Normen
§ 9 Nr. 6 EStG
§ 7 Abs. 1 EStG
Tatbestand:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb 1959 ein unbebautes Grundstück für 105 000 DM. Er wollte darauf ein Mietwohnhaus errichten und leitete deshalb Planungsmaßnahmen und Genehmigungsverfahren ein. Zwischenzeitlich vermietete er das Grundstück für 2 000 DM monatlich an einen Autohändler, der dort Fahrzeuge zum Verkauf ausstellte.
1964 verkaufte der Kläger das Grundstück an die Stadt, die eine Teilfläche davon für die damals geplante Erweiterung einer Straße benötigte. Die Vertragspartner vereinbarten einen Kaufpreis von 105 000 DM und eine Entschädigung von 61 257 DM für die dem Kläger bei der Vorbereitung des Hausbaus entstandenen Kosten. In dem Kaufvertrag wurde u. a. ausgeführt: "Die Stadt überläßt dem Verkäufer die kostenlose Nutzung des Kaufgrundstücks in der Art wie bisher, insbesondere für das Abstellen fremder Fahrzeuge, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Stadt das Kaufgrundstück zur Verbreiterung der Straße benötigt. Die Nutzung des Kaufgrundstücks kann dann mit einer Frist von 3 Monaten durch die Stadt gekündigt werden."
Nachdem bei einer Betriebsprüfung festgestellt worden war, daß der Kläger die nach dem Verkauf des Grundstücks erzielten Mieteinnahmen in seinen Einkommensteuererklärungen nicht mehr angegeben hatte, ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) für die Jahre 1964 bis 1966 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt 54 660 DM und erließ dementsprechend berichtigte Einkommensteuerbescheide. Der Einspruch hiergegen blieb im wesentlichen erfolglos.
Mit der Klage wurde geltend gemacht, der Wert des vom. Kläger ausgeübten Nutzungsrechts sei Bestandteil des Grundstückskaufpreises gewesen. Durch den Verzicht auf einen höheren Kaufpreis habe der Kläger Aufwendungen zum Erwerb des Nutzungsrechts gemacht, die -- verteilt auf die Dauer der Nutzung -- als Werbungskosten die Einnahmen aus der Grundstücksvermietung mindern müßten. Beim Verkauf sei man davon ausgegangen, daß das Grundstück noch etwa zehn Jahre vermietet werden könne. Bei dieser Nutzungsdauer ergebe sich unter Anwendung der Hilfstafel 2 zum BewG ein Barwert des Nutzungsrechts von 190 848 DM. Dieses Recht sei abschreibbar, weil es sich im Wert verzehre.
Das FG wies die Klage ab und führte dazu im wesentlichen aus:
Die Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks seien dem Kläger zuzurechnen. Auch nach dem Verkauf des Grundstücks habe die wirtschaftliche Nutzungsberechtigung dem Kläger zugestanden. Dadurch, daß die Stadt bereits im Kaufvertrag das Recht zur weiteren Vermietung dem Kläger überließ, habe sie zu dessen Gunsten auf eine eigene Nutzungsmöglichkeit verzichtet. Die privatrechtlichen Folgen eines Kaufs hinsichtlich eines bestehenden Mietverhältnisses hätten steuerlich dann keine Auswirkung auf die Zurechnung der Einkünfte, wenn der Käufer dem Verkäufer die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks überläßt, ohne dafür ein Entgelt zu bekommen.
Der Kläger habe auch keine als Werbungskosten abziehbare Aufwendungen gehabt. Für die im Kaufvertrag vereinbarte Zurückbehaltung des Nutzungsrechts sei nichts aufgewendet worden. Selbst der -- behauptete -- Verzicht auf einen höheren Kaufpreis stelle keinen Aufwand dar, da das Vermögen des Klägers in Höhe des angeblichen Verzichts nicht geschmälert worden sei. Nach dem Kaufvertrag habe der Kläger lediglich die Verpflichtung gehabt, der Stadt das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen. Die Nutzungsmöglichkeit habe er nicht übertragen brauchen, sondern unentgeltlich zurückbehalten können. Damit sei allein das Eigentum aus seinem Vermögen ausgeschieden. Da das Nutzungsrecht im Vermögen des Klägers verblieben sei, könne der Fall auch nicht so betrachtet werden, als hätten sich die Vertragspartner zunächst auf einen dem Verkehrswert des Grundstücks entsprechenden Kaufpreis geeignet, dann aber diesen Preis um den Wert des zurückbehaltenen Nutzungsrechts gemindert.
Auch die als Werbungskosten geltend gemachten Abschreibungen auf das Nutzungsrecht könnten nicht anerkannt werden, weil das Recht keinem Wertverzehr unterliege.
Mit der Revision werden fehlerhafte Anwendung der §§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, 1 Abs. 2 StAnpG und Verstoß gegen die Denkgesetze gerügt. Dazu wird vorgebracht:
Werbungskosten seien auch der Aufwand, der durch Einsatz eines abnutzbaren Wirtschaftsguts entstehe. Mit dem im Kaufvertrag zurückbehaltenen Nutzungsrecht habe der Kläger ein solches Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung eingesetzt. Für die Abziehbarkeit als Werbungskosten komme es nicht darauf an, ob das Wirtschaftsgut durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge oder originär entgeltlich oder unentgeltlich erworben ist, maßgebend sei allein die Abnutzbarkeit. Daß das Nutzungsrecht einen Wert gehabt habe, ergebe sich daraus, daß der Einheitswert des Grundstücks zum 1. Januar 1964 weit über dem Kaufpreis gelegen habe.
Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liege darin, daß das FG einen Wertverzehr des vorbehaltenen Nutzungsrechts verneint habe. Spätestens mit der Inanspruchnahme des Grundstücks durch die Stadt erreiche das Nutzungsrecht den Wert Null.
Entscheidungsgründe
1. Das FG ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten zutreffend davon ausgegangen, daß die vom Kläger bezogenen Einnahmen diesem im Rahmen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG zuzurechnen sind.
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26. Oktober 1971 VIII R 137/70 (BFHE 104, 67, BStBl II 1972, 215) ausgeführt hat, setzt das Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht das Eigentum oder ein dingliches Recht des Verpächters an der verpachteten Sache voraus. Es genügt, wenn ein obligatorisches Nutzungsverhältnis zu dem Eigentümer besteht, auf Grund dessen der Nutzungsberechtigte die zu nutzende Sache einem Dritten überläßt. Von den Umständen des Einzelfalles hängt es ab, ob ein obligatorisches Recht zur Nutzung einer Einkunftsquelle vorliegt oder ob es sich -- beim Fehlen eines solchen Nutzungsverhältnisses -- um die Zuwendung von Einkommen seitens eines anderen handelt.
Diesen Grundsätzen entspricht es, im Streitfall die in Rede stehenden Einnahmen dem Kläger als im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) bezogen zuzurechnen. Wenn in dem Vertrag zwischen dem Kläger und der Stadt vereinbart wurde, daß der Kläger das Kaufgrundstück wie bisher, nämlich durch Vermietung der Grundstücksfläche, nutzen konnte, dann rechtfertigt das die Annahme, daß der Kläger ein obligatorisches Nutzungsrecht an einer Einkunftsquelle hatte. Dabei kann offenbleiben, ob dieses Nutzungsrecht bei der Eigentumsübertragung gewissermaßen zurückbehalten oder ob es, nachdem es zunächst mit dem Eigentum auf die Stadt übergegangen war, neu begründet wurde. Denn ein ernstlich vereinbartes und tatsächlich durchgeführtes Nutzungsverhältnis läßt nur die Annahme zu, daß Einnahmen auf Grund des Nutzungsrechts von dem Berechtigten und nicht von dem Überlassenden bezogen werden.
2. Der Vorentscheidung ist im Ergebnis auch darin beizutreten, daß der Kläger seine Einnahmen nicht um Werbungskosten in Form von Absetzungen für Abnutzung (AfA) mindern kann.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 26. März 1974 VIII R 210/72 (BFHE 112, 165, BStBl II 1975, 6) entschieden, daß auf ein entgeltlich erworbenes dingliches Wohnrecht der privaten Sphäre AfA nicht vorgenommen werden können. Er hat dies damit begründet, daß der Aufwand zum Erwerb eines solchen Rechts Aufwand für den Erwerb einer Einkunftsquelle darstellt, dem die Anerkennung als Werbungskosten versagt ist, ferner, daß das Recht als solches nicht der Abnutzung unterliegt. Diese Grundsätze, wegen deren Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens und des Betriebsvermögens, zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angeführte Entscheidung verwiesen wird, gelten auch, wenn es um den Erwerb eines obligatorischen Nutzungsrechts im privaten Bereich geht. Auch hier sind Aufwendungen zur Erlangung des Nutzungsrechts keine Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie stellen vielmehr Aufwand zum Erwerb der Einkunftsquelle dar. Ebenso wie bei dinglichen Rechten verhält es sich bei obligatorischen Rechten mit der Abnutzung. Sie unterliegen ebenfalls keinem Wertverzehr in der Substanz. Eine Abnutzung kommt nur bei dem Gegenstand in Betracht, auf den sich das Nutzungsverhältnis bezieht.
Bei Anwendung dieser Grundsätze kann es im Streitfall dahingestellt bleiben, ob der Kläger für die Überlassung des Nutzungsrechts an dem Grundstück etwas aufgewandt hat. Ein etwaiger Aufwand würde sich auf den Erwerb einer Einkunftsquelle beziehen. Das Nutzungsrecht als solches unterliegt keiner Abnutzung.