Normen
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) -- eine GmbH --, die vor Jahren in den USA eine Tochtergesellschaft errichtet hatte, deren sämtliche Geschäftsanteile sie hält, hatte am 31. Dezember 1965 Forderungen aus Lieferung an diese Tochtergesellschaft in Höhe von rd. 770 000 DM. Da die Tochtergesellschaft in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1965 eine Überschuldung in Höhe von rd. 170 000 DM auswies, nahm die Klägerin in ihrer Bilanz, die gegen Ende des Jahres 1966 erstellt wurde, eine Wertberichtigung ihrer Forderung in gleicher Höhe vor. Andererseits hatte die Klägerin im Jahre 1966 eine Erhöhung des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft um 170 000 DM beschlossen und durchgeführt und ihre Verpflichtung aus der Kapitalerhöhung (nach den Feststellungen des FG) durch Aufrechnung mit dem wertberichtigten Teil ihrer Forderung erfüllt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ließ die Wertberichtigung nicht zu, da die Forderung in Höhe der Einlageverpflichtung der Klägerin als eingegangen angesehen werden müsse. Auch die von der Klägerin gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Ein Ansatz der Forderung mit dem niedrigeren Teilwert sei nur dann zulässig, wenn ihr Wert für dauernd unter die Anschaffungskosten gesunken sei. Die Klägerin habe nicht bestritten, daß ihre Forderung in Höhe von 600 000 DM einbringbar gewesen sei. Die Restforderung mit 170 000 DM sei ihr bei Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1965 bereits durch Aufrechnung mit ihrer Einlageverpflichtung aus der Kapitalerhöhung zugeflossen gewesen. Umstände, aus denen der Kaufmann zur Zeit der Bilanzaufstellung Rückschlüsse auf die Wertigkeit einer Forderung am Bilanzstichtag ziehen könne, müsse er in der Regel bei Aufstellung seiner Bilanz berücksichtigen, auch wenn sie am Bilanzstichtag noch nicht eingetreten oder noch nicht bekannt waren (Urteil des BFH vom 27. April 1965 I 324/62 S, BFHE 82, 445, BStBl III 1965, 409).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung "den Körperschaftsteuerbescheid 1965 vom 23. Mai 1967 aufzuheben und eine zusätzliche Wertberichtigung für die Forderungen in Höhe von 170 000 DM bei gleichzeitiger Herabsetzung der Gewerbesteuerrückstellung um 14 000 DM zuzulassen". Zur Begründung läßt sie vortragen:
Die Richtigkeit des im BFH-Urteil I 324/62 S entwikkelten Grundsatzes werde nicht bestritten. Dieser Grundsatz finde jedoch im vorliegenden Streitfalle keine Anwendung. Die Schuldnerin, die allein zum Vertrieb der von der Klägerin hergestellten Maschinen in den USA und zur Durchführung des service für diese Maschinen gegründet worden sei, werde ausschließlich von der Klägerin finanziert. Sie sei am Bilanzstichtag mit rd. 170 000 DM überschuldet gewesen. Dies habe die Klägerin als einzige Gläubigerin der Schuldnerin verpflichtet, ihre Forderung gegen sie, die eine Kontokorrentforderung sei, wertzuberichtigen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn sich die Lage der Schuldnerin bis zur Bilanzaufstellung durch die Klägerin gebessert habe, sei es durch den Zufluß neuer Mittel von dritter Seite, sei es durch Erzielung von Gewinn. Beides sei nicht eingetreten. Die im Jahre 1966 durchgeführte Kapitalerhöhung sei allein zu Lasten der Klägerin gegangen. Schließlich sei der Klägerin bei Aufstellung ihrer Bilanz auch bekanntgewesen, daß die Schuldnerin auch im Jahre 1966 mit einem Verlust abschließen werde, der dann tatsächlich 134 000 DM betragen habe. Danach sei die Schuldnerin am 31. Dezember 1966 wiederum mit rd. 130 000 DM überschuldet gewesen. Daraus rechtfertige sich die zum 31. Dezember 1965 von der Klägerin vorgenommene Wertberichtigung ihrer Forderung. Hätte sie diese Wertberichtigung unterlassen und wäre sie am 31. Dezember 1965 in Konkurs gefallen, so hätte sie sich eines Konkursvergehens schuldig gemacht. Hätte sie die Schuldnerin aufgelöst und deren Vermögen liquidiert, hätte der Verlust 300 000 bis 400 000 DM betragen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Wie in der Entscheidung I 324/62 S ausgeführt, ist der Kaufmann bei Aufstellung seiner Bilanz verpflichtet, alle diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Beachtung der steuerrechtlichen Vorschriften für die Verhältnisse am Bilanzstichtag von Bedeutung sind, auch wenn sie -- wie es dort heißt -- "am Bilanzstichtag noch nicht eingetreten oder nicht bekannt waren". Dieser Satz bedarf insofern der Klarstellung, als die sogenannten wertaufhellenden Tatsachen die Verhältnisse am Bilanzstichtag in der Tat insoweit berühren, als sie diese so zeigen, wie sie sich am Bilanzstichtag tatsächlich (objektiv) darstellten und deshalb für die Bewertung eines Bilanzpostens, für die Bemessung einer Rückstellung auch dann zu berücksichtigen sind, wenn sie "am Bilanzstichtag noch nicht eingetreten oder noch nicht bekannt waren". Demgemäß rechtfertigten im Falle des Urteils I 324/62 S die am Bilanzstichtag subjektiv noch mit einem Haftungsrisiko behafteten (behaftet scheinenden) diskontierten Kundenwechsel insoweit keine Rückstellung, als sie am Tage der Bilanzaufstellung von ihren Ausstellern eingelöst, d. h. objektiv am Bilanzstichtag nicht risikobehaftet waren.
Von diesen wertaufhellenden Tatsachen sind solche Ereignisse zu unterscheiden, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind, ohne daß sie die Verhältnisse am Bilanzstichtag objektiv zu zeigen, d. h. aufzuhellen vermögen, weil sie -- als wertbeeinflussende Tatsachen -- nichts enthalten, was einen Rückschluß auf die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag zuläßt, seinen Ursprung im abzuschließenden Geschäftsjahr hat. Macht z. B. der Schuldner einer vom Steuerpflichtigen zum Bilanzstichtag wertberichtigten Forderung nach dem Bilanzstichtag, indes vor der Bilanzaufstellung eine Erbschaft oder einen Lotteriegewinn, so beeinflußt dieses Ereignis zwar den Wert der Forderung des Steuerpflichtigen für dieses Geschäftsjahr, enthält aber nichts, was einen Rückschluß auf den objektiven Wert der Forderung (im Sinne einer Ablehnung der Wertberichtigung) zum Bilanzstichtag des abzuschließenden Geschäftsjahrs erlaubte.
2. Die Tatsache, daß sich die Klägerin im Jahre 1966 entschloß, ihre Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft zu erhöhen, erlaubt danach keinen Rückschluß auf den Wert der streitigen Forderung am 31. Dezember 1965. Erst in dem Augenblick, in dem die aus der Kapitalerhöhung resultierende Forderung der Tochtergesellschaft gegen die Klägerin begründet wurde, war die Aufrechnungslage gegeben. Welchen Einfluß die Kapitalerhöhung auf den Wert der Forderung am 31. Dezember 1966 hatte, kann dahinstehen.
3. Der Senat kann gleichwohl nicht abschließend entscheiden, weil das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt hat, ob die wirtschaftliche Lage der Tochtergesellschaft der Klägerin dieser zum 31. Dezember 1965 eine Wertberichtigung ihrer Forderung erlaubte (wenn auch der Sachvortrag der Klägerin für eine solche Annahme spricht). Dies wird nachzuholen sein.