BFH

BFHII R 60/727.2.1973

Amtlicher Leitsatz:

Eine Forderung, die eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gewährt, liegt bei stiller Beteiligung an der Kapitalgesellschaft auch dann vor, wenn die Bedingungen des stillen Gesellschaftsverhältnisses atypisch gestaltet sind (BFHE 106, 239).

Normen

§ 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG

 

Tatbestand:

Frau N. N. hat sich auf Grund Vertrages vom 1. September 1966 durch Leistung von Bareinlagen an dem Handelsgeschäft der Klägerin -- einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung -- beteiligt. Für das Innenverhältnis war vereinbart, daß sie am Vermögen der Gesellschaft einschließlich der Ansprüche aus laufenden Geschäften sowie an einem etwaigen Liquidationsüberschuß teilnehme; Gewinn und Verlust der Klägerin sollten nach dem am jeweiligen Abrechnungsstichtag gegebenen Verhältnis zwischen dem eingezahlten Stammkapital der Klägerin und der Einlage der N. N. verteilt werden.

Frau N. N. hat bei der Klägerin ... DM eingelegt. Das FA -- Beklagter -- hat gegen sie ... DM Gesellschaftsteuer festgesetzt. Das FG hat den Steuerbescheid aufgehoben (EFG 1972, 252).

Entscheidungsgründe

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG gelten als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften auch Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gewähren; derjenige, dem eine solche Forderung zusteht, gilt für die Besteuerung als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 2 KVStG). Der Gesellschaftsteuer unterliegen folglich mit dem aus § 8 KVStG ersichtlichen Steuermaßstab der Erwerb einer solchen Forderung durch den ersten Erwerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG) und weitere Leistungen, die auf Grund des das Forderungsrecht mit Gewinnbeteiligung begründenden obligatorischen Verhältnisses pflichtgemäß später bewirkt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG).

Die Voraussetzungen einer "Forderung, die eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gewährt", sind erfüllt. Frau N. N. hat sich an dem Handelsgewerbe, das die Klägerin als Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KVStG) betrieb, mit einer baren Einlage derart beteiligt, daß diese in das Vermögen der Klägerin überging. Da die Klägerin nach außen aus den im Betriebe geschlossenen Geschäften allein berechtigt und verpflichtet war, sind die Voraussetzungen einer stillen Gesellschaft erfüllt (§ 335 HGB). Sie ist insofern atypisch, als Frau N. N. nicht nur am Gewinn und Verlust (§ 336 Abs. 1 HGB) oder allein am Gewinn (§ 336 Abs. 2 HGB) der Klägerin beteiligt sein, sondern in ihrem Innenverhältnis zur Klägerin so angesehen werden sollte, wie wenn sie am Vermögen der Gesellschaft beteiligt wäre; konsequenterweise wurde ihr auch eine Beteiligung am etwaigen Liquidationsüberschuß zugesprochen. Diese Abweichung von der abdingbaren Regel des § 336 HGB ändert aber nichts daran, daß auch bei dieser -- wie bei jeder (Urteil des BFH vom 14. Juni 1972 II R 116/69, BFHE 106, 239, BStBl II 1972, 734) -- stillen Gesellschaft der Gewinn, an dem die stille Gesellschafterin beteiligt war, nicht unmittelbar von der bürgerlich-rechtlichen (§ 705 BGB) und handelsrechtlichen (§ 335 HGB) Innengesellschaft erzielt wurde, sondern von dem nach außen handelnden Kaufmann (§ 335 Abs. 2 HGB), also der Klägerin. Frau N. N. hatte demnach -- wie für die stille Gesellschaft jeder Art begriffsnotwendig (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1969 I R 188/67, BFHE 96, 397 [402], BStBl II 1969, 690) -- eine "Forderung, die eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gewährt"; daß der dabei einzusetzende Gewinnbegriff weiter ist als der des § 29 GmbHG, ist für alle Fälle des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG selbstverständlich (BFHE 106, 241).

Das hat das FG nicht verkannt. Es verneint aber die Gesellschaftsteuerpflicht, weil "mit dem Abschluß des Vertrages ... ein Mitunternehmerverhältnis begründet" worden sei. Das mag in einkommensteuerrechtlicher Betrachtung (§ 15 Nr. 2 EStG) gelten (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1968 IV R 5/67, BFHE 92, 465 [466], BStBl II 1968, 669), gilt aber nicht für die Umsatzsteuer (BFH-Urteil vom 22. Mai 1969 V R 28/66, BFHE 96, 149 [151 f.], BStBl II 1969, 603). Für die Gesellschaftsteuer ist keiner der beiden Unternehmerbegriffe maßgebend; im Zusammenhang der §§ 2, 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG kommt es allein darauf an, ob der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Kapitalverkehrsteuergesetz in diesen Vorschriften nach Maßgabe der §§ 7 bis 10 KVStG die Leistungspflicht knüpft. Diese Voraussetzung ist erfüllt.

Die Behauptung der Klägerin, daß in dem Urteil des BGH vom 29. November 1952 (BGHZE 8, 157 [166, 168]) ein Gesamthandsvermögen (§ 718 BGB) der atypischen stillen Gesellschaft angenommen worden sei, trifft nicht zu. Vielmehr sind dort nur "die Grundsätze über die sogenannte faktische Gesellschaft" auch auf eine stille Gesellschaft angewandt worden, und zwar (unter anderem) mit der Begründung, es könne "nicht anerkannt werden, daß erst die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung des gemeinsamen Vermögens allein oder in erster Linie die rechtliche Anerkennung des tatsächlichen Zustandes rechtfertigt und erfordert" (BGHZE 8, 167 ); die Frage ist also äußerstenfalls offengeblieben.

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