Normen
§ 8 Nr. 7 GewStG
§ 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG
Tatbestand:
Streitig war, ob dem Pächter einer Truppenkantine vom Verpächter neben Räumlichkeiten und Inventar noch weitere (immaterielle) Wirtschaftsgüter überlassen wurden und deshalb auch insoweit zur Ermittlung von Gewerbeertrag und -kapital Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1957 gerechtfertigt sind.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) war im Streitjahr 1960 Pächter eines Kantinenwirtschaftsbetriebes innerhalb eines Kasernengeländes der Bundeswehr. Nach dem mit der BRD geschlossenen Pachtvertrag vom 1. Januar 1960 wurden ihm die Räumlichkeiten "kostenlos" und mit Inventar und Geräten ausgestattet zur Verfügung gestellt. Als Pachtsumme wurde eine nach Umsatzhöhe und Warenarten gestaffelte Umsatzpacht vereinbart. Hinsichtlich des Warenangebots und der Preisgestaltung unterlag der Steuerpflichtige gewissen, im Pachtvertrag näher geregelten Beschränkungen. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit unter Vereinbarung einer Kündigungsfrist geschlossen. Neben außerordentlichen Kündigungsmöglichkeiten war ein Erlöschen des Vertrages auch für den Fall des Eintritts von Organisationsänderungen, zum Beispiel Aufhebung der Truppenunterkunft, vorgesehen.
Im Streitjahr zahlte der Steuerpflichtige eine Pacht von ... DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ging bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages davon aus, die Pachtsumme sei, da die Räumlichkeiten kostenlos überlassen worden seien, das Entgelt für die Überlassung von Geräten und Inventar sowie für die Einräumung des Rechts, auf dem Kasernengelände Waren verkaufen zu dürfen. Es handle sich also in vollem Umfange um Pachtzinsen für die Benutzung von fremden, nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Das FA rechnete daher die Hälfte der gesamten Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 7 GewStG dem Gewinn hinzu. Der hiergegen erhobene Einspruch führte noch zu einer Abänderung zuungunsten des Steuerpflichtigen. Das FA erkannte nunmehr auf Grund einer Äußerung des Bundesministers für Verteidigung zwar an, daß ein Teil der Pachtsumme (geschätzter Anteil 25 v. H.) auch auf die Überlassung der Räumlichkeiten entfalle und insoweit eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG ausscheide. Andererseits rechnete es aber beim Gewerbekapital das Recht auf Ausübung des Gewerbebetriebes auf dem Kasernengelände als immaterielles Wirtschaftsgut mit einem Teilwert von ... DM hinzu, so daß sich im Ergebnis eine Erhöhung des einheitlichen Meßbetrages auf ... DM ergab.
Die Klage hatte mit Ausnahme der nicht mehr streitigen Hinzurechnung des auf das Inventar entfallenden Pachtzinsanteiles Erfolg. Das FG ging davon aus, daß der Steuerpflichtige die Kantinenbewirtschaftung im Rahmen eines Pachtvertrages im Sinne der §§ 581 ff. BGB übernommen habe, so daß an sich Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 7 GewStG möglich seien. Die Befugnis, in der Kantine -- konkurrenzlos -- Waren verkaufen zu können, sei jedoch kein besonderes, der Besteuerung nach der genannten Vorschrift zugängliches Wirtschaftsgut. Sie ergebe sich bereits aus der zu diesem Zweck vereinbarten Überlassung der Räume. Auch wenn dem Steuerpflichtigen mit der Überlassung des Kantinenwirtschaftsbetriebes ein Anspruch darauf eingeräumt worden sei, daß er ohne Konkurrenz sein Gewerbe betreiben könne, so könne hierin kein Recht auf Benutzung eines fremden Wirtschaftsgutes gesehen werden. Ein Geschäftswert oder ein ähnliches immaterielles Wirtschaftsgut sei dem Steuerpflichtigen nicht überlassen worden. Insbesondere sei die mit der Belegung des Kasernengeländes vorgegebene "feste Kundschaft" kein solches Wirtschaftsgut. Diese unterscheide sich nicht wesentlich von der Laufkundschaft eines in guter Geschäftslage gemieteten Ladens. Hier wie da sei die Kundschaft kein dem Vermieter oder Verpächter "gehörendes" Wirtschaftsgut, über das er selbständig verfügen könne.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 8 Nr. 7 und 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG. Es macht geltend, das FG habe den Begriff des immateriellen Wirtschaftsgutes verkannt. Der dem Steuerpflichtigen von der Bundeswehr überlassene "Kundenstamm" sei mit der Laufkundschaft in guter Geschäftslage nicht vergleichbar. Die Verpächterin habe infolge ihres weitgehenden Verfügungsrechts über die Soldaten ein Verfügungsrecht über den Kundenstamm, den sie im Bedarfsfall von dem Kantinenbetrieb trennen und bei Verlegung des Truppenteiles einem anderen Kantinenpächter zuweisen könne. Mangels eines anderweitigen Nachweises müsse davon ausgegangen werden, daß 40 bis 50 % des Pachtzinses für die Zurverfügungstellung des "Kundenstammes" bezahlt worden seien.
Das FA beantragt, über die vom FG vorgenommenen Hinzurechnungen hinaus beim Gewerbegewinn gemäß § 8 Nr. 7 GewStG die Hälfte von 40 % des Pachtzinses und beim Gewerbekapital gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG den Teilwert des immateriellen Wirtschaftsgutes "Kundenstamm" hinzuzurechnen.
Der Steuerpflichtige beantragt Zurückweisung der Revision. Er bestreitet, daß -- wie das FA meine -- die Bundeswehr ein Verfügungsrecht über die Soldaten und damit über einen "Kundenstamm" habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Nach § 8 Nr. 7 GewStG wird zur Ermittlung des Gewerbeertrages die Hälfte der für die Benutzung von fremden, nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entrichteten und bei der Gewinnermittlung abgesetzten Miet- und Pachtzinsen dem Gewinn wieder hinzugerechnet, sofern die Zinsen nicht beim Empfänger zur Gewerbesteuer heranzuziehen sind (die Sonderregelung für Betriebsverpachtungen mit Jahrespacht über 250 000 DM kommt hier nicht in Betracht). Es besteht kein Streit mehr hinsichtlich der zutreffenden Würdigung des FG, daß der hier zu beurteilende Vertrag -- was für die Hinzurechnung Voraussetzung ist -- die wesentlichen Elemente eines Pachtvertrages im Sinne des bürgerlichen Rechts aufweist. Auch kommt eine Befreiung von der Hinzurechnung wegen Heranziehung der Pachtzinsen beim Empfänger nicht in Betracht, weil die BRD mit der Verpachtung der Bundeswehrkantine keinen stehenden Gewerbebetrieb unterhält (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStDV und Abschn. 20 Abs. 2 und 5 GewStR). Entscheidend für eine über die geschätzten Inventarpachtzinsen hinausgehende Hinzurechnung ist somit allein, ob der Steuerpflichtige die Gesamtpacht nicht nur für das Inventar und die Kantinenräume -- diese sind ihm, wie das FG zutreffend ausführt, entgegen dem mißverständlichen Vertragstext nicht kostenlos überlassen worden --, sondern auch für andere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, als welche dann nur immaterielle Wirtschaftsgüter in Frage kommen, entrichtet hat. Dieselbe Frage ist auch von Bedeutung für eine etwaige Hinzurechnung zum Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG; denn wenn dem Steuerpflichtigen dem Betrieb dienende immaterielle Wirtschaftsgüter überlassen worden sein sollten, müßten sie nach Satz 1 dieser Vorschrift (Satz 2 kommt hier nicht in Betracht) mit ihren Teilwerten zur Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes hinzugerechnet werden. Zwischen den Hinzurechnungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 und nach § 8 Nr. 7 GewStG besteht allerdings ein Unterschied insofern, als es für die Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag genügt, daß die Wirtschaftsgüter nach einkommensteuerlichen Grundsätzen bilanzansatzfähig sind, während für die Hinzurechnung zum Gewerbekapital Bewertungsfähigkeit der Wirtschaftsgüter im Sinne des BewG erforderlich ist.
Da der Begriff des Wirtschaftsgutes im Sinne von § 8 Nr. 7 GewStG der gleiche ist wie im Einkommensteuerrecht (vgl. BFH-Urteil I R 159/66 vom 23. April 1969, BFH 95, 399, BStBl III 1969, 439), umfaßt er, obwohl das Gesetz von "Eigentum" spricht, auch sonstige Rechte und Vorteile, die der Kaufmann sich etwas kosten läßt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind (vgl. Urteile des Senats IV 349/62 U vom 26. November 1964, BFH 82, 129, BStBl III 1965, 293; IV 403/62 U vom 29. April 1965, BFH 82, 461, BStBl III 1965, 414). Dabei kann jedoch nicht jeder gegen Entgelt erlangte Vorteil als Wirtschaftsgut angesehen werden. Es muß sich vielmehr um einen Vorteil handeln, dessen Wert als Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung (Übertragung) greifbar ist (vgl. Urteil des Senats IV 58/59 U vom 22. Februar 1962, BFH 75, 275, BStBl III 1962, 367). Die Aufwendungen für diesen Vorteil müssen von anderen Aufwendungen klar abgrenzbar sein (BFH-Urteil IV 403/62 U, a. a. O.).
Pachtet oder mietet ein Kaufmann gewerbliche Räume zum Zwecke des Verkaufs von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen gegenüber einem unbestimmten, von der räumlichen Lage aber abhängigen und beeinflußten Kundenkreis, so kann nicht geleugnet werden, daß dann, wenn die räumliche Lage geschäftsgünstig ist, der Kaufmann neben der bloßen Substanznutzung noch weitere, gerade im Interesse seines Gewerbes liegende Vorteile erlangt. Als solche kommen in Betracht die Möglichkeit der Gewerbeausübung gerade an dieser Stelle, Umfang und Art des sich anbietenden Kundenstammes, Möglichkeit des Konkurrenzausschlusses, Art und Weise der benachbarten Gebäude und Geschäfte (z. B. Ladengeschäft im städtischen Einkaufszentrum, Verkaufsstand oder Gaststätte im Hauptbahnhof oder Flughafen, Buch- und Schreibwarenhandlung in Schulnähe, Apotheke in der Nähe von Arztpraxen und dergl.). Es unterliegt keinem Zweifel, daß die derartige Möglichkeiten und Vorteile bietende Geschäftslage der Räume für die Bemessung des Miet- und Pachtzinses mitbestimmend ist. Fraglich kann allenfalls sein, ob diese Vorteilssituationen den Wert der Räume selbst erhöhen, oder ob der Mieter oder Pächter den von diesem Vorteil mitbestimmten Miet- oder Pachtzins deshalb zahlt, weil ihm die Vorteile neben der Raumnutzung überlassen werden. Diese Frage kann jedoch hier dahingestellt bleiben; denn das GewStG ordnet in § 8 Nr. 7 nicht die Hinzurechnung aller nicht für Grundbesitz gezahlten Miet- und Pachtzinsen an, sondern es beschränkt die Hinzurechnung auf Miet- und Pachtzinsen für nicht in Grundbesitz bestehende Wirtschaftsgüter. Auch die Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG setzt das Vorhandensein von Wirtschaftsgütern voraus. Die genannten Vorteilssituationen sind aber keine Wirtschaftsgüter im oben dargelegten Sinne, wenn sie nicht durch die Pachtzahlung konkretisiert und damit greifbar geworden sind (vgl. neben dem genannten Urteil des Senats IV 58/59 U, a. a. O., auch das BFH-Urteil III R 15/67 vom 28. August 1968, BFH 93, 486, BStBl II 1969, 2).
Im Streitfall kann nicht davon ausgegangen werden, daß durch die Pachtzahlungen des Steuerpflichtigen die Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter konkretisiert wurde. Es ist weder greifbar noch abgrenzbar, ob und inwieweit der Steuerpflichtige die Pacht für die Überlassung von Räumen, Geräten und Inventar, oder auch für die geschäftlichen Chancen entrichtete, die darin lagen, daß er die Kantine auf dem Kasernengelände betreiben konnte und daß ihm damit auch ein bestimmter Kundenstamm zur Verfügung stand. Nur wenn ein auf diese Vorteile entfallender Pachtzinsanteil klar ausscheidbar wäre, könnte von einer Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter und deren Bewertungsfähigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts die Rede sein. Die Hinzurechnung eines Teiles der Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG zum Gewerbeertrag kommt somit nicht in Betracht, ohne daß es noch der an sich naheliegenden Überlegung bedarf, daß wohl auch die nach der Rechtsprechung bedeutsame Verkehrsauffassung in Fällen wie dem vorliegenden nicht annimmt, dem Pächter seien immaterielle Wirtschaftsgüter überlassen worden.
Eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG für immaterielle Wirtschaftsgüter scheidet ebenfalls aus, da hier erst recht nicht angenommen werden kann, daß durch die Pachtzahlungen immaterielle Wirtschaftsgüter konkretisiert worden seien, die, wenn sie dem Steuerpflichtigen "gehörten", nach § 54 BewG bei dessen Betriebsvermögen anzusetzen wären.