Normen
§ 19 Abs. 1 BHG 1964
§ 2 BHG 1964
Tatbestand:
Streitig ist die Investitionszulage für eine Be- und Entlüftungsanlage.
Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Möbelhändlerin in Berlin (West). Sie ließ im Jahre 1964 in ihrem neu errichteten Ausstellungs- und Verkaufsgebäude eine Be- und Entlüftungsanlage installieren und nahm für die Anlage gemäß § 19 BHG 1964 eine Investitionszulage in Anspruch. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) verweigerte die Zulage, weil die Anlage kein bewegliches Wirtschaftsgut im Sinne des § 19 BHG sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG rechnete die Anlage den unbeweglichen Sachen zu, ohne zu untersuchen, ob sie eine Betriebsvorrichtung sein könne. Der VI. Senat des BFH sah hierin einen Entscheidungsfehler und hob die Entscheidung des FG auf (Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 205/67, BFHE 92, 382, BStBl II 1968, 567). Entscheidend sei, ob die Anlage ein unmittelbar und ausschließlich der Möbellagerung dienendes Wirtschaftsgut und damit eine Betriebsvorrichtung sei. Dies habe das FG zu prüfen.
Im zweiten Rechtsgang gab das FG der Klage mit folgender Begründung statt: Die Anlage diene der Be- und Entlüftung der Verkaufsträume. Die Luftfeuchtigkeit werde den Erfordernissen der Möbellagerung entsprechend bemessen. Die Anlage sei nicht auf das Wohlbefinden der Menschen abgestellt, die sich in dem Gebäude aufhalten, sondern sei allein dafür erforderlich, daß die für die Möbel notwendige Temperatur und Luftfeuchtigkeit vorhanden seien. Zudem bewirke sie im Winter die Eisfreiheit der Schaufensterscheiben. Die Be- und Entlüftungsanlage sei daher eine Betriebsvorrichtung.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA mit folgender Begründung: Da Möbel unter den üblicherweise in Wohn- und Arbeitsräumen herrschenden Temperaturund Feuchtigkeitsverhältnissen ohne Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit langfristig genutzt werden können, diene die Be- und Entlüftungsanlage der Klägerin in erster Linie dazu, den Aufenthalt von Menschen in den betreffenden Räumen erträglicher und angenehmer zu machen, nicht aber zum Schutz und zur Erhaltung der dort aufgestellten Möbel.
Das FA beantragt, das Urteil des FG Berlin vom 25. November 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, und weist darauf hin, daß die vorhandenen Fenster ausreichten, um die Räume für den Kundenverkehr ausreichend zu be- und entlüften.
Entscheidungsgründe
Aus den vom FG ermittelten Tatsachen ergibt sich, daß die durch die Lüftungsanlage in die Räume eingeführte Frischluft den in den belüfteten Räumen befindlichen Personen zugute kommt. Es handelt sich insoweit um eine Einrichtung, die den Aufenthalt von Menschen in den belüfteten Räumen ermöglicht oder angenehmer gestaltet. Derartige Einrichtungen sind keine Betriebsvorrichtungen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 341/66, BFHE 92, 372, BStBl II 1968, 563; Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., Rdnr. 30 zu § 68 BewG). Aus den Feststellungen des FG ergibt sich also, daß die Anlage zum mindesten zwei Funktionen ausübt, von denen nur eine die einer Betriebsvorrichtung ist. Schon aus diesem Grunde konnte das FG nicht zu der Ansicht gelangen, die Anlage diene ausschließlich der Möbellagerung.
Aber auch dann, wenn man davon ausgeht, daß es für die Bejahung einer Betriebsvorrichtung genügt, wenn die Anlage dem Betriebszweck überwiegend dient (vgl. Entscheidung des BFH vom 29. April 1965 IV 386/62 U, BFHE 83, 301, BStBl III 1965, 610 für ein Gewächshaus als Betriebsvorrichtung; Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder: für Nordrhein-Westfalen vom 28. März 1960 S 3230 -- 1 -- VC 1, Rdnr. 18, BStBl II 1960, 96 betreffend Klimaanlage in Kunstfaser- und Tabakfabriken), ist die Würdigung der Vorinstanz nicht möglich. Denn die Versorgung der Kunden und des Personals mit Frischluft ist nicht nur ein unbeachtlicher Nebenzweck der Lüftungsanlage. Nach den Feststellungen des FG wurde die Anlage den Bedürfnissen der Kunden angepaßt, indem die Erwärmung der zugeführten Luft im Winter vermindert wurde, um den Kunden den Aufenthalt in den Verkaufs- und Ausstellungsräumen auch im Mantel nicht unangenehm werden zu lassen. Zudem durfte sich das FG in seiner Beweiswürdigung nicht auf die Würdigung der allein den Streitfall betreffenden Tatsachen beschränken. Es hätte auch die allgemein bekannten Erfahrungen über den Gebrauch von Lüftungsanlagen in Betriebsräumen in Betracht ziehen müssen, um zu einer zutreffenden Würdigung zu gelangen. Es hätte also bedenken müssen, daß größere Einzelhandelsgeschäfte, wie Kaufhäuser, Supermärkte und ähnlich größere Verkaufsbetriebe, zu denen auch der Betrieb der Klägerin gehört, in zunehmendem Maße ihre Verkaufsräume durch Klimaanlagen belüften lassen, um dem Publikum und dem Personal gute Atemluft und angenehme Temperatur zu verschaffen. Im Hinblick auf diese Erfahrungstatsache hätte das FG auch den Umstand, daß die Klägerin auf Fenster in ihren zur Straße liegenden Außenmauern -- abgesehen von den Schaufenstern im Erdgeschoß -- verzichtete, nicht außer Betracht lassen dürfen. Denn das Fehlen der Fenster in den Außenmauern mußte die ausreichende Durchlüftung der Räume ohne Klimaanlage erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Zum mindesten konnte unter diesen Umständen das Vorhandensein der Lüftungsanlage nicht von untergeordneter Bedeutung für die Versorgung der in den Räumen anwesenden Menschen angesehen werden. Das FG konnte bei Würdigung aller dieser Tatsachen allenfalls zu der Ansicht gelangen, daß keine der beiden Funktionen der Lüftungsanlage -- die ausgestellten Möbel vor klimatischen Einwirkungen zu schützen und der Kundschaft und dem Personal gute Atemluft zu bieten -- die andere an wirtschaftlicher Bedeutung übertrifft. Das genügt aber nicht, um die Lüftungsanlage im Betrieb der Klägerin als Betriebsvorrichtung anzusehen.