BFH

BFHI R 75/7816.4.1980

Amtlicher Leitsatz:

1. Bei der Nachprüfung, ob eine in der Rechtsform einer GmbH betriebene inländische Maschinenfabrik durch Maschinenlieferungen an ihre Schweizer Muttergesellschaft zu einem Preis, der unter dem Normalpreis liegt, Gewinne in verdeckter Form ausgeschüttet hat, liegt die Grenze der Sachverhaltsaufklärungspflicht des FG dort, wo es sich um Verhältnisse handelt, die ohne Mitwirkung der inländischen GmbH nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden können.

2. Eine inländische GmbH kann sich nicht darauf berufen, der Offenlegung der Verhältnisse ihrer Schweizer Muttergesellschaft stehe Art. 273 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs entgegen.

Normen

§ 6 Abs. 1 S. 2 KStG 1968
§ 76 FGO

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand:

Streitig war, ob die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH - Gewinne dadurch verdeckt ausgeschüttet hat, daß sie von ihr hergestellte Maschinen eines bestimmten Typs an ihre Schweizer Muttergesellschaft unter dem erzielbaren Normalpreis verkaufte.

Entscheidungsgründe

Eine verdeckte Gewinnausschüttung setzt voraus, daß eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter Vermögensvorteile zuwendet, die sie unter sonst gleichen Umständen bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung seit Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Dem Geschäftsleiter wird zwar ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt, sein Handeln muß jedoch an den Gegebenheiten des Unternehmens ausgerichtet sein (BFH-Urteil vom 10. Januar 1973 I R 119/70, BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322). Grundsätzlich kommt es für die Prüfung der Frage, ob bei Veräußerungen an einen Gesellschafter eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, auf den am Markt erzielbaren Erlös an (BFH Urteil vom 27. November 1974 I R 250/72, BFHE 114, 236, BStBl II 1975, 306). Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird bestrebt sein, den Marktpreis zu fordern; seine Aufgabe als Geschäftsführer eines Erwerbsunternehmens ist es, Gewinn zu erzielen und diesen Gewinn nach Möglichkeit zu steigern. Er wird daher nur bei Vorliegen besonderer Gegebenheiten bereit sein, Teile des Gewinns seines Unternehmens dem Abnehmer durch Einräumung eines günstigen Abnahmepreises zu überlassen.

Im Streitfall kommt es demnach darauf an, was die Klägerin als Lieferant einem Kunden in der Schweiz, der nicht ihr Gesellschafter ist, aber 90 v. H. ihrer gesamten Produktion abnimmt, als Abnahmepreis speziell für eines ihrer Erzeugnisse - die F-Maschinen - zugestanden hätte. Dieser Kunde befindet sich gegenüber dem Lieferanten in einer starken Position, die es ihm erlaubt, auf die Preisgestaltung der von ihm bezogenen Produkte Einfluß zu nehmen. Der gewissenhafte Geschäftsleiter des liefernden Unternehmens wird sich Preisvorstellungen eines solchen Abnehmers, von dem schließlich die Existenz des Unternehmens abhängt, nicht verschließen können und auf einen Teil der Gewinnmarge bei diesen Erzeugnissen verzichten. Das bedeutet, er wird diesem Abnehmer das Produkt zu einem niedrigeren Preis als an übrige Abnehmer abgeben, von denen er nicht in dieser Weise wirtschaftlich abhängig ist. Sind diese Umstände im Verhältnis zu einem beherrschenden Gesellschafter - hier im Verhältnis der Klägerin zur Muttergesellschaft - gegeben, kann nicht verlangt werden, daß der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter sich anders verhält.

Um klären zu können, ob eine derartige Situation zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter gegeben ist, bedarf es eingehender Feststellungen. Um ihrer Aufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nachzukommen, haben die FG alle möglichen Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Der Steuerpflichtige muß aber bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken. Er hat seine Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO). Eine erweiterte Mitwirkungspflicht trifft den Steuerpflichtigen bei Auslandsbeziehungen. Diese erweiterte Mitwirkungspflicht hatte die Rechtsprechung schon vor Inkrafttreten des § 171 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung - AO - (angefügt durch Art. 5 Nr. 2 des Außensteuerreformgesetzes vom 8. September 1972, BGBl I, 1713, BStBl I 1972, 450, jetzt § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) angenommen (BFH-Urteil vom 21. Januar 1976 I R 234/73, BFHE 118, 553, BStBl II 1976, 513, mit Rechtsprechungsnachweis). Sie gilt, wie sich aus den Bezugnahmen in § 76 FGO alter und neuer Fassung ergibt, auch im finanzgerichtlichen Verfahren. Dadurch ist die Grenze für die Sachverhaltsaufklärungspflicht des FG abgesteckt. Sie liegt dort, wo es sich um Verhältnisse handelt, die ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden können.

Dieser Mitwirkungspflicht ist die Klägerin nicht nachgekommen. Ihr oblag die Pflicht, nicht nur die Beweismittel zu benennen, sondern auch die erforderlichen Unterlagen für ihre Behauptung zu beschaffen, daß wirtschaftlich beachtliche Gründe maßgebend gewesen seien, eines ihrer Erzeugnisse abweichend von der Preisgestaltung für die übrigen an die Muttergesellschaft gelieferten Produkte weit unter Preis zu veräußern. Die Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ihre Selbstkosten je F-Maschine während der Streitjahre genannt, sie hat sich aber - aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen - außerstande gesehen, anhand von Belegen der Schweizer Muttergesellschaft deren Verkaufspreise und deren Sondervertriebskosten offenzulegen. Zu Recht hat das FG ausgeführt, die Vorlage dieser Nachweise sei der Klägerin zuzumuten gewesen und die Gutachten einer Schweizer Treuhandgesellschaft, die nur wenige Zeilen betragen und in sich nicht aussagekräftig sind, seien nicht geeignet, die Situation bei der Muttergesellschaft aufzuhellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin war das FG nicht gehalten, sich damit zu begnügen, daß Wirtschaftsprüfer dieser Schweizer Treuhandgesellschaft die Richtigkeit der Angaben in den Gutachten eidesstattlich versicherten. Schließlich hätte die Klägerin voraussehen können, daß sie wegen des in Rede stehenden Geschäfts mit der Muttergesellschaft in Nachweisschwierigkeiten geraten könne; notfalls hätte sie für einen späteren Nachweis vorsorgen müssen.

Der Senat tritt auch der Auffassung des FG bei, daß sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, der Offenlegung der Verhältnisse der Schweizer Muttergesellschaft stehe Art. 273 des Schweizerischen Strafgesetzbuches entgegen. Im Streitfall ist nicht das Verhalten der Schweizer Muttergesellschaft zu beurteilen, sondern das der Klägerin. Diese ist eine nach inländischem Recht gegründete juristische Person, die ihren Sitz im Inland hat und damit unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ihr Verhalten ist allein nach deutschem Recht, hier nach den Vorschriften des deutschen Steuerrechts, zu würdigen. Etwaige Auswirkungen der schweizerischen Strafvorschrift braucht kein anderer Staat gegen sich gelten zu lassen.

Da sich die entscheidungserheblichen Tatsachen hinsichtlich des Vertriebs der F-Maschinen durch die Muttergesellschaft und insbesondere ihre Sondervertriebskosten nicht haben aufklären lassen, fällt dies zum Nachteil dessen aus, der sich hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfolge darauf beruft (Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 96 Anm. 44).

Auch wenn das FG mangels ausreichender Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht in der Lage ist, den Sachverhalt aufzuklären, ist es gehalten, die schon vorliegenden Nachweise und die ihm bekannten Umstände zu würdigen und bei seiner Sachentscheidung zu berücksichtigen. Eine diesbezügliche Rüge erhebt die Klägerin, wenn sie vorträgt, das FG habe nicht beachtet, daß die Muttergesellschaft die von der Klägerin bezogenen Maschinen im Großhandel weiterveräußert habe, die von ihr an die Klägerin gezahlten Preise seien die Einstandspreise im Maschinengroßhandel. Da die Muttergesellschaft in den Streitjahren etwa 90 v., H. der Produktion der Klägerin bezogen hat, liegt die Annahme nahe, daß die Muttergesellschaft den Vertrieb der von der Klägerin bezogenen Maschinen an Einzelhändler in der Schweiz und im übrigen Ausland, die Klägerin den Vertrieb an Einzelhändler für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland übernommen hat. Der Muttergesellschaft hatte damit bei ihrer Funktion als Großhändlerin ein angemessener Preisabschlag beim Bezug der Maschinen zugestanden. Derartige Gegebenheiten waren aber nicht nur in die Betrachtung der Bezugspreise für F-Maschinen, sondern auch in die für die übrigen Maschinen einzubeziehen, so daß sich hieraus keine Erklärung findet, weshalb gerade eines der Produkte der Klägerin zu etwa 24 v. H. unter dem für andere Maschinen üblichen Preis an die Muttergesellschaft veräußert worden ist. Zu Recht hat das FA in seiner Revisionsentgegnung darauf hingewiesen, daß - wären die F-Maschinen zu den gleichen Konditionen wie die übrigen Maschinen an die Muttergesellschaft abgegeben worden - der Muttergesellschaft unter Berücksichtigung des vom Betriebsprüfer zugestandenen Abschlags für Garantieübernahme und eines Mengenrabatts eine Großhandelsspanne von 19 v. H. - bezogen auf den inländischen Verkaufspreis - verblieben wäre. Eine derartige Großhandelsspanne kann nicht als zu gering angesehen werden. Da die Klägerin die Verhältnisse der ausländischen Muttergesellschaft nicht dargelegt hat, war das FG nicht gehalten, in diesem Punkt weiter aufzuklären.

Das FG hat nach alledem dem Klagebegehren, verdeckte Gewinnausschüttungen bei den Körperschaftsteuerveranlagungen für die Streitjahre außer Ansatz zu lassen, zu Recht nicht entsprochen.

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