BFH

BFHVIII R 34/7825.9.1979

Amtlicher Leitsatz:

Der Verzicht des Inhabers eines eingetragenen Warenzeichens auf bestehende oder vermeintliche Abwehransprüche ist eine sonstige Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG.

Normen

§ 22 Nr. 3 EStG

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1952 Inhaber des eingetragenen Warenzeichens "R". Im Jahre 1962 meldete die Firma A das Zeichen "H" zur Eintragung in die Zeichenrolle an. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Darauf erhob die Firma A Klage gegen den Kläger, mit der sie die Feststellung begehrte, dem Kläger stünden aufgrund des Warenzeichens "R" keine Rechte zu. Aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs vom 3. Dezember 1968 zahlte die Firma A dem Kläger noch im selben Jahr 75 000 DM.

In dem Vergleich verpflichtete sich der Kläger, gegen die Firma A und bestimmte weitere Personen keine Ansprüche aufgrund des Warenzeichens "R" geltend zu machen. Der Kläger hatte das Warenzeichen aufrechtzuerhalten, solange die Firma A dies wünschte und sich ferner verpflichtet, das Warenzeichen "R" gegen Löschungsanträge oder Löschungsklagen zu verteidigen und dafür Sorge zu tragen, daß ein Löschungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 des Warenzeichengesetzes (WZG) nicht entstehe. Der Kläger ermächtigte die Firma A, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegen Verletzer des Warenzeichens "R" gerichtlich oder außergerichtlich vorzugehen. Der Kläger hatte dazu, soweit im Einzelfall notwendig, die für die Legitimation der Firma A erforderlichen Erklärungen abzugeben. Der Kläger verpflichtete sich ferner, die Kennzeichnung "H" für bestimmte Erzeugnisse nicht zu benutzen. Er stand dafür ein, daß auch eine GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger war, die Bezeichnung "H" für diese Erzeugnisse nicht benutzen werde.

Die Firma A verpflichtete sich im Vergleich, die Kennzeichnung "R" für bestimmte Erzeugnisse nicht zu benutzen. Sie stand dafür ein, daß die Bezeichnung "R" für bestimmte Erzeugnisse nicht von bestimmten anderen Unternehmen benutzt werde. Die Firma A hatte auf alle Angriffe des Warenzeichens "R" sowie auf Maßnahmen zu verzichten, die diesem Warenzeichen nachteilig sind. Sie stand dafür ein, daß diese Verpflichtung auch von bestimmten anderen Unternehmen eingehalten würde.

Der Kläger verpflichtete sich, Dritte weder unmittelbar noch mittelbar zu veranlassen, gegen die Firma A oder die benannten oder noch zu benennenden Personen aufgrund der Benutzung der Bezeichnung "H" gerichtlich oder außergerichtlich vorzugehen. Der Kläger stand schließlich noch dafür ein, daß sich auch die GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer er war, an diese Verpflichtung hielt. Die gleiche Verpflichtung übernahm die Firma A gegenüber dem Kläger hinsichtlich der Bezeichnung "R".

Der Kläger verpflichtete sich, gegen die Anmeldung des Warenzeichens "H" für bestimmte Erzeugnisse durch die Firma A keinen Widerspruch zu erheben. Er stand dafür ein, daß auch die GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer er war, einen Widerspruch unterließ.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte zunächst im Einkommensteuerbescheid 1968 vom 23. September 1971 den Betrag, den die Firma A dem Kläger gezahlt hatte, als Einnahme des Klägers aus Kapitalvermögen erfaßt. In der Einspruchsentscheidung rechnete es den Betrag von (75 000 DM ./. 4 398 DM Anwaltskosten =) 70 602 DM zu den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und versagte eine Steuerermäßigung nach § 34 EStG.

Die Klage blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat in seiner Entscheidung, die in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 325 (EFG 1978, 325) veröffentlicht ist, die Auffassung vertreten, die Einnahme führe zu Einkünften i. S. von § 22 Nr. 3 EStG; denn sie gehöre zu keiner Einkunftsart i. S. von § 2 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 EStG.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der begehrt wird, die Vorentscheidung aufzuheben und den Betrag von 70 602 DM nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen.

Der Kläger meint, durch den Vergleich sei seine Rechtsposition eingeschränkt worden, da ihm das Warenzeichen vorher u n verwechslungsfähig gehört habe. Da das Warenzeichen unstrittig zu keinem Betriebsvermögen gehört habe, sei die Minderung der Rechtsposition des Warenzeicheninhabers im privaten, persönlichen Bereich eingetreten. Er, der Kläger, habe die Zahlung für die Hinnahme der Eintragung des Warenzeichens "H" erhalten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Einkünfte aus Leistungen unterliegen als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 3 EStG), soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i. S. des § 22 Nrn. 1 oder 2 EStG gehören. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht und damit für den Senat bindend und vom Kläger auch nicht angegriffen festgestellt, daß die umstrittene Einnahme nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder Vermietung und Verpachtung gehört.

Sonstige Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird; ausgenommen bleiben Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. November 1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298, und die dort zitierte Rechtsprechung).

Die Leistung des Klägers aufgrund des Vergleichs mit der Firma A bestand - das stimmt mit seinem eigenen Vorbringen überein - darin, daß er seinen Widerstand gegen die Eintragung des Warenzeichens "H" durch die Firma A aufgab. Der Verzicht des Inhabers eines eingetragenen Warenzeichens auf bestehende oder vermeintliche Abwehransprüche ist eine sonstige Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG. Zutreffend hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, daß dabei die Frage, ob und was für eine Rechtsposition des Klägers vorgelegen habe, für die Entscheidung unerheblich sei, weil entscheidend allein ist, von welchen Vorstellungen über die Rechtslage die Parteien bei ihrem Vergleich ausgegangen sind.

Der Kläger hat - entgegen seiner Auffassung - dem Leistenden kein eigenes Wirtschaftsgut übertragen. Es liegt weder eine Veräußerung noch ein veräußerungsähnlicher Vorgang vor. Eine Veräußerung oder ein veräußerungsähnlicher Vorgang wäre auch nicht möglich gewesen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 WZG; vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, Bd. II Warenzeichenrecht, 10. Aufl., 1969, § 8 Anm. 8 und 10; Beier/Deutsch/Fikentscher, Die Warenzeichenlizenz, 1963 S. 16, 17; Eyer, Warenzeichenrecht, München 1970 S. 227, 237, 246; v. Gamm, Warenzeichengesetz, München-Berlin 1965, § 8 Anm. 14 S. 297; Tetzner, Kommentar zum Warenzeichengesetz, Heidelberg 1958, § 8 Rdnr. 8). Auch eine beschränkte Übertragung des Warenzeichens war nicht zulässig.

Es kann dahinstehen, ob eine schuldrechtliche Vereinbarung über eine Überlassung des Gebrauchs des Warenzeichens, die dem Berechtigten die tatsächliche Stellung des Inhabers des Warenzeichens verschafft, möglich ist und wie sie steuerrechtlich im Hinblick auf § 22 Nr. 3 EStG zu beurteilen wäre. Denn der Kläger hat den Gebrauch seines Warenzeichens der Firma A nicht überlassen. Er hat sich lediglich verpflichtet, die Verwendung eines nach seiner Ansicht verwechslungsfähigen Warenzeichens durch die Firma A und bestimmte andere Personen zu dulden. Zutreffend hat daher das FG die Vereinbarungen des Klägers mit der Firma A als Verzicht auf Abwehrrechte des Klägers unter Aufrechterhaltung seines Rechts auf Verwendung des Warenzeichens "R" gewürdigt.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das BFH-Urteil vom 18. August 1977 VIII R 7/74 (BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796). Dort war der Teil des Grundstücks, der für U-Bahnzwecke benötigt worden war, wirtschaftlich betrachtet in seiner Substanz von dem übrigen Grundstückseigentum abgespalten worden und dem Grundstückseigentümer die Herrschaftsgewalt darüber auf Dauer verlorengegangen. Ein solcher die Substanz betreffender und damit veräußerungsähnlicher Vorgang liegt hier, wie dargelegt, nicht vor.

Soweit der Kläger meint, seine Rechtsposition sei eingeschränkt worden, weil ihm vor dem Verzicht ein u n verwechslungsfähiges Warenzeichen, danach aber nur ein verwechslungsfähiges Warenzeichen gehört habe, durch den Vergleich also eine Schwächung seines Zeichens eingetreten sei, ergibt sich daraus wiederum, daß - auch nach seinem eigenen Vorbringen - Veränderungen im Nutzungsbereich eingetreten sein mögen; es ergibt sich aber daraus nicht, daß ein Wirtschaftsgut in seiner Substanz auf einen anderen übergegangen ist.

Die Ausführungen der Vorinstanz zu § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG lassen keinen Rechtsirrtum erkennen.

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