Normen
§ 3 ErbStG 1959
§ 35 LuftVG
§§ 44 ff. LuftVG
§ 50 LuftVG
Tatbestand:
Die Kläger sind Miterben kraft Gesetzes - und zwar der Kläger zu 1. zur Hälfte und die Kläger zu 2. und 3. zu je einem Viertel - nach ihrem Sohn bzw. Bruder, der zusammen mit seiner Mutter 1972 bei einem Flugzeugunfall auf Helgoland tödlich verunglückte. Die Fluggesellschaft hatte entsprechend ihrer Verpflichtung aus § 50 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) i. d. F. vom 4. November 1968 (BGBl I 1968, 1113) die Fluggäste gegen Unfall versichert. Der Versicherer zahlte die Versicherungssumme von 35 000 DM den Erben aus. Das Finanzamt (FA) hat durch Bescheide vom 28. November 1972 gegen die Kläger Erbschaftsteuer festgesetzt, und zwar gegen den Kläger zu 1. in Höhe von 1 275 DM und gegen die Kläger zu 2. und 3. in Höhe von je 510 DM. Die Einsprüche, mit denen die Kläger geltend machten, die Versicherungssumme gehöre nicht zum Nachlaß, führten wegen Anerkennung höherer Nachlaßverbindlichkeiten zur Herabsetzung der Steuer auf 1 237,50 DM bzw. zweimal 492 DM, blieben aber im übrigen erfolglos.
Die Klage, mit der die Kläger die Aufhebung der Erbschaftsteuerfestsetzungen begehren, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie rügen Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der durch Tötung eines Fluggastes an Bord eines Luftfahrzeuges oder beim Ein- und Aussteigen entsteht; die Haftung war im Zeitpunkt des Unfalles auf einen Höchstbetrag von 67 500 DM begrenzt (§ 46 Abs. 1 Satz 1 LuftVG i. d. F. der Bekanntmachung vom 4. November 1968 (BGBl I 1968, 1113). Von der Ersatzpflicht kann sich der Luftfrachtführer nach Maßgabe des § 45 LuftVG exkulpieren. Bei Tötung umfaßt der Schadensersatzanspruch Ansprüche Dritter, nämlich den Ersatz der Bestattungskosten an denjenigen, der zu ihrer Tragung verpflichtet ist (§ 47 i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 2 LuftVG), sowie etwaige Unterhaltsansprüche nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 LuftVG. Das Luftfahrtunternehmen ist nach § 50 Sätze 1 und 2 LuftVG verpflichtet, die Fluggäste gegen Unfälle i. S. des § 44 LuftVG zu versichern, wobei die Versicherungssumme für den Todesfall 35 000 DM betragen muß. Diese Pflichtunfallversicherung verfolgt das Ziel, die Erfüllung der in § 44 LuftVG erwähnten Ansprüche sicherzustellen. Das verdeutlicht § 50 Satz 3 LuftVG, wonach der Anspruch auf Schadenersatz erlischt, soweit aus der Unfallversicherung geleistet wird. Die Unfallversicherung erweist sich damit einerseits als Personenversicherung und andererseits als Schadensversicherung.
Mit der gesetzlichen Lösung, den Abschluß einer derartigen Unfallversicherung vorzuschreiben (§ 29 g, jetzt § 50 LuftVG) - statt der bis zum Erlaß des Vierten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 26. Januar 1943 (RGBl I 1943, 69) vorgesehenen (§ 29 a. F. LuftVG) obligatorischen Haftpflichtversicherung im Zusammenhang mit dem Haftungsrahmen (§ 46 Abs. 1 Satz 1 LuftVG) - wurde das reine Verschuldungsprinzip ebenso verlassen, wie das der unbegrenzten Eintrittspflicht. § 50 LuftVG soll dazu führen, daß für Schäden bis zu 35 000 DM ein fester Ausgleich ohne Streit über Verschuldensfrage und Anspruchshöhe gewährt wird (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. Mai 1963 VII ZR 127/62, Neue Juristische Wochenschrift 1963 S. 1925 - NJW 1963, 1925 -). Der Sinn der Regelung kann nur in einer pauschalen Erfassung des Schadens bestehen, ohne Rücksicht darauf, ob ein Schaden und ggf. in welcher Höhe er eingetreten ist.
Dieser bewußte Vereinfachungswille ist auch für die Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zu berücksichtigen. Ohne daß es darauf ankommen kann, ob im Einzelfall den Leistungsempfängern Schadensersatzansprüche i. S. des § 35 LuftVG zustehen, gilt die Leistung als zur Abgeltung solcher - nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden - (eigenen) Ansprüche der Leistungsempfänger erhalten. Ohne Einfluß darauf ist, ob den Leistungsempfängern die Leistung als Erben des Versicherten (vgl. § 179 des Versicherungsvertragsgesetzes) zufließt, oder als präsumptiv Anspruchsberechtigten.
Die Vorentscheidung und die angefochtenen Steuerbescheide vom 28. November 1972 in der Gestalt, die sie durch die Einspruchsentscheidungen erhalten haben, waren aufzuheben, weil der der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb jedes der Kläger die Freigrenze von 3 000 DM (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 Steuerklasse III Nrn. 1 und 3 ErbStG 1959) nicht übersteigt.