BFH

BFHVI R 108/752.2.1979

Amtlicher Leitsatz:

1. Hat ein Arbeitnehmer mehrer Wohnungen, von denen aus er sich abwechselnd zu seiner Arbeitsstätte begibt, so kann er die Fahrtaufwendungen von und zu der weiter vom Beschäftigungsort entfernt liegenden Wohnung dann als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG abziehen, wenn diese Wohnung der örtliche Mittelpunkt seiner Lebensinteressen ist. Auch bei Eheleuten, die zwei gemeinsame Wohnungen haben und die am selben Ort beschäftigt sind, kann die weiter vom Beschäftigungsort entfernt liegende Wohnung der örtliche Mittelpunkt der Lebensinteressen sein (Fortentwicklung der Rechtsprechung in den BFH-Urteilen vom 10. November 1978 VI R 21/76, BStBl II 1979, 219, und VI R 240/74, BStBl II 1979, 224).

2. Bleibt die Ehefrau aus privaten Gründen am örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen der Eheleute zurück und führt nunmehr nur der Ehemann am entfernten Beschäftigungsort einen weiteren Haushalt, so liegt selbst dann eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung des Ehemannes vor, wenn die Ehefrau zuvor während der Arbeitswoche mit ihm am Beschäftigungsort wohnte.

3. Zur Frage der Zulässigkeit einer Revision des FA, dessen Revisionsanträge über die von ihm in der Vorinstanz gestellten hinausgehen.

4. Zur Zweckmäßigkeit einer Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Revision.

Normen

§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG
§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG
§ 115 FGO
§ 121 FGO
§ 97 FGO

 

Tatbestand:

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute; sie bezogen im Streitjahr 1972 beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seit ihrer Eheschließung im Jahre 1970 hatten die Kläger in der Wohnung der Mutter des Ehemannes in S eine Wohnküche von 16 qm und ein Schlafzimmer von 18 qm. Die von ihnen bewohnten Räume statteten die Kläger mit eigenen Möbeln aus. Sie zahlten für die vorbezeichneten Räume monatlich 70 DM Miete, 30 DM für Strom und 20 DM für Heizung. Den Haushalt führten sie von der Mutter des Klägers getrennt. Im Jahre 1972 erstellten die Kläger für sich ein Einfamilienhaus in S, das sie am 1. Juli 1972 bezogen.

Im Streitjahr 1972 waren die Kläger, wie im Jahr zuvor, beide in N - 144 km von S entfernt - berufstätig. Die Klägerin beendete ihr Arbeitsverhältnis dort jedoch wegen der bevorstehenden Geburt eines Kindes am 28. September 1972. Seitdem lebt sie ausschließlich in S. Wegen der Entfernung zwischen S und N wohnten die Kläger in der Zeit vom 1. Januar bis 28. September 1972 während der Arbeitswoche gemeinsam in N in einem möblierten Apartment mit einer Größe von 20 qm, wovon 15 qm auf den Wohnraum, 2 qm auf den Vorraum und je 1,5 qm auf Duschraum und Kochnische entfielen. Der monatliche Mietpreis einschließlich Heizung und anderer Nebenkosten betrug 300 DM. Sämtliche Wochenenden sowie den Urlaub verbrachten die Kläger in S. Jeden Montagmorgen fuhren sie von S zu ihrer Arbeitsstätte nach N und verließen N am Freitag nach Arbeitsschluß. In der Zeit vom Oktober bis Dezember 1972 bewohnte nur noch der Kläger allein während der Arbeitswoche das Apartment in N.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1972 machten die Kläger Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung für das gesamte Streitjahr geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte - auch im Einspruchsverfahren - einen steuerlich zu berücksichtigenden doppelten Haushalt der Kläger ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es führte im wesentlichen aus:

Für die Zeit vom Januar bis 28. September 1972 sei eine doppelte Haushaltsführung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht anzuerkennen, weil während der Arbeitswoche in dem Haushalt der Kläger in S kein hauswirtschaftliches Leben geherrscht habe. Dagegen sei für die Zeit vom Oktober bis Dezember 1972 eine dopelte Haushaltsführung gegeben, weil sich die Haushaltsführung der Kläger gleichzeitig auf zwei verschiedene Haushalte verlagert habe.

Auch soweit eine doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt werden könne, könnten teilweise Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, wenn ein Umzug nicht zumutbar sei. Das sei hier für die Zeit vom 1. Januar bis 28. September 1972 der Fall gewesen. Die Kläger hätten den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in S gehabt. Hier habe sich ihr gesamtes Familienleben in der Freizeit abgespielt. Es sei ihnen nicht zuzumuten gewesen, N zu ihrem Lebensmittelpunkt zu machen, weil der Kläger an Großbaustellen beschäftigt und seine Tätigkeit in N somit nur begrenzt gewesen sei. Da sie sich durch den Bau des Einfamilienhauses für S entschieden hätten, sei ihnen ein endgültiger Umzug nach N nicht zuzumuten gewesen. Die Mietzahlungen für die Wohnung in N in Höhe von 12 x 300 DM (3 600 DM) seien deshalb Werbungskosten. Das gleiche gelte für die Fahrten zwischen S und N.

Für die Zeit vom Januar bis einschließlich 28. September 1972 könnten keine Werbungskosten für Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt werden, weil solche - wegen fehlender Trennung der Familie - nicht entstanden seien. Jedoch seien Verpflegungsmehraufwendungen für die Zeit vom 29. September bis Ende 1972 anzuerkennen.

Das FG setzte demgemäß die Einkommensteuer der Kläger gegenüber der Einspruchsentscheidung des FA um 1 142 DM herab.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung insbesondere von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Es trägt vor: Die Kläger hätten in S zunächst innerhalb der Wohnung der Mutter des Klägers gewohnt. Nur die arbeitsfreien Tage hätten sie dort verbracht; die Wohnung in S sei ihre Freizeitwohnung gewesen. In S hätten sie keine Familienwohnung gehabt. Die spätere Hinzugründung einer weiteren Familienwohnung könne nicht den bei Beginn der Ehe vorliegenden Sachverhalt unbeachtlich werden lassen.

Da die Kläger am Arbeitsort eine Familienwohnung gehabt hätten, scheide eine doppelte Haushaltsführung aus. Dies gelte für das gesamte Streitjahr. Der Bezug des Einfamilienhauses in S sei aus privaten Gründen erfolgt, zumal der Kläger nie von S aus habe seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen wollen. Deshalb komme ein Abzug von Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht in Betracht. Soweit sich das FG auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. November 1971 VI R 132/69 (BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) stütze, lasse es unbeachtet, daß dieses Urteil Mehraufwendungen nur für eine Übergangszeit berücksichtige. Die Kläger hätten in N jedoch seit mehr als einem Jahr Dauerarbeitsplätze gehabt, so daß von einer Übergangszeit nicht mehr gesprochen werden könne.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Die Kläger tragen hierzu vor: Das FA habe im finanzgerichtlichen Verfahren anerkannt, daß vom 29. September 1972 an eine doppelte Haushaltsfsührung bestanden habe. Damit habe das FA gegen etwa ein Drittel der geltend gemachten Aufwendungen keine Einwendungen mehr erhoben. Nunmehr habe es aber in vollem Umfang Revision eingelegt, nur damit die Revisionssumme von 1 000 DM erreicht werde. Dies sei willkürlich.

Sie erwägten Anschlußrevision einzulegen, wollten dies aber davon abhängig machen, ob der BFH die Revision für zulässig halte. Der BFH möge deshalb vorweg über die Zulässigkeit der Revision des FA entscheiden.

Entscheidungsgründe

1. Da das Urteil des FG den Beteiligten noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) zugestellt worden ist, gilt für das vorliegende Revisionsverfahren die Revisionssumme des § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von 1 000 DM.

Das Revisionsbegehren des FA geht dahin, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen den Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung abzuweisen. Damit verlangt das FA, die Herabsetzung der Einkommensteuer durch das FG um 1 142 DM rückgängig zu machen. Folglich ist die Revisionssumme von 1 000 DM überschritten.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist es unbeachtlich, daß das FA ihre Einwendungen gegen den Steuerbescheid in der Vorinstanz zum Teil für zutreffend erachtet hat. Denn nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 7/70 (BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120) muß das FA die Möglichkelt haben, gegen ein Urteil des FG auch dann Revision einzulegen, wenn es auf Grund anderer Erkenntnis seine Einlassung beim FG nicht mehr für richtig hält und deshalb durch die Einlegung der Revision eine durch das FG-Urteil eingetretene Verschlechterung der materiellen Rechtslage hinsichtlich des angefochtenen Verwaltungsakts wieder rückgängig machen möchte. Somit berechtigt jede durch ein FG-Urteil eingetretene materielle Verschlechterung der Rechtslage hinsichtlich des Verwaltungsakts das FA zur Einlegung der Revision. Das FA ist also insoweit durch ein FG-Urteil beschwert, als sein Verwaltungsakt vom FG nicht bestätigt wurde, unabhängig davon, wie es sich in der Vorinstanz zu diesem Verwaltungsakt eingelassen hat (vgl. BFH-Beschluß GrS 7/70).

2. Der Hinweis der Kläger auf verschiedene oberstgerichtliche Entscheidungen, die der unter I. 1. dargestellten Rechtsauffassung - jedenfalls für den Streitfall - widersprechen würden, führt zu keiner anderen Beurteilung.

a) In dem Beschluß vom 25. Oktober 1974 IV R 4/71 (BFHE 114, 162, BStBl II 1975, 234) hat der BFH eine willkürliche Erweiterung des Revisionsantrags als unbeachtlich beurteilt. In jenem Fall hatte der Revisionskläger "ohne erkennbaren Zusammenhang" den Revisionsantrag erweitert. So liegt der Streitfall aber nicht. Der "Zusammenhang" ist hier erkennbar; das FA möchte seinen ursprünglichen Bescheid wiederhergestellt wissen.

b) Auch die Ausführungen im BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 27/74 (BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802) sprechen nicht für die Auffassung der Kläger. In diesem Urteil geht es nicht um die Frage, ob die Revisionssumme erreicht ist, vielmehr darum, ob und inwieweit in der Revisionsinstanz neues tatsächliches Vorbringen zulässig ist. Das Vorbringen des FA, vom 29. September 1972 an sei im Streitfall keine doppelte Haushaltsführung gegeben, ist aber kein neuer Tatsachenvortrag, sondern eine - erneut vertretene - Rechtsauffassung des FA.

c) Die Bezugnahme der Kläger auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Februar 1976 VII ZR 90/74 (Der Betriebs-Berater 1976 S. 815 - BB 1976, 815 -) ist ebenso unbeachtlich. Denn die Ausführungen darin, daß die ganze Revision als unzulässig zu verwerfen ist, wenn nur ein Teil davon fristgemäß begründet wird, sind für den Streitfall unmaßgeblich. Das FA hat nämlich seine - nunmehrige - Auffassung, daß eine doppelte Haushaltsführung auch vom 29. September 1972 an nicht vorliegt, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist dargelegt. Es brauchte zu diesem Zweck nicht darzutun, weshalb es in der Vorinstanz eine andere Auffassung vertreten hatte.

d) Soweit sich die Kläger schließlich auf die Ausführungen von Gräber (Deutsches Steuerrecht 1978 S. 697, 698 - DStR 1978, 697, 698 -) beziehen, sind diese hier schon deshalb unbeachtlich, weil sie sich mit dem Kostenrecht befassen. Daß aber für die Zulässigkeit der Revision und für die Streitwertermittlung zum Zwecke der Gebührenberechnung zu unterscheiden ist, hat der BFH gerade neuerdings hervorgehoben. Nach dem Beschluß vom 10.August 1978 IV R 12/78 (BFHE 126, 3, BStBl II 1979, 27) richtet sich nämlich die Zulässigkeit der Revision nach der Beschwer (vgl. hierzu BFH-Beschluß GrS 7/70). Eine unzulässige Klageerweiterung in der Revisionsinstanz, die im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, führt danach zwar nicht zu einer Beschwer, sie ist aber gleichwohl bei der Gebührenberechnung zu beachten (BFH-Beschluß IV R 12/78).

3. Über die Zulässigkeit der Revision kann, wie von den Klägern begehrt, gemäß §§ 121, 97 FGO durch Zwischenentscheidung befunden werden (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1971 I R 212/71, BFHE 104, 493, BStBl II 1972, 425). Ob der Senat eine Zwischenentscheidung trifft, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. v. Wallis/List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 97 FGO Anm. 7; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 97 FGO Anm. 3). Er hält es im vorliegenden Fall für zweckmäßig, über die Zulässigkeit nicht vorweg zu entscheiden.

Die Kläger haben eine Zwischenentscheidung begehrt, um - bei Zulässigkeit der Revision - möglicherweise eine (unselbständige) Anschlußrevision einzulegen. Den Klägern hätte aber spätestens auf Grund des Hinweises des FA im Schriftsatz vom 30. Juli 1975 auf den BFH-Beschluß GrS 7/70 klar sein können, daß die Revision des FA zulässig ist. Wenn sie dennoch seitdem keine Anschlußrevision eingelegt und seitdem auch nicht mehr erneut angekündigt haben, so haben sie nicht alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, obwohl sie dazu in der Lage waren. Dies aber haben sie selbst zu vertreten. Im übrigen geht es den Klägern mit ihrem Begehren, die Revision als unzulässig zu verwerfen, offenbar mehr um die Bestätigung der Vorentscheidung als darum, auf Grund einer Anschlußrevision noch einen weiteren steuerlichen Abzug zu erreichen, als vom FG anerkannt worden ist.

Schließlich könnten die Kläger mit ihrer Anschlußrevision, soweit sie damit die vom FG nicht anerkannten Verpflegungsmehraufwendungen für die Zeit vom 1. Januar bis 28. September 1972 geltend machen würden, wie sich aus den nachfolgenden Entscheidungsgründen, insbesondere unter II. 1., ergibt, keinen Erfolg haben. Auch aus diesem Grund sieht der Senat von einer Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit ab.

II. Die Revision des FA ist nur zum Teil begründet.

1. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß die Kläger in der Zeit vom 1. Januar bis zum 28. September 1972 keinen doppelten Haushalt geführt haben. Eine doppelte Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG setzt in tatsächlicher Beziehung voraus, daß der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, im dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Es muß sich also bei dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Beschäftigungsort um verschiedene Gemeinden handeln. Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort allein wohnen muß, jedenfalls daß er am Beschäftigungsort nicht einen eigenen Hausstand unterhält (BFH-Urteil vom 21. Januar 1972 VI R 95/71, BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262). Diese Auslegung erscheint auch von der Sache her gerechtfertigt; denn nur, wenn der Arbeitnehmer getrennt von seiner Familie und seinem Hausstand wohnt, tritt eine Aufsplitterung der normalerweise gemeinsamen Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte ein, die die Anerkennung der sich hieraus ergebenden Mehraufwendungen als Werbungskosten rechtfertigt (BFH-Urteil VI R 95 71). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, weil die Kläger jeweils gemeinsam sowohl in S als auch in N wohnten, ihre Haushaltsführung also in der Zeit vom 1. Januar bis 28. September 1972 nicht aufgesplittert wurde.

Aus diesen Gründen hat das FG insbesondere auch den von den Klägern begehrten Werbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwendungen für die Zeit vom 1. Januar bis 28. September 1972 zutreffend nicht zugelassen. Dieser Abzug setzt einen tatsächlichen Mehraufwand durch die gleichzeitige Führung zweier Haushalte voraus.

2. Soweit das FG dennoch für die Zeit vom 1. Januar bis 28. September 1972 die Kosten für die Unterkunft der Kläger am Beschäftigungsort und für Fahrten zwischen S und N als Werbungskosten beurteilt hat, kann ihm der Senat nur zum Teil folgen.

a) Das FG bezieht sich für seine Auffassung zu Unrecht auf das Urteil des Senats VI R 132/69. Denn dieses Urteil betrifft - anders als der vorliegende Fall - die Besteuerung eines ledigen Arbeitnehmers. Auch gestattet dieses Urteil den Werbungskostenabzug nur für eine gewisse Übergangszeit, bis dem Ledigen ein Umzug an den neuen Beschäftigungsort zuzumuten oder möglich ist (vgl. neuerdings auch BFH-Urteil vom 23. Juli 1976 VI R 228 74, BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795). Diese Übergangszeit endet spätestens mit dem Umzug in eine angemessene Wohnung am Beschäftigungsort (BFH-Urteil VI R 228/74). Der Senat sieht das Apartment der Kläger in N, das sie dort mindestens von 1971 an bewohnten, insoweit als angemessene Wohnung an, so daß auch aus diesem Grund die Rechtsprechung des Senats, für eine Übergangszeit Mehraufwendungen für Unterkunft und Fahrten anzuerkennen, nicht zum Zuge kommen kann. Andere Gründe, die Aufwendungen für die Miete der Kläger in N als Werbungskosten zu berücksichtigen, sind nicht erkennbar.

b) Gleichwohl sind die Fahrtaufwendungen der Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 28. September 1972 als Werbungskosten abziehbar.

Der Senat hat in den Urteilen vom 10. November 1978 VI R 21/76 (BStBl II 1979, 219) und VI R 240/74 (BStBl II 1979, 224) entschieden, daß ein Arbeitnehmer, der mehrere Wohnungen besitzt, von denen aus er sich abwechselnd zu seiner Arbeitsstätte begibt, die Fahrtaufwendungen von jeder Wohnung aus als Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG abziehen kann. Für die Fahrtaufwendungen von der weiter vom Beschäftigungsort entfernt liegenden Wohnung aus gilt dies allerdings nur, wenn diese Wohnung der örtliche Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers ist (BFH-Urteile VI R 21/76, VI R 240/74).

Das FG hat festgestellt, daß die Kläger den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in S hatten, weil sie dort ihre gesamte Freizeit verbrachten und im Haus der Mutter des Klägers wohnten. Das FG hat weiter festgestellt, daß die Beibehaltung des Arbeitsplatzes der Kläger in N ungewiß war und daß sie auch deshalb in N nicht ihren Lebensmittelpunkt hatten. Schließlich hat das FG dargelegt, daß die Kläger ihre Wohnung in S mit eigenen Möbeln ausgestattet hatten, während das Apartment in N möbliert angemietet und vor allem wesentlich kleiner als die Wohnung in S war. Die Würdigung des FG, daß unter diesen Umständen die Wohnung der Kläger in S deren Lebensmittelpunkt ist, ist möglich, zumal die Kläger im Streitjahr in S auch ein Einfamilienhaus bauten, womit sie zum Ausdruck brachten, daß sie hier den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen sehen.

War S aber der örtliche Lebensmittelpunkt der Kläger, so können sie die Aufwendungen für Fahrten zwischen S und N gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten abziehen. Da auch gegen den Umfang der Fahrtkosten - einmal wöchentlich 0,36 DM je 144 km - keine Bedenken bestehen, ist das FG-Urteil insoweit im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3. Gegen die Auffassung des FG, die Kläger hätten im letzten Quartal 1972 einen doppelten Haushalt geführt, bestehen keine Bedenken.

Zwar setzt die steuerliche Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung voraus, daß die doppelte Haushaltsführung beruflich veranlaßt ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 2. September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26). Im Streitfall könnte an der beruflichen Veranlassung deshalb gezweifelt werden, weil die Klägerin wegen der bevorstehenden Geburt eines Kindes, die ein privater Anlaß ist, nicht mehr wöchentlich mit dem Kläger nach N gefahren ist und folglich aus diesem Grunde die Aufsplitterung des Haushalts der Kläger eingetreten ist. Die Kläger hatten aber, wie ausgeführt, ihren örtlichen Lebensmittelpunkt in S. Vom 29. September 1972 an blieb die Klägerin am Mittelpunkt der Lebensinteressen zurück, und der Kläger hielt sich während der Arbeitswoche aus beruflichen Gründen in N auf, wo er seinen zweiten - nunmehr von seiner Ehefrau getrennten - Haushalt führte. Es liegt folglich im Streitfall keine Wegverlegung des Wohnsitzes vom Beschäftigungsort vor, wodurch regelmäßig kein steuerlich relevanter doppelter Haushalt begründet wird. Vielmehr ist die Begründung eines doppelten Haushalts der Kläger dadurch gegeben, daß der Kläger aus beruflichen Gründen - vom örtlichen Lebensmittelpunkt der Kläger entfernt - erstmals allein einen Haushalt führte. Die Haushaltsführung der Kläger war somit in der Zeit vom 29. September bis Dezember 1972 aus beruflichen Gründen aufgesplittert (vgl. hierzu oben II. 1.).

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