Normen
§ 16 EStG
Tatbestand:
Der verstorbene Ehegatte der Revisionsklägerin (der Steuerpflichtige) betrieb bis zum 15. Dezember 1963 ein Speditionsunternehmen. Er ließ in den Jahren 1960 und 1961 auf einem von seiner Mutter gemieteten Hofgrundstück einen Mannschaftsraum mit Wasch- und Toilettenanlagen errichten und die Hoffläche betonieren. Auf Grund der zwischen dem Steuerpflichtigen und seiner Mutter getroffenen Vereinbarungen sollten diese Anlagen nach Beendigung des Mietvertrags entschädigungslos auf die Mutter übergehen.
Nachdem der Steuerpflichtige seinen Betrieb aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hatte, veräußerte er das vorhandene Betriebsvermögen an mehrere Käufer; die von ihm auf dem Grundstück seiner Mutter errichteten Anlagen gingen vereinbarungsgemäß auf seine Mutter über.
Bei der Einkommensteuer-Veranlagung behandelte der Revisionsbeklagte (FA) die Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Baumaßnahmen -- entsprechend den Angaben in der Steuererklärung -- als einen den laufenden Gewinn der Jahre 1960 und 1961 belastenden Aufwand. Auf Grund einer in den Jahren 1966/1967 durchgeführten Betriebsprüfung berichtigte das FA die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1960 bis 1963, wobei es die Auffassung vertrat, daß die für die Baumaßnahmen gemachten Aufwendungen aktiviert und auf eine Nutzungsdauer von sieben Jahren verteilt werden müßten. Den im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe hiernach noch vorhandenen Restwert (26 112 DM) behandelte das FA bei der Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 1963 als einen den Betriebsaufgabegewinn mindernden Betrag.
Die Revisionsklägerin wendet sich gegen die Auffassung, daß der bei der Betriebsaufgabe infolge des entschädigungslosen Übergangs der Bauanlagen eingetretene Buchverlust zu Lasten des Betriebsaufgabegewinns gehen soll. Sie ist der Meinung, es handele sich insoweit um einen Verlust, der den Gewinn des laufenden Geschäftsjahres 1963 betreffe
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, der Verlust der aktivierten Wirtschaftsgüter sei erst durch die Aufgabe des Betriebs eingetreten. Es seien keine Gründe ersichtlich, die auf eine vorher eingetretene Wertlosigkeit schließen ließen und eine Teilwertabschreibung zu Lasten des laufenden Gewinns rechtfertigten. Die Frage, welche Nutzungsdauer bei der Bemessung der AfA zugrunde zu legen sei, richte sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Einbringung des betreffenden Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Steuerpflichtige mit einem längeren Nutzungszeitraum rechnen müssen, als der späteren zur Betriebsaufgabe führenden Entwicklung entsprochen habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision. Zu ihrer Begründung läßt die Revisionsklägerin vortragen:
Das FG habe übersehen, daß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG eine eindeutige Regelung des Begriffs des Veräußerungsgewinns enthalte. Zur Feststellung des Veräußerungsgewinns hätte nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG der Wert des Betriebsvermögens für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 5 EStG ermittelt werden müssen. Das bedeute, daß die Vorschriften über die Bewertung (§§ 6, 6a EStG) und über die AfA (§ 7 EStG) hätten berücksichtigt werden müssen. Im Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebs hätten die Bauanlagen aufgehört, den betrieblichen Zwecken zu dienen. Weder sei ihr Wert durch Veräußerung realisiert worden, noch seien die Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen übernommen worden. Deshalb hätten sie in der Bilanz für den Zeitpunkt der Veräußerung mit 0 DM angesetzt werden müssen. Dies hätte eine Verminderung des laufenden Gewinns des letzten Geschäftsjahres zur Folge.
Die Revisionsklägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Steuerbescheid entsprechend den Ausführungen der Revision zu ändern.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Bei der Entscheidung ist davon auszugehen, daß der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs oder bei seiner Aufgabe erzielt wird (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG), nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG einem begünstigten Steuersatz unterliegt. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß es zu Härten führen würde, wenn durch die Aufdeckung aller stillen Reserven eines Betriebs jahrelang aufgestaute Gewinne in einem Zuge nach dem progressiven Einkommensteuertarif versteuert werden müßten (vgl. Urteile des BFH I 294/56 U vom 10. September 1957, BFH 65, 468, BStBl III 1957, 414; IV 411/61 U vom 4. November 1965, BFH 84, 134, BStBl III 1966, 49; VI 118, 119/65 vom 16. September 1966, BFH 87, 134, BStBl III 1967, 70; I 103/64 vom 20. Dezember 1967, BFH 91, 166, BStBl II 1968, 276; IV 350/64 vom 25. Juni 1970, BFH 99, 479, BStBl II 1970, 719).
Im Gegensatz zu diesem massiert anfallenden außerordentlichen Gewinn berühren die außerhalb der Betriebsveräußerung oder -aufgabe anfallenden normalen Geschäfte und ihre Abwicklung den Veräußerungs-(Aufgabe-)gewinn nicht (BFH-Urteil IV 350/64, a. a. O.). Daher ist neben dem eigentlichen Veräußerungsgewinn der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 5 bis 7 EStG) zu ermittelnde Betriebsgewinn des letzten Besteuerungszeitraums (Zeit vom Schluß des der Veräußerung oder der Betriebsaufgabe vorangegangenen Wirtschaftsjahres bis zur Veräußerung oder Betriebsaufgabe) nach den normalen Sätzen zur Steuer heranzuziehen.
Bei der Abgrenzung des laufenden Gewinns vom Veräußerungs(Aufgabe-)gewinn kommt es darauf an, in welchem Zusammenhang der jeweils zu beurteilende einzelne Geschäftsvorfall steht. Bei einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) wird begrifflich vorausgesetzt, daß der Unternehmer, der den Betrieb aufgeben will, die Wirtschaftsgüter des Betriebs im wesentlichen in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an einen oder mehrere Abnehmer veräußert oder in sein Privatvermögen überführt. Für die Zuordnung eines Geschäftsvorfalls zum Akt der Betriebsaufgabe kommt es nach der Rechtsprechung des BFH darauf an, ob man den Vorfall wirtschaftlich noch zum einheitlichen Vorgang der Betriebsaufgabe rechnen kann (BFH-Urteil VI 118, 119/65, a. a. O.).
Diese für Geschäftsvorfälle mit Betriebsaufgabegewinnen geltende Regel ist umgekehrt aber auch auf Geschäftsvorfälle anzuwenden, die zu einem Aufgabeverlust führen. Deshalb muß der Buchverlust, der im vorliegenden Fall durch die entschädigungslose Aufgabe der Bauanlagen entstanden ist, als ein den Betriebsaufgabegewinn vermindernder Verlustposten angesehen werden. Es ist unstreitig, daß die Bauanlagen nur deshalb nicht mehr betrieblichen Zwecken dienten, weil sie wegen der Aufgabe des Betriebs und der hiermit in Zusammenhang stehenden Beendigung des Grundstücksmietvertrags nunmehr der Vermieterin kostenlos überlassen werden mußten. Der hierin liegende wirtschaftliche Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe läßt es nicht zu, den dadurch entstehenden Buchverlust zu Lasten des laufenden Gewinns zu buchen. Ähnlich hat auch der RFH in seinem Urteil VI A 1331/32 vom 11. Oktober 1934 (RStBl 1935, 613) entschieden, daß die durch Betriebsaufgabe eintretende Entwertung des Inventars bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns als Verlustposten anzusetzen ist.
Die demgegenüber von der Revisionsklägerin vertretene Meinung, der Wert der Bauanlagen hätte im Zeitpunkt der Veräußerung zu Lasten des laufenden Gewinns auf 0 DM abgeschrieben werden müssen, findet im Gesetz keine Stütze. Zu Unrecht beruft sich die Revisionsklägerin in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach der Wert des Betriebsvermögens für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 5 EStG (oder nach § 4 Abs. 1 EStG) zu ermitteln ist. Die Vorschriften der §§ 5 und 4 Abs. 1 EStG gelten zwar gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG auch für die Betriebsaufgabe; aus ihnen läßt sich jedoch das von der Revisionsklägerin angestrebte Ergebnis nicht ableiten.
Die Bezugnahme auf § 5 (bzw. § 4 Abs. 1) EStG hat den Sinn, festzulegen, mit welchen Werten das im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung (-aufgabe) noch vorhandene Betriebsvermögen anzusetzen ist; dieser Wert soll bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns dem Veräußerungspreis bzw. dem gemeinen Wert der in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter gegenübergestellt werden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 4 und § 5 EStG sind dabei die Vorschriften über die Bewertung (§§ 6, 6a EStG) zu befolgen. Das bedeutet, daß Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die AfA nach § 7 EStG, anzusetzen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Dem entspricht es, wenn der Revisionsbeklagte im vorliegenden Fall bei der Ermittlung des Betriebsvermögens für die Gebäudeanlagen den -- um die regelmäßige AfA verminderten -- Buchwert von 26 112 DM ansetzte; durch diesen Ansatz ergab sich eine entsprechende Verminderung des Betriebsaufgabegewinns. Dagegen wäre der Ansatz eines niedrigeren Teilwerts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) oder eine vollständige Wertabschreibung für die Bauanlagen auf 0 DM, wie sie die Revisionsklägerin offenbar anstrebt, nicht zulässig. Denn bis zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe war die Bauanlage noch in vollem Umfang nutzbar; der sodann eingetretene Wertschwund hat gerade in der Betriebsaufgabe seine Ursache und darf daher bei der Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens nach § 16 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, § 4 Abs. 1, § 5 EStG noch nicht berücksichtigt werden.