichen Betrachtung unterstellt werden, daß die Verzugszinsen eine Entschädigung für die Zinsen sind, die der Gläubiger bei einer Kreditgewährung mit dem vorenthaltenen Kapital hätte erzielen können (s. bereits BFHE 85, 453, BStBl III 1966, 462). Ohne die Annahme einer Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG entfällt die Möglichkeit einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (s. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Billigkeitsgesichtspunkte sind in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen.