BFH

BFHIII R 150/7414.11.1975

Amtlicher Leitsatz:

1. Autowaschhalle (Umschließung einer Autowaschstraße) als Gebäude.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen zum Aufenthalt von Menschen geeignete Räume nicht von untergeordneter Bedeutung sind, so daß das ganze Bauwerk als Gebäude zu bewerten ist.

Normen

§ 19 Abs. 1 BHG 1964
§ 19 Abs. 2 BHG 1964
§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965
§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG 1965

 

Tatbestand:

Die Sache befindet sich im dritten Rechtsgang.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete im Jahre 1966 auf fremdem Grund und Boden eine Auto-Waschanlage. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) behandelte die technische Inneneinrichtung als bewegliches Wirtschaftsgut (Betriebsvorrichtung) und gewährte dafür nach § 19 Abs. 1 BHG 1964 (BGBl I 1964, 674, BStBl I 1964, 510) eine Investitionszulage. Streitig ist geblieben, ob die eigentliche Waschhalle -- zusammen mit den darin befindlichen Einrichtungsgegenständen -- eine einheitliche Betriebsvorrichtung darstellt, so daß dem Kläger von weiteren Herstellungskosten noch eine zusätzliche Investitionszulage zu zahlen wäre, oder ob es sich bei der Waschhalle um ein nicht zulagebegünstigtes Gebäude handelt.

Das FG ging im zweiten Rechtsgang von dem zum Bewertungsrecht und zum Grunderwerbsteuerrecht entwikkelten und von der Rechtsprechung auf das Gebiet der Investitionszulage (vgl. Urteil des BFH vom 1. Dezember 1970 VI R 170/69, BFHE 100, 566, BStBl II 1971, 159) übertragenen Gebäudebegriff aus und bejahte die Gebäudeeigenschaft der Waschhalle.

Der VIII. Senat des BFH hob mit Urteil vom 19. Februar 1974 VIII R 267/71 jedoch die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück, damit es noch zusätzliche Feststellungen zu der Frage treffe, ob die Waschhalle den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestatte. Im einzelnen wurde dem FG aufgegeben: Es solle feststellen, an welchen Stellen des Bauwerks im einzelnen sich Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten könnten. Dabei sei auch zu klären, wie stark das Personal der Nässe und dem Lärm ausgesetzt sei. Ergäbe das weitere Verfahren, daß nicht die ganze Waschhalle, sondern nur einzelne Teile davon zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen geeignet seien, so sei weiter zu prüfen, ob diese Teile im Verhältnis zur ganzen Anlage nicht nur von untergeordneter Bedeutung seien. Sei das nicht der Fall, so sei die ganze Waschhalle als Gebäude anzusehen.

Das FG stellte daraufhin bei einer erneuten Ortsbesichtigung folgendes fest:

Die Autowaschhalle ist ca. 20 m lang und 5,50 m breit. Sie besteht aus der Einfahrt, einer Bürstenstation, einer Gebläsestation und der Ausfahrt. Links neben diesem sogenannten Fahr- und Reinigungstrakt befindet sich zunächst die Schaltzentrale mit ca. 8 qm und anschließend bis zur Ausfahrt ein Bedienungsgang von 1,15 m Breite. Die Schaltzentrale wird zur Hälfte von technischen Geräten in Anspruch genommen, im übrigen dient sie dem Personal als Aufenthaltsraum und im Winter als Kassenraum. Der Bedienungsgang ist gegenüber der Bürstenstation durch eine nicht raumhohe Spritzschutzwand geschützt, in der sich zwei Fenster aus Kunststoff befinden, die in Notfällen dem Bedienungspersonal eine Verständigung mit dem Autofahrer erlauben. Gegenüber der Gebläsestation ist der Bedienungsgang offen. Außerdem enthält die Anlage noch einen, nur von außen zugänglichen 1 qm großen Toilettenraum und rechts von dem Fahr- und Reinigungstrakt zwei Freiflächen von je 2 qm. Ein Aufenthalt in dem eigentlichen Fahr- und Reinigungstrakt -- so führt das FG als Ergebnis seiner Augenscheinseinnahme aus -- sei während des Bedienungsvorgangs nicht möglich. Dagegen sei ein Aufenthalt in dem Bedienungsgang gegenüber der Gebläsestation möglich. Wegen des erheblichen Lärms der Gebläse verstehe man aber sein eigenes Wort nicht mehr. Auf dem Boden des Bedienungsgangs gegenüber der Bürstenstation habe sich im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung Wasser befunden. Die Kleidung des Berichterstatters sei aber nicht durchfeuchtet worden, lediglich seine Schuhe seien naß geworden.

Der Kläger legte außerdem ein technisches Gutachten vor, in dem die Meßergebnisse über die von den Gebläsen verursachte Geräuschentwicklung festgehalten sind.

Das FG wies die Klage erneut ab. Es kam zu dem Ergebnis, daß sowohl in der Schaltzentrale als auch auf dem Bedienungsgang ein längerer Aufenthalt von Menschen möglich sei. Die gesamte Waschanlage stelle daher ein Gebäude dar. Das sei auch die übereinstimmende Auffassung der Länder (vgl. z. B. Finanzministerium Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 1973, BB 1973, 278). Auch bei der Einheitsbewertung sei die Waschhalle des Klägers als Gebäude auf fremdem Grund und Boden bewertet worden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er rügt die Verletzung des § 19 BHG und macht im einzelnen geltend:

Der 89 qm große Fahr- und Reinigungstrakt, der bei dem sich ständig wiederholenden Reinigungsvorgang unstreitig zum Aufenthalt von Menschen nicht geeignet sei, mache bereits 75 v. H. der Gesamtfläche aus und gebe somit der Waschanlage das Gepräge. Demgegenüber seien die übrigen Teile des Bauwerks nur von untergeordneter Bedeutung. Das gelte einmal flächenmäßig, das gelte aber auch der Funktion nach, weil die Schaltzentrale, der Bedienungsgang und die Freiflächen dem Fahr- und Reinigungstrakt untergeordnet seien und ihm zu dienen hätten. Sie seien deshalb selbst als Betriebsvorrichtung anzusehen. Da bereits eine Betriebsvorrichtung mit einem Anteil von 51 v. H. genüge, um dem gesamten Bauwerk das Gepräge zu geben (vgl. Kremer, FR 1960, 340), könne die Autowaschhalle mit einem unstreitigen Betriebsvorrichtungsanteil von 75 v. H. in ihrer Gesamtheit nur als Betriebsvorrichtung angesehen werden.

Aber auch der Bedienungsgang sei kein zum Aufenthalt von Menschen geeigneter Bauwerksteil. Einmal fehle es an der räumlichen Umschließung, weil die Plastikwand zum Reinigungstrakt hin nicht der Umschließung diene, sondern als Sicherheitseinrichtung gegenüber einer gefährlichen Betriebsvorrichtung gedacht sei. Außerdem ließen die in dem Bedienungsgang herrschende Feuchtigkeit und Geräuschentwicklung einen Aufenthalt von Menschen nicht zu. Auch nach der Verkehrsauffassung könne der Bedienungsgang nicht als zum Aufenthalt von Menschen geeignet angesehen werden. Schließlich sei die Auffassung des FG, daß ggf. auch die Schaltzentrale allein das Bauwerk in seiner Eigenart mitpräge, verfehlt. Das scheitere schon daran, daß die Schaltzentrale flächenmäßig nur von untergeordneter Bedeutung sei und zum anderen allein auf den Fahr- und Reinigungstrakt hin orientiert sei, der aber seinerseits keine Gebäudeeigenschaft besitze.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidungen das FA zu verurteilen, ihm eine weitere Investitionszulage zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. In seinem den zweiten Rechtsgang abschließenden Urteil vom 19. Februar 1974 VIII R 267/71 hat der BFH die einzelnen Gebäudemerkmale der hier zu beurteilenden Autowaschanlage bereits geprüft und bejaht. Der Rechtsstreit war lediglich zurückverwiesen worden, um hinsichtlich der einen offengebliebenen Frage noch Feststellungen zu treffen, in welchen einzelnen Raumteilen sich Menschen auf längere Dauer aufhalten können, und ob diese Teile im Verhältnis zur Gesamtfläche von untergeordneter Bedeutung sind. Das FG hat diese Feststellungen nunmehr nachgeholt und ist bei seiner erneuten rechtlichen Einordnung zu dem Ergebnis gelangt, daß die streitige Umschließung der Autowaschstraße als ein Gebäude anzusehen ist. Auch der erkennende Senat, auf den die Zuständigkeit zur Entscheidung inzwischen übergegangen ist, ist auf die rechtliche Nachprüfung dieser noch streitigen Frage beschränkt (§ 126 Abs. 5 FGO; vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 126 FGO Anm. 6).

a) Die Vorinstanz hat nunmehr auf Grund einer erneuten Augenscheinseinnahme durch den beauftragten Richter die auch von dem Kläger nicht beanstandete Feststellung getroffen, daß sich in der ca. 8 qm großen Schaltzentrale Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten können. Dieser Raum ist in der kalten Jahreszeit beheizt, er dient dem Bedienungspersonal als Aufenthaltsraum und er ist im Winter gleichzeitig der Kassenraum. Daß dieser Raum etwa zur Hälfte mit technischen Anlagen ausgefüllt ist, hindert den Aufenthalt von Menschen nicht.

Die Vorinstanz hat die Verhältnisse in dem Bedienungsgang dahin gewürdigt, daß auch hier ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt von Menschen möglich sei. Sie hat dabei die an Ort und Stelle getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt, daß die Einwirkungen durch Feuchtigkeit -- jedenfalls zur Zeit der Ortsbesichtigung -- sich in erträglichem Rahmen hielten, und daß ein Aufenthalt trotz der erheblichen Geräuschbelästigung noch möglich sei.

b) Auch bezüglich dieser Feststellungen hat der Kläger keine Revisionsgründe vorgebracht. Er beanstandet lediglich die Auffassung des FG, daß das dort arbeitende Personal notfalls Schutzkleidung tragen müsse, um Gesundheitsschäden vorzubeugen. Er meint, dies sei dem Bedienungspersonal nicht zuzumuten, da es sich normalerweise in der trockenen und beheizten Schaltzentrale aufhalte und nur bei Betriebsstörungen den Bedienungsgang betrete. Die abstrakte Möglichkeit allein, sich im Bedienungsgang mit Schutzkleidung nicht nur vorübergehend aufhalten zu können, reiche nicht aus.

Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Wie die Vorinstanz in diesem Zusammenhang bereits ausgeführt hat, ist es nicht erforderlich, daß ein Bauwerk zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist, sondern daß es genügt, daß Menschen sich in ihm aufhalten können. Das ist auch der Fall, wenn Arbeitsvorgänge nur mit entsprechender Schutzkleidung erledigt werden können, um sich gegen gesundheitliche Schäden zu schützen (vgl. auch den übereinstimmenden Ländererlaß -- Nordrhein-Westfalen -- vom 31. März 1967, BStBl II 1967, 127 unter B 6). Es gibt im modernen Wirtschaftsleben vielerlei Arbeitsvorgänge, die nur mit Schutzkleidung verrichtet werden können, ohne daß dadurch der Gebäudebegriff verneint werden könnte. Auf Brennöfen, Wasserbehälter und Gaskessel, die nicht zu den Gebäuden rechnen, kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht berufen. Denn in diesen Bauwerken kann sich auch in Schutzkleidung niemand aufhalten, wenn sie in Betrieb sind.

c) Der Bedienungsgang verliert seine Eigenschaft, zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen geeignet zu sein, auch nicht dadurch, daß er zum Fahrund Reinigungstrakt hin keine abschließende Wand hat. Zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen geeignet sind in diesem Zusammenhang nicht nur abgeschlossene Räume anzusehen. Es genügt vielmehr, daß einzelne Flächen den Aufenthalt von Menschen erlauben, die dann allerdings im Verhältnis zum Ganzen nicht von untergeordneter Bedeutung sein dürfen. Es ist deshalb unschädlich, daß der Bedienungsgang in Höhe der beiden Gebläse ganz ohne Trennwand ist, und gegenüber der Reinigungsstation nur durch eine nicht bis zur Decke reichende Kunststoffwand getrennt ist, die nach dem Vortrag des Klägers nur eine Sicherheitsvorkehrung und damit selbst Betriebsvorrichtung ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kann man in diesem Punkt auch über die Verkehrsauffassung zu keinem anderen Ergebnis kommen.

2. Schließlich ist der Auffassung des Klägers auch nicht zu folgen, daß die gesamte Waschstraße eine Betriebsvorrichtung sei, weil bereits der Fahr- und Reinigungstrakt mit 75 v. H. der Gesamtfläche zum Aufenthalt von Menschen nicht geeignet sei und "eine Betriebsvorrichtung darstelle". Richtig ist, daß ein einheitliches Bauwerk grundsätzlich nicht anteilig als Betriebsvorrichtung und als Gebäude bewertet werden kann. In dem Urteil vom 5. Februar 1965 III 35/61 U (BFHE 81, 611, BStBl III 1965, 220) hat der Senat eine Ausnahme gemacht in einem Fall, in dem zwischen einem Silo und einem Gebäude eine gedachte vertikale Trennungslinie möglich war. Ansonsten bleibt es aber bei dem Grundsatz, daß ein Bauwerk nur einheitlich als Gebäude oder als Betriebsvorrichtung gelten kann. Dabei geht die Rechtsprechung seit langem -- trotz Kritik im Schrifttum, vgl. Kremer, a. a. O. -- vom Gebäudebegriff aus, entsprechend der gesetzlichen Regelung, die in § 50 Abs. 1 BewG a. F. und § 68 Abs. 1 und 2 BewG 1965 die Gebäude und nicht die Betriebsvorrichtungen in den Vordergrund gerückt hat (vgl. BFH-Urteile vom 24. Februar 1961 III 434/58 S, BFHE 72, 621, BStBl III 1961, 228, und vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517; vgl. auch Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 68 BewG, Anm. 26 ff.). Danach wird ein Gebäude auch dann angenommen, wenn es nicht in allen seinen Einzelteilen zum Aufenthalt von Menschen geeignet ist. Es ist lediglich notwendig, daß der Teil oder die Teile des Bauwerks, wo dies möglich ist, nicht von untergeordneter Bedeutung sind.

3. Die Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gekommen, daß Schaltzentrale und Bedienungsgang im Verhältnis zum Ganzen nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Diese Entscheidung beruht zum Teil auf tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsangriffe gebunden ist, und zum Teil auf der Anwendung materiellen Rechts. Das FG hat zu Recht für seine Entscheidung nicht nur auf die Größenverhältnisse der jeweils maßgebenden Bauteile abgestellt, sondern auch auf die Nutzungsintensität. Dabei hat es zu Recht berücksichtigt, welche Bedeutung der zum Aufenthalt von Menschen geeignete Raum für den übrigen Bauwerksteil (Betriebsvorrichtung) hat. So kann einer gleichgroßen Fläche ein unterschiedliches Gewicht beizumessen sein, je nachdem, ob sich Personal hier nur gelegentlich aufhält, um beispielsweise eine maschinelle Anlage zu warten (wie bei den Transformatorenhäusern), oder ob ein ständiger Aufenthalt von Personal unumgänglich ist, um die Betriebsanlage zu steuern oder ihren Ablauf zu überwachen. Maßgebend ist also nicht die Flächengröße allein; in die Beurteilung ist vielmehr auch die Intensität einzubeziehen, mit der von dem zum Aufenthalt von Menschen geeigneten Raum auf das übrige Bauwerk (Betriebsvorrichtung) eingewirkt wird. Die Vorinstanz hat ihre Entscheidung hauptsächlich auf die Bedeutung der Schaltzentrale für einen geordneten Betriebsablauf und in geringerem Maße auf die Bedeutung des Bedienungsgangs bei Eingriffen in Notfällen gestützt. Dieser Beurteilung, die mit den vorgenannten Grundsätzen in Einklag steht, stimmt der Senat zu.

Damit steht fest, daß die Waschhalle (Umschließung der Waschstraße) als solche kein bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens ist und die Gewährung einer Investitionszulage nicht in Betracht kommt.

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