Normen
§ 9 Abs. 1 EStG 1967
§ 19 EStG 1967
Tatbestand:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Flugkapitän bei der Lufthansa AG angestellt. Diese hat zugunsten ihrer Flugkapitäne eine "Loss-of-Licence"-Versicherung mit der X-Versicherung als Gruppenversicherung abgeschlossen. In dem Tarifvertrag ist vorgesehen, daß die Lufthansa zum Abschluß der Versicherung und daß die Flugkapitäne zum Beitritt zu dieser Versicherung verpflichtet sind. Die Beiträge werden von der Lufthansa entrichtet, jedoch von dieser als steuerpflichtiger Arbeitslohn dem Lohnsteuerabzug unterworfen.
In den "Bedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung von Luftfahrern" der X-Versicherung heißt es u. a.
"§ 1
...
Der Versicherer gewährt nach Maßgabe des Versicherungsvertrages Versicherungsschutz gegen die Folgen der dem Versicherten während der Vertragsdauer zustoßenden Berufsunfähigkeit.
...
§ 2
Begriff der Berufsunfähigkeit
Berunfsunfähigkeit liegt vor, wenn
1. der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls fluguntauglich wird, und
2. aufgrund dieses Sachverhalts die amtliche deutsche Erlaubnis als Luftfahrer von der Erlaubnisbehörde widerrufen wird oder durch Ablauf erlischt und
3. in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen ist, daß die Erlaubnis wieder erteilt werden kann.
§ 13
Beginn und Dauer des Versicherungsschutzes
...
4. Der Versicherungsschutz des Versicherten erlischt automatisch
a) mit dem Schluß des im Zeitpunkt der Vollendung des 55. Lebensjahres laufenden Versicherungsjahres,
b) mit Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis der Versicherungsnehmerin...
c) mit dem Tode des Versicherten."
Die Versicherungsleistungen bestehen in einmaligen Kapitalzahlungen, die nach der Beschäftigungsdauer und dem Lebensalter gestaffelt sind.
Bei der Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau für 1967 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (FA) die auf den Kläger entfallenden Beiträge zu der Versicherung nicht, wie der Kläger dies begehrt hatte, als Werbungskosten, sondern als Sonderausgaben. Dadurch blieb wegen der Höchstbetragsvorschriften mit Rücksicht auf andere geleistete Sonderausgaben ein Betrag in Höhe von 450 DM ohne steuerliche Auswirkung.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte in diesem Punkt Erfolg; das FG setzte die Einkommensteuer entsprechend herab. Es führte in seiner in EFG 1973, 316, veröffentlichten Entscheidung zur Begründung u. a. aus: Die Aufwendungen zur "Loss-of-Licence"-Versicherung seien Werbungskosten. Der Versicherungsschutz nach der streitigen Versicherung trete ein, ohne daß feststehen müsse, daß der Kläger eine anderweitige -- weiterhin berufsbezogene -- Beschäftigung nicht sofort aufnehmen könne oder daß er wegen Unfalls oder einer allgemeinen Krankheit überhaupt am Erwerbsleben nicht mehr teilnehmen könne. Für sein Alter habe der Kläger durch Lebens-, Angestellten- und sonstige Versicherungen anderweitig vorgesorgt. Die Versicherung diene nicht dem Zweck, die Existenz des Versicherten nach dem Verlust von Einnahmen im Anschluß an den Verlust seiner Flugtauglichkeit zu sichern. Hieraus folge, daß die streitige Versicherung ganz überwiegend beruflich veranlaßt sei.
Schließlich werde im Hinblick auf die weitgehend übereinstimmenden Begriffe "Betriebsausgaben" und "Werbungskosten" auf die Urteile des BFH vom 8. April 1964 VI 343/62 S (BFHE 79, 107, BStBl III 1964, 271, betreffend Unfallversicherung eines Webereiinhabers verbunden mit Pkw-Benutzung) und vom 5. August 1965 IV 42/65 S (BFHE 83, 417, BStBl III 1965, 650, betreffend Unfallversicherung eines Rechtsanwaltes wegen beruflicher Pkw-Fahrten) sowie auf das Urteil des RFH vom 11. März 1942 VI 42/42 (RStBl 1942, 601, betreffend Teilhaberversicherung) verwiesen. Unter Würdigung dieser Urteile müsse auch einem Arbeitnehmer ein Wahlrecht dahingehend zugestanden werden, ob er die strittigen Aufwendungen als nachträgliche Einkünfte versteuern wolle (Prämien als Werbungskosten, Versteuerung der Versicherungsleistung im Zeitpunkt des Zuflusses) oder ob er eine andere rechtliche Beurteilung fordere (Prämien als beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben, Versicherungsleistung steuerfrei). Soweit der Kläger auch zu anderen Punkten Einwendungen erhoben hatte, wies das FG die Klage ab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision trägt das FA u. a. vor: Der BFH habe Unfallversicherungen nur als betriebliche Vorgänge anerkannt, wenn ein besonders enger Zusammenhang zwischen einer erhöhten beruflichen Unfallgefahr und dem Abschluß der Unfallversicherung bestanden habe. Bei der streitigen Versicherung sei aber der Versicherungsschutz nicht auf den Eintritt der Fluguntauglichkeit durch einen Betriebsunfall beschränkt. Die "Loss-of-Licence"-Versicherung ähnele mehr einer Krankentagegeldversicherung. Auch bei dieser sei der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles in der Verwendung der Versicherungsleistungen frei und erhalte diese auch dann, wenn ihm durch die Krankheit unmittelbar keine Aufwendungen zur Wiederherstellung der Gesundheit entständen. Für die Krankentagegeldversicherung habe der BFH im Urteil vom 22. Mai 1969 IV R 144/68 (BFHE 95, 447, BStBl II 1969, 489) die Abzugsfähigkeit der Prämien als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten ausdrücklich abgelehnt und ausgeführt, die Versicherung gehöre notwendig in den privaten Lebensbereich, weil sie auf die Erkrankung und die Arbeitsunfhähigkeit des Steuerpflichtigen abgestellt sei. Diese Grundsätze seien auf die streitige Versicherung entsprechend anzuwenden.
Der Kläger trägt u. a. vor: Die Aufwendungen seien unmittelbar durch die Ausübung seines Berufes veranlaßt, da nur beruflich als Luftfahrer tätige Personen versichert werden könnten und die in der Ausübung dieses Berufes liegenden besonderen Risiken gedeckt werden sollten. Diese bestünden einerseits in den hohen physischen und psychischen Belastungen der Flugzeugführer, zum anderen darin, daß wegen der Verantwortlichkeit der Luftfahrer für das Leben der beförderten Passagiere an die Leistungsfähigkeit hohe Anforderungen gestellt werden müßten und die Gefahr, berufsunfähig zu werden, erheblich größer als in anderen Berufszweigen sei. Von einer Krankentagegeldversicherung, die vom BFH im Urteil IV R 144/68 zutreffend als Krankenversicherung beurteilt worden sei, unterscheide sich die streitige Versicherung u. a. dadurch, daß der Anspruch aus der streitigen Versicherung auch entstehe, wenn der Versicherungsnehmer fluguntauglich werde, ohne krank zu sein.
Entscheidungsgründe
Die Beiträge der Lufthansa AG zur "Loss-of-Licence"-Versicherung sind, soweit sie auf den Kläger entfallen, diesem als Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG), nämlich als Aufwendungen des Arbeitgebers zu seiner Zukunftsicherung, zuzurechnen. Die Voraussetzung hierzu, daß der Arbeitnehmer der Zukunftsicherung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt haben muß (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 LStDV 1965), ist dadurch erfüllt, daß in dem Tarifvertrag die Verpflichtung der Flugkapitäne zum Beitritt zu dieser Versicherung vorgesehen ist. Die Zurechnung zu den Zukunftsicherungsaufwendungen, die u. a. auch für die hier nicht streitige Gewährung des Zukunftsicherungsfreibetrags von 312 DM von Bedeutung ist (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV 1965), sagt indessen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer die Aufwendungen als Werbungskosten oder Sonderausgaben absetzen kann oder ob sie nicht absetzbar und die Aufwendungen des Arbeitgebers deshalb vom Arbeitnehmer voll zu versteuern sind, nichts aus. Diese Frage ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden.
Der Kläger kann die Beiträge zu der Versicherung nicht als Werbungskosten (§ 9 EStG) geltend machen. Die Geltendmachung als Werbungskosten scheidet schon deshalb aus, weil durch die Versicherung nicht nur ein berufsbedingtes Risiko abgesichert wird, sondern der Versicherungsschutz sich vielmehr auch auf Risiken des privaten Lebensbereichs erstreckt. Zwar hat die Rechtsprechung des BFH, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, bei Unfallversicherungen die Einbeziehung in den betrieblichen Bereich zugelassen, wenn ausschließlich oder ganz überwiegend ein erhöhtes betriebliches Unfallrisiko abgedeckt werden sollte. Es spricht vieles dafür, daß diese Grundsätze bei Arbeitnehmern entsprechend anzuwenden sind. Jedoch braucht der Senat dies nicht zu entscheiden. Denn die "Loss-of-Licence"-Versicherung deckt nicht ausschließlich oder ganz überwiegend ein erhöhtes berufsbedingtes Unfallrisiko ab, sondern sichert im erheblichen Umfange auch gegen Risiken, die im privaten Lebensbereich der Flugkapitäne begründet sind. Die Versicherung ist nicht auf Risiken beschränkt, die ihre Ursache in der Berufstätigkeit der Flugkapitäne haben. Sie umfaßt z. B. auch den Fall, daß die Fluglizenz im Anschluß an einen nichtberuflichen Unfall verlorengeht oder daß eine dem Privatbereich zuzurechnende Krankheit die Ursache dafür ist. Schließlich fallen auch Ursachen, die weder unfall- noch krankheitsbedingt sind, in den Bereich der Versicherung; denn auch die Fälle, in denen die Fluglizenz ohne eine solche Ursache, z. B. durch allgemeinen Kräfteverfall, verlorengeht, werden von der Versicherung gedeckt.
Die "Loss-of-Licence"-Versicherung ist als ein Unterfall einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitsversicherung mit Merkmalen einer Kranken- und Unfallversicherung anzusehen. Den erhöhten Anforderungen an die Berufsfähigkeit als Flugzeugführer steht regelmäßig eine entsprechend hohe Besoldung gegenüber. Hierin ist der wirtschaftliche Hintergrund für den Abschluß einer besonderen Form der Invaliditätsversicherung, nämlich der streitigen Versicherung, zu sehen. Die Anknüpfung an die besonderen Erfordernisse der Berufsfähigkeit als Flugzeugführer kann indessen entgegen der Auffassung des Klägers nicht bewirken, daß das Versicherungsverhältnis insgesamt als berufsbedingt beurteilt werden könnte. Die Versicherung dient in ähnlicher Weise wie eine Versicherung gegen allgemeine Invalidität der Sicherung des Lebensunterhalts. Unter diesem Gesichtspunkt können die Prämien wie die Beiträge zu einer allgemeinen Invaliditäts- oder auch einer Lebensversicherung nur dem Lebensführungsbereich zugerechnet werden. Aus ähnlichen Erwägungen sind, wie das FA zutreffend ausführt, Beiträge zu einer Krankenversicherung, die als Krankentagegeldversicherung gestaltet war, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anerkannt worden, obwohl der Versicherungsnehmer in der Verwendung der Versicherungsleistungen frei war und diese auch dann erhielt, wenn ihm keine Aufwendungen zur Wiederherstellung der Gesundheit entstanden waren (Urteil IV R 144/68).
Eine Aufteilung der Prämie in einen privaten und einen berufsbedingten Anteil mit der Begründung, daß durch das Versicherungsverhältnis teilweise auch berufsunfallbedingte Risiken gedeckt werden, ist nicht zulässig. Die vom Großen Senat des BFH im Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) herausgestellten Grundsätze bei Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die der Lebensführung dienen und auch beruflich genutzt werden, sind entsprechend anzuwenden. Danach käme eine Aufteilung in Aufwendungen für die Lebensführung und in Werbungskosten nur in Betracht, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen würden, und wenn außerdem der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung wäre. Eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung der berufsbedingten und der nichtberufsbedingten Risiken ist im Streitfall nach objektiven Merkmalen und Unterlagen nicht möglich.
Die Tatsache, daß die streitige Versicherung von der Arbeitgeberin des Klägers als Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen worden ist, sagt über die Frage, ob die Prämien Werbungskosten sind, entgegen der Auffassung der Vorinstanz nichts aus. Es ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, daß der Arbeitgeber Zukunftsicherungsaufwendungen auch durch Abschluß von Gruppenversicherungsverträgen erbringen kann (vgl. das Urteil vom 11. Oktober 1974 VI R 173/71, BFHE 114, 50, BStBl II 1975, 275). Die Entscheidung hängt auch in diesen Fällen allein davon ab, ob die abgesicherten Risiken ausschließlich oder überwiegend dem beruflichen Bereich oder ob sie ganz oder z. T. dem Bereich der Lebensführung der Arbeitnehmer zuzurechnen sind.
Die von der Lufthansa AG gezahlten, auf den Kläger entfallenden Beiträge für die streitige Gruppenversicherung stellen hiernach, wie das FG zutreffend angenommen hat, Arbeitslohn des Klägers dar. Die Vorinstanz hat aber verkannt, daß die Beiträge für den Kläger keine Werbungskosten sind. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FA hat in dem angefochtenen Bescheid die Beiträge als Sonderausgaben anerkannt und nach Maßgabe der Sonderausgabenhöchstbeträge zum Abzug zugelassen. Da der Senat über den Antrag des FA als Revisionskläger ohnehin nicht hinausgehen, also den Bescheid des FA nicht verbösern kann (§ 96 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 121 FGO), war die Klage schon aus diesem Grunde abzuweisen.